Rede Thomas Nord. Vorsitzender der LINKEN. Brandenburg

26. Januar 2008

Es gilt das gesprochene Wort!

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Gäste,

der heutige Parteitag ist ganz sicher ein wichtiges Ereignis in der Chronik der im September des vergangenen Jahres auch in Brandenburg neu gegründeten Partei DIE LINKE. Mit der Neuwahl des Landesvorstandes und weiterer Gremien, dem Abschluss der Leitbilddiskussion und der Debatte über diverse Anträge zu den vor uns liegenden Aufgaben stellen wir Weichen für eine erfolgreiche Arbeit in den kommenden Jahren. Zugleich wissen wir aber, dass weit wichtigere Ereignisse als unser heutiger Parteitag, morgen stattfinden.

Mit den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen fällt auch für unsere Partei eine außerordentlich wichtige Entscheidung. Morgen wird sich zeigen, ob DIE LINKE auf dem Weg zu einer gesamtdeutschen Partei einen entscheidenden Schritt vorangekommen ist oder nicht. Alle Umfragen sagen uns, dass es nicht sicher ist, ob wir in diesen beiden Bundesländern die fünf Prozenthürde nehmen. Deshalb liebe Genossinnen und Genossen lasst uns von hier aus die Wahlkämpfer herzlich grüßen. Wir drücken euch, wir drücken uns die Daumen, das ihr es morgen schafft und in Fraktionsstärke in die beiden Landtage einzieht.

Doch beim Daumendrücken haben wir es in den letzten Tagen und Wochen nicht belassen, wie auch der Film gerade gezeigt hat. Nicht nur unsere jungen Genossinnen und Genossen der linksjugend (`solid) sind im  Wahlkampf aktiv. Auch andere waren in Niedersachsen unterwegs oder helfen zurzeit in Hamburg. Diese Hilfe sollten wir in den nächsten Tagen noch aktivieren. Herzlichen Dank an alle die jetzt schon unterwegs waren oder sind.

Wir selbst haben unsere Feuertaufe bei Wahlkämpfen als DIE LINKE. Brandenburg bereits bestanden. Unter diesem Namen haben wir Ende vergangenen Jahres zwei Bürgermeisterwahlen in Hohen Neuendorf und in Fredersdorf/Vogelsdorf gewonnen. Herzliche Glückwünsche an Klaus-Dieter Hartung und Dr. Uwe Klett. Sie waren 2007 unsere Erfolge drei und vier bei Bürgermeisterwahlen. Jetzt haben wir 13 hauptamtliche Bürgermeister im Land – so viele wie noch nie.

Liebe Genossinnen und Genossen,

Aber nicht nur wir sind in den gegenwärtig stattfindenden Wahlkämpfen aktiv. Auch andere Politiker des Landes engagieren sich. So war der Ministerpräsident als Wahlkämpfer drei Tage in Hessen unterwegs und berichtete sehr stolz auf einem Neujahrsempfang darüber. Ach dachte ich, das ist ja spannend. Schau doch mal nach, wofür da Matthias Platzeck so gekämpft hat. Vielleicht ist es interessant für einen Brandenburger zu erfahren, was der MP so außerhalb seiner eigenen Landesgrenzen für gut befindet. Und siehe da, in der Tat war ich einigermaßen überrascht, wofür sich unser Landesvater so alles begeistern kann. Im Wahlprogramm der Hessischen SPD fand sich der schöne Satz:

„Wir werden die … Abschaffung der kostenfreien Schülerbeförderung zurücknehmen.“

Wenn ich diesen Sinneswandel geahnt hätte! Ganz sicher wären wir nicht auf die Idee gekommen, extra eine Volksinitiative für das gleiche Anliegen in Brandenburg zu unterstützen. Wozu die ganze Aufregung, wenn sogar der Ministerpräsident dafür ist. Ob er die in Brandenburg verordnete Elternbeteiligung jetzt  zurücknehmen wird? Vielleicht sogar, bevor die 26.000 Unterschriften der Volksinitiative ausgezählt worden sind?

Und dann dachte ich, schau doch mal ob du noch mehr so erfreuliche Botschaften für die Brandenburgerinnen und Brandenburger findest und wurde schnell fündig. (Zitat Wahlprogramm):

„Wir wollen die frühe Selektion an …. Schulen beenden. Hier werden ohne Grund für viele Kinder Lebenschancen verbaut. … Längeres gemeinsames Lernen ist auch sozial gerechter, denn viel zu oft wird bei der Schulempfehlung nach sozialer Herkunft statt nach Leistungsfähigkeit entschieden.
Wir wollen Schulen ermutigen alle Kinder bis zur 10. Klasse gemeinsam zu unterrichten.“

Und in der Frankfurter Erklärung der Bundes- und der SPD Hessen heißt es dann sogar:

„Wir werden den Rechtsanspruch auf kostenfreie ganztägige Betreuung ab dem ersten Geburtstag stufenweise verwirklichen und das Mittagessen in Kita und Schule für arme Kinder unbürokratisch kostenfrei machen.“

Was soll man dazu sagen? Und was hat das mit brandenburgischer Bildungsrealität zu tun? Liegt es eigentlich nur an der CDU, dass wir hier von solchen Vorstellungen nur träumen können?

Na und dann dachte ich, wenigstens in der Energiepolitik müsste doch der Ministerpräsident neue Kraft für die weitere Verstromung der Braunkohle getankt haben. Aber auch hier liebe Genossinnen und Genossen Fehlanzeige. Stattdessen heißt es im Programm „Neue Energie für Hessen“:

„Fossile Großkraftwerke sind kein geeigneter Ersatz für Atomreaktoren. Dazu sind die Klimagefahren zu alarmierend. Daraus ergibt sich eine kristallklare politische Konsequenz, vor der sich immer noch viele herumdrücken: Wir müssen so schnell wie möglich den Übergang von der fossil-atomaren Energieversorgung zu einer mit Erneuerbaren Energien vollziehen. Dies ist eine elementare Jahrhundertaufgabe. Und in Hessen packen wir sie an.“

Liebe Genossinnen und Genossen, belassen wir es dabei. Wenn die Brandenburger SPD machen würde, wofür ihr Landesvorsitzender in Hessen kämpft, wären wir politisch ein ganzes Stück weiter. Zugleich wird deutlich, warum ich zu solchen sozialdemokratischen Wahlaussagen sage: „Die Worte hör ich wohl, allein, mir fehlt der Glaube.“ Gerade die politische Praxis in Brandenburg zeigt, dass solchen wohlklingenden Losungen eben eher keine Taten folgen. Im Gegenteil, wie wir gerade bei der Ablehnung der Volksinitiative für ein Sozialticket im Landtag erleben durften.  Dabei sind die von der Landesregierung immer wieder vorgetragenen Begründungen, die von uns geforderten Maßnahmen seien nicht finanzierbar und populistisch, schlicht und ergreifend faule Ausreden. Vorgebracht werden sie von überzeugten Anhängern der Agenda 2010. Nur wird das heute nicht mehr so begründet. Es ist nicht mehr schick in der SPD und in Deutschland, ein Anhänger von Hartz IV zu sein. Offenen Fans des Sozialabbaus, der Umverteilung von unten nach oben und anhaltenden Privatisierungen droht heute die Höchststrafe, die es für Politiker aus SPD und Union gibt: ein Platz auf der Oppositionsbank. Hinzu kommt: der Beweis, dass es bei entsprechendem politischen Willen auch anders geht, ist schnell erbracht.

In einer Stellungnahme haben Oskar Lafontaine, Lothar Bisky und Gregor Gysi zur Politik in Berlin festgehalten, dass dort für den Doppelhaushalt 2008/09 keine neuen Schulden aufgenommen werden müssen, sogar mit der Schuldentilgung begonnen wird und es trotzdem soziale Erfolge gibt, die einmalig in Deutschland sind:
 Nach langen Verhandlungen mit der Bundesregierung und der Agentur für Arbeit wird in Berlin ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor (ÖBS) aufgebaut. Die Arbeitnehmer-Brutto-Entgelte werden nicht weniger als 1.300 Euro monatlich betragen.
 Während die Koalition auf Bundesebene noch über den Mindestlohn diskutiert, macht der Berliner Senat Ernst: Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in der Hauptstadt müssen alle Unternehmen künftig garantieren, dass sie Tariflohn und mindestens einen Stundenlohn von 7,50 Euro zahlen.
 Nach den Forderungen der Linken wurde eine Bürgerrechts- und Bürgerbeteiligungspolitik durchgesetzt, die in anderen Bundesländern ihresgleichen sucht.
 Berlin hat heute ein bundesweit vorbildliches Versorgungsniveau an Kita-Plätzen. Mehr als 90 Prozent der Kinder besuchen einen Kindergarten, über 95 Prozent sind es im Jahr vor der Einschulung. Seit 1. Januar 2007 ist für alle Kinder im letzten Jahr vor Schulbeginn der Kita-Besuch beitragsfrei.
 In Berlin fahren Arbeitslosengeld II-BezieherInnen, RentnerInnen mit Grundsicherung, AufstockerInnen, SozialhilfeempfängerInnen und AsylbewerberInnen mit dem Sozialticket zum halben Preis mit Bus und Bahn. Bei Preissteigerungen erhöht sich nicht der Preis des Sozialtickets. Für nur drei Euro erwerben sie in Opern und Theatern eine Stunde vor Vorstellungsbeginn die bis dahin nicht verkauften Karten als Kulturticket. Bibliotheken können sie kostenlos nutzen.
 Mit dem Ziel, das sozial ausgrenzende, gegliederte Schulsystem zu überwinden, wurde erfolgreich das in Deutschland einmalige Pilotprojekt der Gemeinschaftsschule gestartet. 400 LehrerInnen wurden zusätzlich und dauerhaft eingestellt. Jedes Kind erhält ab Januar 2008 für 23 Euro monatlich täglich ein warmes Mittagessen, bisher zahlten viele Eltern rund 40 Euro im Monat.
 Im Koalitionsvertrag steht, dass kein einziges Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge privatisiert werden darf.

Liebe Genossinnen und Genossen,
dass wir uns nicht falsch verstehen, wir alle wissen auch in Berlin wird nicht der Sozialismus in einem Bundesland aufgebaut und die Kritik an vielem, was dort stattfindet, lässt nicht nach. Was dort aber trotz vieler Probleme versucht wird, ist es, eine Politik in der Regierung zu verwirklichen, wie sie die Wählerinnen und Wähler nicht nur unserer Partei erwarten und sie ihnen gerade in Hessen von der SPD versprochen wird.  Viele Brandenburgerinnen und Brandenburger wären froh gäbe es hier im Land eine solche Politik. Sie erwarten diese eigentlich von der SPD. Bekommen sie aber nicht und hoffen daher nicht zuletzt auf DIE LINKE. Das konnten wir unserer emnid Umfrage entnehmen.

Das zentrale Anliegen der Umfrage war, herauszufinden, was die Brandenburger von unseren politischen Forderungen und der Kritik an der aktuellen Politik der Landesregierung halten. Es ging um die Frage, wie sie uns einschätzen und was sie über die Volksinitiativen denken, an denen sich DIE LINKE beteiligt. Die Menschen finden unsere Forderungen richtig: 92 Prozent wünschen kostenloses Mittagessen in den Kindergärten, 63 Prozent möchten Gemeinschaftsschulen bis zur achten Klasse und immerhin noch 54 Prozent einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. Das heißt, wichtige Forderungen der Linkspartei sind in der Gesellschaft mehrheitsfähig. Die Werte für die Anhänger der SPD, der Linkspartei und der CDU unterscheiden sich nur geringfügig. SPD und CDU wären deshalb gut beraten, unseren entsprechenden Anträgen zuzustimmen. Besonders auffallend ist, dass selbst 63 Prozent der CDU-Anhänger für die Gemeinschaftsschule sind, was der tatsächlichen CDU-Bildungspolitik diametral entgegensteht. 89 Prozent der Brandenburger finden es richtig, wenn die Eltern nicht für den Schulbus ihrer Kinder zahlen müssen, 76 Prozent sind für die Einführung eines Sozialtickets zum halben Preis der üblichen Monatskarte. Hier gibt es eine sehr klare Zustimmung für die von uns unterstützten Volksinitiativen. 58 Prozent halten die Volksinitiative gegen neue Tagebaue für wichtig. Konkret sind sogar 12 Prozent für einen sofortigen und 61 Prozent für einen mittelfristigen Ausstieg und bloß 24 Prozent für eine unbefristete Ausnutzung der Braunkohle für die Energieerzeugung. Die SPD und insbesondere die CDU müssten sich nach dieser Umfrage überlegen, warum sie sich unserer Ansicht nicht anschließen, dass die Braunkohleverstromung eine Technologie ist, die keine Zukunft hat. Ihre Anhänger jedenfalls sehen das ähnlich. Positive Nachrichten für DIE LINKE sind, dass uns Kompetenz zugestanden wird bei den Themen bessere Lebensbedingungen für Kinder, Toleranz gegenüber Ausländern und gute Bildung für alle. Unseren Anhängern sind genau diese Themen sehr wichtig. 80 Prozent der Brandenburger liegt vor allem am Herzen, dass Arbeitsplätze geschaffen werden, die ein Einkommen garantieren, von dem man auch leben kann. Unsere Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn ist also völlig berechtigt, zumal nur 27 Prozent der Bürgerinnen und Bürger der Auffassung sind, dass es ihnen wirtschaftlich besser geht, seit dem Matthias Platzeck regiert und nur 19 Prozent finden, dass seit dem Brandenburg gerechter geworden ist.

Daher überrascht es nicht: Die Hälfte der Befragten glaubt, dass die derzeitige Koalition aus SPD und CDU die Probleme des Bundeslandes nicht zu lösen vermag. Nur 46 Prozent der Wählerinnen und Wähler wünschen sich, dass die bisherige Koalition weitermacht. Damit hat die jetzige Koalition nicht mal mehr alle Wählerinnen und Wähler der Koalitionsparteien hinter sich. 39 Prozent hätten lieber Rot-Rot, 8 Prozent eine Koalition von Linkspartei und CDU. Mal abgesehen davon, dass ein Bündnis der Linkspartei mit der CDU wegen der erheblichen politischen Differenzen ausscheidet – 47 Prozent der Brandenburger wünschen sich die Linkspartei in der Regierung. Das ist ein bemerkenswert hoher Wert. Es gibt eine wachsende Stimmung für einen Regierungswechsel unter Beteiligung der Partei DIE LINKE. 87 Prozent unserer Anhänger möchten Rot-Rot. Die übergroße Mehrheit unserer Wähler will uns lieber in der Regierung sehen als in der Opposition. Man kann das falsch finden, aber es zu ignorieren, wäre der Abschied von ernst zu nehmender Politik.

Liebe Genossinnen und Genossen,
an dieser Stelle kommt dann oft der Punkt, an welchem sich die Kritiker von Regierungsbeteiligungen in unserer Partei, scheinbar überraschend, in völliger Übereinstimmung mit dem Generalsekretär der märkischen SPD, Klaus Ness, wiederfinden. Der und auch einige innerparteilichen Kritiker meinen, in der LINKEN Brandenburg gäbe es zwei Linien:

Erstens gäbe es eine „Basislinie“, die den Osten und seine Menschen insgesamt auf einem kontinuierlichen „Verelendungsweg“ sieht.
Zweitens gäbe es eine „Regierungslinie“, insbesondere innerhalb der Führungsgruppe der Linken Brandenburg, die zunehmend erkennt, dass die Partei nach bald 20 Jahren Opposition in Brandenburg in Gefahr sei, sich in einer tendenziell kleiner werdenden gesellschaftlichen Nische einzurichten. Der Preis, den die Partei dafür zahlen müsste, sei ihre schrumpfende gesellschaftliche Bedeutung und ihre dauerhafte Regierungsunfähigkeit. Eine nicht zu ignorierende Motivation der Protagonisten dieser zweiten Linie sei dementsprechend sicherlich auch das individuelle Eigeninteresse, selbst endlich Regierungsämter und -verantwortung zu übernehmen.
Die Politik der Linken in Brandenburg sei vor dem Hintergrund dieser zwei Linien widersprüchlich. Auf der einen Seite versuche die Partei- und Fraktionsspitze, die PDS/Linke mit ihrer innerparteilichen Kampagne „Dialog der Regionen“ auf einen Regierungskurs einzustellen, auf der anderen Seite kommt sie der „Basislinie“ mit „Wünsch-Dir-was-Kampagnen“ mit einer Reihe von Bürgerbegehren für Sozialtickets, kostenlose Schülerbusfahrten etc. entgegen.

Liebe Genossinnen und Genossen,
unsere angeblich schrumpfende gesellschaftliche Bedeutung, spiegelt sich vor allem in einer Verdoppelung der Wahlergebnisse für die Partei in den vergangenen 15 Jahren wider. Wir sind bedauerlicher Weise sicher, dass die gesellschaftliche Nische der Verliererinnen und Verlierer immer größer wird, statt kleiner. Auch die Entwicklung unserer Partei zeugt davon, dass unsere gesellschaftliche Bedeutung eher größer wird, als kleiner. Nicht zuletzt spiegelt sich das in den „Wünsch-Dir-was-Kampagnen“ unseres Ministerpräsidenten in Hessen und in den genannten Umfrageergebnissen wieder.

Deshalb sollten wir uns vor einer Falle hüten, egal von wem sie formuliert wird. Lassen wir uns weder von Sozialdemokraten noch von sonst wem in Karrieristen und Basis aufspalten. Wenn uns eine so große Anzahl unserer potentiellen Wählerinnen und Wähler in einer Regierung wünschen, dann weder, weil sie aus einer kleiner werdenden Nische kommen, noch weil sie sich nun endlich Minister der LINKEN wünschen. Was sie wollen, liebe Genossinnen und Genossen, ist eine reale Verbesserung ihrer Lebenslage! Und weil sie die weder von SPD noch von der CDU bekommen, erwarten sie diese von uns. Und wenn wir jemals in eine Regierung eintreten sollten und dies vergessen, dann werden wir das zu Recht bereuen! Sollten wir aber in eine Regierung eintreten, dann ist das, was dort zu leisten ist, alles andere als Vergnügungssteuerpflichtig. Im Gegenteil, es wäre angesichts hoher Erwartungen eine Knochenarbeit für alle, die sich wo auch immer dieser Aufgabe stellen.

Im euch vorliegenden Leitantrag heißt es dazu:

„DIE LINKE sieht ihre Rolle darin, den Einfluss der Politik auf gesellschaftliche Entwicklungen wieder zu erhöhen  und unabhängig von ihrer Stellung als Oppositions- oder Regierungspartei, das politische System zu massiven politischen Korrekturen zu zwingen.“

Der Veränderungswillen in der Gesellschaft speist sich aus der Grundfrage, ob das in den kommenden Jahrzehnten so bleiben soll: eine Teilung der Gesellschaft in einen kleinen Teil, der am Produktivitätsgewinn aktiv und passiv teilhat, und einen immer größer werdenden Teil, der vollkommen davon abgekoppelt ist. Es geht um die Entscheidung, was soziale Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert bedeutet: Freiheit, Gleichheit und Wohlstand für alle oder nur für einen Teil der Gesellschaft. Darum, ob dafür ein neues politisches Kräfteverhältnis in Deutschland hergestellt werden kann oder nicht? Diese Aufgabe ist eine gewaltige Herausforderung und wir stehen im besten Fall gerade mal am Anfang eines langen Weges zu ihrer Lösung. Unsere neue Partei gibt aber vielen Menschen wieder die Hoffnung, dass dies gelingen könnte.

Auch der Politikwechsel, den Brandenburg braucht, gewinnt seine Kraft durch die neue LINKE. Seit 2005 zeigt sie auch hier, wie starker Druck und gesellschaftlicher Widerstand die herrschende Politik verändern kann. Ein Linksruck ist in der politischen Debatte in Deutschland kein Fremdwort mehr, auch kein Hirngespinst mehr. Ein Linksruck ist durch uns auch für Brandenburg möglich geworden. Was der Landesregierung mit ihrem Leitbild nicht gelang, erreichte die neue LINKE: eine wirkliche Zukunftsdebatte. Wir haben mit unserer Leitbilddiskussion die wichtigen Fragen benannt, den Defiziten Alternativen gegenübergestellt. Und auch wenn es Klaus Ness nicht passt, jede einzelne Volksinitiative die wir in den vergangenen Monaten geführt haben, steht nicht nur mit unserem Leitbild in Übereinstimmung, sondern leitet sich direkt aus ihr ab. Zwischen unserm Leitbild und den außerparlamentarischen Initiativen gibt es keine Differenzen. Die Vorstände unseres Landesverbandes kämpfen für genau die gleichen Ziele, wie die Fraktion im Landtag oder die Basis.

Liebe Genossinnen und Genossen,
es bleibt dabei: Es entspricht in dieser Situation weder den Kräfteverhältnissen noch den Interessen unserer Wählerinnen und Wähler, wenn wir uns auf die Rolle einer Juniorpartnerin in einer Koalition reduzieren. Gleiche Augenhöhe ist angesagt! Für uns sind der Wählerwille und der erreichbare Politikwechsel das entscheidende Kriterium dafür, ob die LINKE in Brandenburg Regierungsverantwortung übernimmt. Wir kämpfen für unsere eigene Politik, mit der wir auch enttäuschte Wählerinnen und Wähler der SPD und der CDU, die mehr soziale Gerechtigkeit in Brandenburg wollen, ansprechen und umwerben. Sollte ein ernsthafter Politikwechsel dann allerdings durch den Wählerwillen möglich sein, dann würden sie es wohl auch nicht verzeihen, wenn wir diesen aus welchen Gründen auch immer ausschlagen.

Dabei ist die angestrebte Augenhöhe weder eine Selbstverständlichkeit noch ist sie Größenwahnsinn. Nein, sie ist schlicht und ergreifend eine notwendige Voraussetzung und ernsthafte Herausforderung, um einen Politikwechsel tatsächlich zu ermöglichen. Sie ist auch kein einmaliger Zustand am Wahlabend. Sie muss erhalten bleiben, wollen wir ernsthafte Veränderungen an den Ergebnissen der seit Jahrzehnten herrschenden Politik erzielen. Zu diesem Zweck ist sie notwendig. In der Regierung, wie in der Opposition. Und wenn sie in der Regierung nicht möglich ist, sollten wir in der Opposition bleiben und von dort aus für unsere Ziele, um unsere Meinungsführerschaft kämpfen. Diesen Kampf brauchen und werden wir nicht allein führen. Bei den Volksinitiativen für die kostenfreie Schülerbeförderung, für das Sozialticket und gegen neue Tagebaue haben wir Partnerinnen und Partner in einem Umfang und in einer Qualität wie noch nie zuvor an unserer Seite. Gewerkschaften, Wohlfahrts- und Umweltverbände kämpfen mit uns gemeinsam für ein zukunftsfähiges und soziales Brandenburg. Und wir wollen uns in diesem Kampf gegen eine den Mehrheitswillen der Brandenburgerinnen und Brandenburger ignorierende Landesregierung durchsetzen.

Dass wir das ernst meinen, werden wir in den kommenden Monaten unter Beweis stellen. Im Antrag heißt es dazu:

„Der Landesvorstand wird beauftragt, in Abstimmung mit unseren Partnerinnen und Partnern in Gewerkschaften, Sozial- und Umweltverbänden sowie Bürgerinitiativen für das Jahr 2008 über weitere gemeinsame Initiativen zu beraten. Insbesondere geht es dabei um die Prüfung gemeinsamer inhaltlicher und organisatorischer Prämissen, die die Möglichkeit der Fortführung der genannten Volksinitiativen bis zur Stufe Volksbegehren und Volksentscheid einschließt.“

Liebe Genossinnen und Genossen,
genau in diesem Sinne liegt dem heutigen Parteitag ein Dringlichkeitsantrag zur Unterstützung eines Volksbegehrens für ein Sozialticket in Brandenburg vor. Ich weiß um die Größe dieser Aufgabe und um die Zweifel in den eigenen Reihen, ob das, was noch niemand geschafft hat, durch uns und unsere Partner bei Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden zu leisten ist. Hierzu sage ich zweierlei: 80.000 Bürgerinnen und Bürger müssen sich in vier Monaten in den Ämtern für das Begehren eintragen. Das sind 20% unserer Wählerinnen und Wähler. Das ist viel. Ca. 5000 pro Kreis. Andererseits sage ich aber auch: Beweisen wir den Brandenburgerinnen und Brandenburgern, dass sie dieses Land selbst verändern können, auch wenn es der Regierung nicht passt. Beweisen wir den Wählerinnen und Wählern, dass wir uns durchsetzen können mit dem was wir fordern, auch wenn es jetzt viele noch nicht glauben. Zeigen wir, dass wir den Titel Oppositionspartei zu recht und erfolgreich tragen. Zeigen wir vor Ort Gesicht für eine sozialere Politik in Brandenburg.

Nicht zuletzt ist dies auch eine Fortsetzung unserer Leitbildkampagne und eine aktive Vorbereitung auf die am 28. September stattfindenden Kommunalwahlen.

In den Kommunalwahlen 2008 wird sich erweisen, ob unser bundespolitisches Wählerpotential auch kommunalpolitisch mobilisierbar ist. In den Kommunalwahlen besteht zugleich die Chance, potenzielle Kandidaten und Kandidatinnen für die 2010 stattfindenden Bürgermeisterwahlen erfolgreich in der Öffentlichkeit zu positionieren. Mit anderen Worten: Dass wir seit 2003 stärker geworden sind, bedeutet zugleich, dass sich für unsere Politik auch die Maßstäbe erhöht haben. Ein Blick auf die kommunalen Wahlergebnisse der PDS 1993 bis 2003 zeigt, dass sie relativ konstant bei 21 Prozent lagen, während die von SPD und CDU stark von der aktuellen politischen Großwetterlage abhängig waren. Um an unsere guten Ergebnisse von 2004/5 anzuknüpfen, müssen wir nicht nur effektiv mehr Wählerinnen und Wähler erreichen. Auch die personellen Anforderungen an die Vorbereitung vor allem der Kommunalwahlen sind enorm, da ca. ein Drittel unserer jetzigen kommunalen Mandatsträger und Mandatsträgerinnen 2008 nicht wieder antreten wird. Die Mobilisierung der Partei, ihrer Sympathisantinnen und Sympathisanten, die in vielen Kreisen und Kommunen bereits begonnen hat, muss und wird jetzt im ganzen Landesverband in das Zentrum der politischen Arbeit gestellt werden.

Diese Mobilisierung verbinden wir mit einer inhaltlichen Profilierung, die der Strategie der SPD und der CDU nicht nur Kritik in Einzelfragen entgegenstellt, sondern ein alternatives Gesamtkonzept, das die Handlungsspielräume für eine gerechtere und nachhaltigere Politik formuliert. Mit der seit Herbst 2006 geführten Leitbilddebatte haben wir Perspektiven für das Land Brandenburg entwickelt und die politischen Positionen der LINKEN für die kommenden Wahlkämpfe zusammenfassend dargestellt. Die Grundgedanken dieses Leitbildes sollen erkennbar in die Vorbereitung der Wahlkämpfe und der Kampagnen mit einfließen. Entsprechende Materialien sind in Arbeit. Nur wenn unsere Politikerinnen und Politiker auf Landes- und Kommunalebene das Leitbild als Grundlage politischen Handelns ansehen, werden wir größtmögliche Wirksamkeit erreichen.

Über das Volksbegehren für ein Sozialticket und die erfolgreiche Gestaltung der Kommunalwahlen können wir in diesem Jahr entscheidende Schritte gehen, um einen Politikwechsel in Brandenburg einzuleiten. Grundsteine für ein soziales Brandenburg legen.

Ein weiterer notwendiger Schritt in dieser Hinsicht, das hat uns die Umfrage gezeigt, ist, das wir auch auf Landesebene unsere populären politischen Forderungen und Konzeptionen mit Personen, die dafür stehen, verbinden müssen. Das hat uns im Vorfeld dieses Parteitages umgetrieben, ihr konntet das der Presse entnehmen. Im Prinzip ist alles ganz einfach: Eine Alternative ist nur glaubwürdig, wenn sie sich mit einer Person verbindet, die bereit ist, sie durchzusetzen und der man es auch zutraut. Deswegen ist der Landesvorstand, bin ich, an die Fraktionsvorsitzende herangetreten und haben sie gefragt, ob sie bereit wäre, als Spitzenkandidatin für den Landtagswahlkampf auf der Vertreterkonferenz der Partei zu kandidieren. Und an dieser Stelle zeigt sich, dass das Prinzip eben nicht die persönliche Entscheidung ersetzen kann. Vieles ist abzuwägen. Manches noch mal ernsthaft zu prüfen – Kerstin hat dazu viele Gespräche geführt und ich gehe davon aus, dass sie uns auf diesem Parteitag ihre Entscheidung dazu mitteilen wird.

Abschließend liebe Genossinnen und Genossen,
lasst mich den langjährigen SPD-Bundestagsabgeordnete und früheren Sprecher der SPD-Linken Detlef von Larcher zitieren. Er  empfiehlt, bei den Landtagswahlen in Hessen, Niedersachsen und Hamburg für die Partei DIE LINKE zu stimmen.

„Wer es gut meint mit der SPD, wählt dieses Mal Die Linke. Wer will, dass die SPD wieder sozialdemokratische Politik macht, die sich von der der Union deutlich unterscheidet, muss mit seiner Zweitstimme bei den bevorstehenden Wahlen dafür sorgen, dass DIE LINKE in alle Parlamente einzieht… Dass die Spitzenleute der SPD bei ihren Wahlkampfauftritten in Hessen, Niedersachsen und Hamburg anders sprechen als noch vor einem
Jahr verdanken wir der linken Konkurrenz. Ich bin daher überzeugt, dass der die Partei „Die Linke“ wählen muss, der will, dass die SPD zur Politik sozialer Gerechtigkeit findet. Denn nur die Konkurrenz links von der SPD bewegt diese, von der Agenda 2010-Politik Gerhard Schröders abzurücken…Nur so erklären sich die vorsichtigen Absetzbewegungen Kurt Becks, von der Politik seiner Vorgänger. Er war ja ehedem eine Stütze der Politik Gerhard Schröders.

Wer das tut, trägt dazu bei, dass die in Umfragen sich andeutende linke Mehrheit in der Bevölkerung perspektivisch eine Entsprechung in unseren Parlamenten findet. Was eine rot-grüne Koalition bewirkt, zeigt sich am deutlichsten in den Argen, den Suppenküchen und den „Tafeln“ und in der immer größer werdenden Kluft zwischen arm und reich… Wer es gut meint mit der SPD wählt dieses Mal DIE LINKE.“

Liebe Genossinnen und Genossen:

Das gilt auch für alle Brandenburger, die  2008 und 2009 einen ernsthaften und nachhaltigen Politikwechsel einleiten wollen!