Wir müssen leidenschaftlich sein! Dr. Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE im Deutschen Bundestag
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde, verehrte Gäste,
es ist ewig lange her, dass ich auf einem Landesparteitag in Brandenburg gesprochen habe. Ich weiß gar nicht, wie ihr das ausgehalten habt, aber immerhin – irgendwie habt ihr es ja ausgehalten.
Ich hab gerade mal darüber nachgedacht, welche Person so der Landesverband hervorgebracht hat für unsere Partei, das ist immer gefährlich, wenn man die anfängt aufzuzählen, weil man dann natürlich welche vergisst und das wird einem ja nie verziehen, aber in meinem Alter ist es nicht mehr so wichtig, dann wird’s mir halt nicht verziehen. An erster Stelle muss ich da an Lothar Bisky denken, ein hervorragender Mann, dem unsere Partei soviel verdankt und der kommt von euch, hier aus Brandenburg.
An zweiter Stelle denke ich an Heinz Vietze, oh welcher Problemfall und welcher toller Problemfall für alle mit uns konkurrierenden und sonstigen Parteien. Wie der sich entwickelt hat, das habt ihr spannend hinbekommen!
Dann hatten wir, ich darf daran doch heute noch erinnern, einen tollen Mann – Michael Schumann – der leider leider verunglückt ist und der soviel Wichtiges in unserer Partei und bei euch erreicht hat.
Dann denken wir an euch immer schon im Bundestag durch Dagmar Enkelmann – unsere hervorragende Parlamentarische Geschäftsführerin – die ja auch hier in Brandenburg viel erreicht hat.
Aber wir denken auch an Europa, an euch, durch Helmut Markov, so ein Rednertyp inzwischen, so ein Kämpfer in jeder Hinsicht!
Und dann habt ihr seit Jahren einen guten Landesvorsitzenden Thomas Nord, der sehr besonnen diesen Landesverband, aber auch sehr gut führt.
Und ihr habt jetzt auch eine tolle Fraktionsvorsitzende, nämlich Kerstin Kaiser, die sich bemüht, dieses Land wirklich zu verändern und die Fraktion zu führen!
Also was beschwert ihr euch eigentlich?
Aber nun wird es unruhig, jetzt seid ihr seit 17 Jahren in der Opposition und immer die gleiche Rolle fängt irgendwann an zu nerven und dann macht man sich eine Birne, ob es nicht doch besser wäre, für Brandenburg mal einen anderen Weg zu gehen. Nach der nächsten Landtagswahl oder schon vorher, mal sehen, wie sich alles entwickelt.
Ich möchte gerne vor zwei Dingen warnen: Das eine sind die, die immer Angst haben vor jeder Form von Regierungsbeteiligung, weil sie befürchten – nicht ganz zu unrecht – dass man ja Kompromisse machen muss, irgendwas von seinem Leitbild verliert und, und, und.
Das ist alles wahr, das ist alles richtig. Das Leben ist so kompliziert, wie es ist.
Aber auf der anderen Seite können wir den Wählerinnen und Wählern niemals erklären, dass wir eine Möglichkeit zur realen Veränderung nicht nutzen würden, nur um unseren Selbstwillen. Das ist einfach zu wenig, dann kann man einer Wahl nicht teilnehmen, insofern muss man bereit sein, auch zur Regierungsbeteiligung.
Aber: Auf der anderen Seite muss man dann eben wirklich auch reale Veränderungen für die Menschen durchsetzen, und zwar in unserem Sinne, wenn man das nicht kann, wenn wir nur missbraucht werden sollen, um die neoliberale Politik der anderen fortzusetzen, dafür dürfen wir nie zur Verfügung stehen und deshalb sage ich: Das Wichtigste ist Souveränität. Wenn man in Verhandlungen geht, muss man immer zu beidem bereit sein, zu einem guten Ergebnis, aber auch zu sagen, ja dann halt nicht. Punkt.
Also, das ist wichtig: souverän müssen wir sein. Es darf keine Form der Unterwürfigkeit geben, ich kenne das, ich hab ja solche Verhandlungen geführt und ich sage, wie wichtig das ist, dass auch die andere Seite merkt, man ist nicht unterwürfig, man ist nicht nicht souverän und überlegt sich „ja wie komm ich denn hier ran und rein“ und das darf nie unsere Überlegung sein.
Je souveräner wir sind, desto mehr erreichen wir.
Und deshalb denke ich, das steht schon irgendwie bevor. Herr Platzeck kommt ja auch in Schwierigkeiten. Ich weiß ja, dass er sympathisch ist, ich weiß ja auch, dass die Brandenburger Bevölkerung ihn als sympathisch sieht. Aber es ändert nichts daran, dass er ein Schröderjaner ist, durch und durch, der die ganze neoliberale Politik mitgemacht hat.
Das muss man auch mal so klar sagen.
Und dann möchte ich ihm auch mal sagen, also selbst wenn er sich das eines Tages traut, so mutig ist es nun auch schon nicht mehr. Inzwischen haben schon Mecklenburg-Vorpommern gemacht und Berlin gemacht, also er ist ja nicht der allererste auf der Welt, das darf man auch mal dazu sagen und ich finde auch, dass Brandenburg mit dieser großen Koalition in einen katastrophalen Stillstand geraten ist, die CDU ist völlig zerfleddert, also wie lange soll denn das hier noch so weitergehen?
Jetzt müsste er mal seinen Mut zusammennehmen und sagen: Ich warte hier jetzt nicht noch 2 Jahre und dödele vor mich hin, sondern jetzt müssen die Veränderungen kommen in Brandenburg und zwar so schnell wie möglich, aber wenn nicht, dann sagt er es eben nicht, wir bleiben auf jedem Fall souverän und müssen bei der nächsten Wahl zulegen, damit sie merken: linke, soziale Veränderung, das will die Bevölkerung, auch hier in Brandenburg.
Und auch Platzecks Forderungen in Bezug auf den Osten waren alle sehr spärlich, waren alle sehr dünn, was hat er denn da im Bund erreicht? Die sind ja nun in der Regierung seit ’98, was hat sich denn diesbezüglich für die Ostdeutschen in der Zeit verbessert, bei Löhnen, bei Gehältern, bei Renten? Fast nichts, das ist die Wahrheit und wir müssen lernen, das ihnen auch vorzuhalten. Also, wenn man souverän verhandeln will, muss man vorher auch kämpfen!
Und zwar so kämpfen, dass der auch ein bisschen Angst kriegt vor uns, das soll er auch haben und zwar in der Gestalt, dass wir die soziale Frage besetzen, nicht er. Das ist die Wahrheit, auch hier in Brandenburg.
Es geht natürlich um reale Veränderungen und da ist doch viel passiert, um uns herum, in unserer Partei, mit unserer Partei und ich weiß, dass es da natürlich auch Bedenken und Sorgen gibt und gleichzeitig gibt es auch einen ungeheuren Anspann und ein Aufschwung und alles mischt sich zu unterschiedlichen Gefühlen in einem selbst, das geht mir doch nicht anders als den anderen. Aber was passiert denn hier? In Europa dröselt die Linke vor sich hin. Das ist die Wahrheit.
Sie sie ist schwierigen Situationen in den meisten europäischen Ländern, das hängt auch mit dem Scheitern des Staatssozialismus zusammen. Das Scheitern des Staatssozialismus hat dazu geführt, dass auch die undogmatische, die demokratische Linke gleich mit in den Keller gezogen wurde. Da haben sie sich bei mir beschwert, haben gesagt, wir hatten doch mit euch gar nichts zu tun. Ich habe gesagt, ja das Leben ist doch nicht nur dafür da, gerecht zu sein. Es ist halt wie es ist. Jetzt seid ihr mit im Keller. Jetzt werden wir undogmatisch und demokratisch und müssen mal überlegen, was wir gemeinsam daraus machen. Es ist kein Zufall, dass Lothar Bisky jetzt der Vorsitzende der Europäischen Linkspartei geworden ist, weil man im Bezug auf die LINKE in Deutschland Hoffnung hat, Hoffnung, die man so in anderen Ländern nicht hat und jetzt passiert doch etwas Irrsinniges: Es gab ein westeuropäisches Land, das war die alte Bundesrepublik Deutschland, die hatte ein so tief sitzenden, militanten Antikommunismus, dass man nie auch nur ein nennenswertes Bedürfnis nach einer Partei links von der Sozialdemokratie hatte. Auch die Grünen waren das nicht. Das ist immer ein Missverständnis, die Grünen waren eine emanzipatorische Partei. Das waren sie. Aber die soziale Frage stand nie im Mittelpunkt ihres Wirkens, weil sie eine ganz andere Herkunft hatte.
Abgesehen davon, dass sie sich sehr verändert hat. Jetzt sind ja aus den Hausbesetzern Hausbesitzer geworden, und so denken sie ja auch und ja ja ich muss ja einfach sagen, die bestverdienendsten Wählerinnen und Wähler – nicht etwa die FDP – sondern haben die Grünen. Das muss man wissen. Aber ich sag nur auch von der Herkunft her, es gab nie ein Bedürfnis danach, es gab viele Versuche, es gab kleinere Parteien, es gab auch mal größere, aber an die 5 % war überhaupt nicht zu denken in der alten Bundesrepublik. Und in der Zeit, in der das alles bröselt in Europa, entsteht ein solches Bedürfnis in der alten Bundesrepublik Deutschland und zwar nennenswert.
2005 hatten wir dort 4,9%, machen wir uns doch nichts vor, davon haben wir 1995 noch nicht mal geträumt, das war doch völlig unreal, hatte ja da anfangs auch Illusionen, aber es war unreal, wir haben uns natürlich daran gewöhnt eine Art Ostpartei zu sein, mit so 1% im Westen, die brauchten wir auch, aber, hat uns nicht wahnsinnig aufgeregt. Das hat sich geändert, warum? Es hat sich deshalb geändert, weil die Menschen vor der neoliberalen Entwicklung Angst hatten, weil sie gemerkt haben, entgegen der Hoffnung, nach dem Ende des kalten Krieges werden heiße Kriege nicht unmöglich, sondern sie werden täglich wieder normaler und zwar aus denselben Gründen wie vor 300 und 500 Jahren, es geht immer um ökonomische Interessen, um nichts anderes. Ein Schild bei einer Demo in den USA fand ich sehr gut, man muss es ja immer kurz zum Ausdruck bringen, da stand drauf: Wie kommt unser Erdöl unter den dortigen Sand? Und genau darum, Greenspan hat es ganz klar gesagt, es ging ums Erdöl, um nichts anderes, es geht bei Afghanistan um Erdgasleitungen und so weiter. Es stecken immer auch ökonomische Interessen dahinter, ich sage nicht nur, aber auch ökonomische Interessen dahinter, mit allen Folgen die das hat. Das war das Erste, was die Menschen erschreckt hat. Es gab niemals, mit Ausnahme eines Landes – Polen – das ist eine besondere Geschichte, gab es eine klare Mehrheit bei allen Völkern Europas gegen den Irakkrieg. Eine ganz klare Mehrheit, das erste Mal haben sich die Blairregierung, die spanische Regierung, haben sich auf etwas eingelassen, was sie nicht halten konnte.
Das war schon spannend. Und das zweite ist die neoliberale Entwicklung nach Innen, also Deregulierung, Privatisierung, Sozialabbau und hier gab es den spannenden Punkt, dass der Kohl noch aus einer anderen Generation kam. Der Kohl kam noch aus der Generation dieses rheinischen Kapitalismus, des Sozialstaatskompromisses, der hat den anderen Zugang und war deshalb vorsichtig im Abbau, er hat es bei Renten begonnen und so weiter, dazu sag ich noch etwas, aber er war vorsichtig, aber er begann damit.
Die neoliberale Entwicklung wurde immer deutlicher. Und was haben die Leute in der Bundesrepublik Deutschland gemacht? Sie haben daraufhin die SPD gewählt und haben sich gesagt, die SPD wird doch wenigstens den Sozialstaatskompromiss verteidigen. Sie wird wenigstens das aufrechterhalten und die tiefe Enttäuschung bestand daran, dass dann Schröder mit Fischer zusammen die neoliberale Entwicklung konsequent viel konsequenter als Kohl durchgesetzt hat, und zwar in jeder Hinsicht. Deregulierung, Privatisierung und Sozialabbau und Steuergeschenke in Richtung der Vermögenden, der Konzerne, etc.
Und so entstand in der alten Bundesrepublik das erste Mal ein nennenswertes Bedürfnis nach einem linken, nach einem sozialen, nach einem friedenspolitischen Korrekturfaktor in Deutschland. Und das erklärt, warum wir plötzlich 4,9 % der Stimmen hatten. Dann brauchst du dazu natürlich auch eine Organisation. Weil, wir dürfen nicht vergessen, wir als frühere PDS, da waren die Westdeutschen misstrauisch, sie waren deshalb misstrauisch, weil ich das unterschätzt hatte. Die DDR war für sie viel weiter als Italien, Frankreich oder andere Länder, deshalb hab ich immer zugespitzt gesagt, wir waren da in Bayern so eine Art westpolnische Partei und das ist nicht so leicht damit Stimmen zu kriegen. Und da ist ja auch was dran und wir haben uns ja dann auch wieder daran gewöhnt und haben ja „unser Ding“ gemacht, kann ich ja auch verstehen und da bildete sich die WASG und an der WASG war so wichtig, dass sozusagen ehemalige Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gesagt haben „diesen Weg gehen wir nicht mehr mit“. Aber sie sind ja nicht zu uns gekommen, das dürfen wir auch nicht vergessen, sondern sie haben gesagt: „Diesen Weg gehen wir nicht mehr mit, wir gründen eine eigene Partei und dann ist es manchmal eine Figur, in diesem Falle Oskar Lafontaine, die man braucht, die sagt „gut, ich war mal der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, ich trete aus, ich mach das, aber nur, wenn wir ihr das zusammen macht. Weil auf diesen Kleinkrieg hier zwischen WASG und PDS lasse ich mich gar nicht erst ein. Es bringt auch nichts.“
Und wenn das dann so jemand sagt, dann entsteht so ein Ruck in beiden Parteien, mein Gott, was hatten wir – Namengebungsparteitag – und, und, und. Und dann haben wir uns rumgequält und nun seit Juni 2007 sind wir eine Partei. Daran hätte doch von uns 1990 keiner von uns geglaubt. Und jetzt passiert auch was Spannendes: Jetzt sind wir das erste mal im Landtag im Westen eingezogen – in Bremen, im Mai letzten Jahres und morgen geht es um zwei Flächenländer – Niedersachsen und Hessen. Ich kenne das Ergebnis noch nicht, aber, (Lachen im Saal) – ihr müsst noch den nächsten Satz abwarten -, aber ich kenn es trotzdem zwei Stunden vor euch, also so gegen 16 Uhr. Wie sie das immer machen weiß ich nicht, aber meistens stimmt es ja dann auch. Kurzum, was ich sagen will ist, wenn wir in eine beider Landtage einziehen oder gar in beide, dann hat sich die Bundesrepublik Deutschland politisch-kulturell verändert, weil die Bestätigung auf Bundesebene als Korrekturfaktor noch keine Bestätigung ist, dass sie sich in ihren eigenen Gefilden zulassen. Die kommunale Verankerung und die landespolitische Verankerung ist noch ein völlig anderer Vorgang, wenn das nach Bremen, weil es in einem Stadtstaat leichter ist als in einem Flächenland, jetzt auch in einem oder in beiden Flächenländern stattfinden sollte, was ich sehr hoffe und ich bin ziemlich optimistisch nach den Wahlkämpfen, die ich dort erlebt habe, dann haben wir politisch-kulturell die Bundesrepublik Deutschland verändert. Wir müssen nur eins wissen, das trifft uns alles ein bisschen früher als von uns erwartet, dadurch sind wir auch in leichten Überforderungssituationen, das macht aber nichts, weil immer noch besser als das Gegenteil. Unterforderungssituationen sind viel schlimmer. Euer Problem ist, ihr seit hier ein bisschen in einer Unterforderungssituation, weil ihr das schon so lange treibt, deshalb wollt ihr ja auch mal was anderes machen, das versteh ich ja und das wird ja, das hatte ich ja auch gesagt, höchste Zeit. Aber eine Überforderungssituation muss man meistern. Deshalb auch dort die Fragen, ob die bereit sind, sich an der Regierung zu beteiligen indirekt oder direkt, das kann man sich doch alles anders terminlich wünschen, aber wir gehen doch nicht darein für uns, sondern für reale Veränderungen in der Gesellschaft, die man dann eben auch herbeiführen muss, wenn man es kann. So, und wir bringen die anderen Parteien völlig durcheinander, ich kann das doch ganz gut schildern und – weil ich es erlebt habe seit 1990. Am Anfang waren sie ungeheuer beleidigt, dass nun gerade unsere Partei einzog in den Bundestag, das konnte ich ja noch irgendwie verstehen. Da ist uns ein Hass begegnet, wie man sich das heutzutage kaum noch vorstellen kann und in erster Linie ist er mir begegnet und da war mein Entschluss richtig zu sagen, ich hasse einfach nicht zurück. Ich mach das anders. Das haben wir Jahre durchgestanden. Dann gab es einen Selbstmord, der sie auch ein bisschen erschüttert hat, das ging gegen eine Idee zu weit und dann haben sie aber festgestellt, wir landen nicht im Westen, wir bleiben verankert in den neuen Bundesländern und dann wurden sie etwas generös. Dann haben sie sich mit uns abgefunden und haben gesagt, na gut, der Ossi wählt eben komisch, aber Kerndeutschland erreicht es ja nicht. So in etwa wäre ihre Einstellung und nun passierte – nachdem wir dann unsere Wege gegangen sind verschiedener Art, passierte jetzt 2005 etwas für sie völlig Neues, etwas Neues, was dazu führte, dass weder SPD und Grüne regieren konnten, noch Union und FDP reagieren konnte, es lag nur an uns und noch waren FPD und Grüne noch nicht soweit, dass sie es miteinander machen hätten können. Und das ist schon spannend, weil, wir saßen einfach dazwischen. Jetzt machen sie eine große Koalition und das nervt sie natürlich in gewisser Hinsicht auch. Dass das wiederum so gut möglich ist liegt daran, dass Union, SPD, FDP und Grüne – das sind alles neoliberale Parteien, die sich im Kern immer einig sind. Wenn sie beschließen Renten ab 67 sagen alle 4 Fraktionen „das ist richtig“, wenn sie Soldaten nach Afghanistan schicken, sagen alle 4 Fraktionen „das ist richtig“, so kann ich mit euch Punkt für Punkt durchgehen und dazwischen nerven wir, und zwar weil wir einen anderen Ansatz haben. Das will ich nur erklären, wir bleiben nur glaubwürdig, auch in Brandenburg können wir diesen anderen Ansatz immer wieder vertreten, wir dürfen uns in ihren neoliberalen Mehltau nicht hineinziehen lassen!
Wenn wir jetzt aber wieder zurückgehen, kommt auch etwas Spannendes heraus: Was hat die DDR eigentlich hinterlassen?
Die DDR ist gescheitert wegen ihres Mangels an Demokratie, wegen ihrer Freitheitseinschränkung und auch ökonomisch wegen einer Mangelwirtschaft, aber sie war sozial anders organisiert. Viele Dinge konnte man sich leisten, was sie sich heute nicht mehr leisten konnten: im Bereich der Bildung, im Bereich der Kultur, in anderen Bereichen und das ist schon interessant. Wenn man so will, hat sich hinübergerettet in der ostdeutschen Bevölkerung eine andere Einstellung zur sozialen Frage und das gärt wie Hefe und das überträgt sich jetzt schrittweise auch auf die alten Bundesländer, weil die nämlich auch aus einem Sozialstaatskompromiss kamen, der jetzt aufgekündigt wurde, was sie natürlich auch nicht akzeptieren. Und das Zweite ist, wir haben unsere Partei erneuert, wir haben einen neuen Weg für sie gefunden und damit haben wir einen Grundstein gelegt für eine linke Partei in Deutschland. Alle haben uns erklärt, dass wir eine untergehen werden, sprach ja auch einiges dafür, sind wir aber nicht! Und jetzt haben wir uns vereinigt mit der Wahlalternative aus den alten Bundesländern und haben damit eine linke Partei für ganz Deutschland gebildet, ja wer hätte das denn 1995 von uns geglaubt? Und die anderen auch nicht und deshalb verstehe ich auch, dass sie ein bisschen pappesatt sind, aber da müssen sie halt durch und werden es ihnen nicht einfacher machen und das ist auch wichtig, denn die soziale Frage, das ist auch die Frage nach dem Sinn und nach der Zukunft des Kapitalismus und ich bleibe bei meiner Auffassung: der Kapitalismus ist nicht die letzte Antwort der Geschichte der Menschheit, der Staatssozialismus ist überwunden, aber wir werden einen demokratischen Sozialismus bekommen.
Wenn man etwas verändern will in der Gesellschaft muss man zunächst den Zeitgeist verändern. Wir dürfen die Kulturseite nie unterschätzen, wenn wir den Zeitgeist nicht verändern, können wir auch in der Realität nichts verändern. Und ich sag immer, wenn mir die Sozialhilfeempfängerin erklärt, dass sie zuviel bekommt, dass man ihre Leistung kürzen muss, dann kannst du deine Sachen packen, dann hat der neoliberale Zeitgeist in einer Art gewonnen, dass du gar keine Chance mehr hast, dann kannst du als Linker gar nichts mehr machen. Aber warum ist das nicht gelungen, sie haben es ja versucht, jeder Kommentar in fast jeder Zeitung konnte man immer das selbe lesen, es ist hart für Rentnerinnen und Rentner, aber es geht nicht anders, es ist hart für Arbeitslose, aber es geht nicht anders. Klar ist es eine Belastung für Kranke, aber es geht nicht anders. Und du versuchst, einer ganzen Gesellschaft zu erklären, dass es nicht anders geht. Das funktionierte nur deshalb nicht, weil Schröder keine Zeit hatte, der alles zeitgleich gemacht, also wenn du Hartz IV einführst, wenn du die Kranken zuzahlen lässt, wenn du die Renten beschränkst und gleichzeitig die Körperschaftssteuer für die Deutsche Band und die anderen Kapitalgesellschaften senkst, gleichzeitig die Veräußerungserlössteuer senkst, gleichzeitig sagst, du machst keine Vermögenssteuer, denn fragen die Leute dann doch, ob das dann so richtig sei. Meistens wissen die Menschen – und das geht ja uns auch so – nicht ganz genau, was das ist Gerechtigkeit, aber eines wissen sie immer ganz genau: was Ungerechtigkeit ist. Das wissen sie sehr schnell. Und der große Fehler von Frau Merkel im letzten Wahlkampf 2005, war zu sagen: Herr Ackermann, die Sozialhilfeempfänger und alle müssen das Gleiche in die Krankenkasse einzahlen.
Da wissen alle Leute, da stimmt was nicht. Das kann nicht gerecht sein. Punkt.
Also, dafür gibt es immer einen ziemlich sicheren Instinkt will ich nur sagen und deshalb konnte der Schröder damit keinen Erfolg haben, das Problem für die Leute – das muss man nur wissen – wenn ich sozialdemokratisch wähle, dann ist doch für mich die Union nicht die Alternative, also von wenigen Ausnahmen abgesehen, weil ich ja dann sage, ich kriege dasselbe, nur in anderer Form und etwas anders begründet. So und die Chance müssen wir nutzen. Und die müssen wir nicht nur in Brandenburg nutzen, die müssen wir auch in Niedersachsen nutzen, die müssen wir auch in Hessen nutzen. Und ich sag jetzt von meinen Wahlkämpfen die Woche, ich beobachte immer im Wahlkampf nicht danach, dass die Leute, die zu dir kommen – sind ja meistens Leute, die bereit sind, dich zu wählen, das weiß ich, dass das ein Ausschnitt ist und das es ganz andere gibt – danach kann man nicht gehen, aber ich beobachte immer, ob Leidenschaft da ist. Ich kenne Wahlkämpfe – kenne ich auch aus Brandenburg – und sage: gehst jetzt, hältst eine Rede, hm, gehst du wieder raus. Dann weißt du, die wählen dich, aber die überzeugen keinen mehr, dich zu wählen. Es fehlt jede Leidenschaft. Und dann kenn ich auch aus Brandenburg Wahlkämpfe, wo richtig Leidenschaft herrschte und da wusste ich, wenn die jetzt rausgehen, die quatschen noch mit ihren Nachbarn und Eltern und alles und versuchen die zu überzeugen.
Und in Hessen und in Niedersachsen herrschte wirklich richtig Leidenschaft, und zwar unter anderem auch deshalb, weil sie eins mitgekriegt haben, es geht ihnen zum Kotzen langweilig weiter, wenn wir nicht einziehen. Das kennen sie ja jetzt nun schon seit Jahrzehnten. Immer dieselben vier Parteien, dann hast du 7 Kommentare, warum die eine Fraktion 1 ½ Sitze gewonnen und die andere 2 ½ verloren hat und das war es dann. Und deshalb hab ich immer gesagt, was wollt ihr, das lohnt doch gar nicht, die Zeitung zu lesen, das einzig wirklich spannende, wenn wir da einziehen, das verändert die ganze Kultur, die Medienberichterstattung, die müssen uns ja zur Kenntnis nehmen, die müssen erklären, was wir da wollen, was wir da treiben und das ist ein antineoliberaler Kreis und deshalb möchte ich, dass ihr auch ein bisschen im Wahlkampffieber seid und euch morgen richtig freut, falls wir einziehen und mit mir richtig ärgert, falls wir nicht einziehen.
Und viel Beifall bekam ich immer am Schluss, wenn ich gesagt habe – außerdem hab ich noch einen persönlichen Gefallen, ich bin nämlich morgen Abend um 22 Uhr bei Frau Will. Also ich will ja bloß sagen, wenn ihr uns nicht reinwählt, sitzen die anderen alle arrogant da und ich muss wie so ein Dödel erklären, wieso wir nicht in beiden Landtagen sind, ich möchte aber lieber selber arrogant dasitzen und den anderen erklären: So!… Nichtwahr?
Und dann spielen wir doch im Bundestag eine ganz andere Rolle, stellt euch doch mal die Nervosität vor. Das Problem an Beck ist doch, dass er vom Innern her kein wirklicher Sozialdemokrat ist und das belege ich euch durch eine Sache, er sagt vor einem Jahr: ALG I darf nicht verlängert werden und aufgrund der ganzen Umfragen, sagt er ein Jahr später, ALG muss verlängert werden. Ich möchte, dass ein Sozialdemokrat aus dem Bauch heraus immer für Verlängerung von AlG I ist und mir nicht eine ganze Erklärung anbietet, wieso er dagegen ist, um dann ein Jahr später das Gegenteil zu erklären. Und das würde bei uns nicht passieren, ich kenne keinen Linken, der dagegen ist, er ist gegen eine Verlängerung von ALG I, das ist ein anderer Instinkt, der da in unserem Bauch sitzt und das müssen wir auch Herrn Platzeck erklären, der soll sich auf unseren Bauch verlassen, nicht auf seinen sag ich mal diesbezüglich.
So und die Folge unserer Existenz, wenn wir erstarken ist, dass die SPD wieder sozialdemokratischer wird und die Folge ist auch, dass bei den Grünen etwas passiert. Nur weil wir in den alten Bundesländern auch immer auf den Straßen stehen, friedenspolitisch, das geht natürlich der Grünen Basis auf die Nerven, dass sie immer erklären muss, wieso sie dafür sind, dass Soldaten da rumballern und wir dagegen sind. So und daraufhin hat die Grüne Basis auf dem Parteitag die Führung überstimmt und Korrekturen angemacht. Daraufhin hat die SPD in der sozialen Frage Verlängerung ALG I, Zwangsverrentung und so weiter Korrekturen angewandt.
Das – und das wissen die Leute – das liegt an uns.
Nun gibt es eine ganz einfache Regel: Wenn wir wieder schwächer werden, werden die anderen wieder neoliberaler, wenn wir wieder stärker werden, wird die SPD wenigstens sozialdemokratischer und die Grünen wenigstens friedenspolitischer. Dann sag ich immer: Den Anhänger von SPD und Grünen, wenn ihr wollt, dass eure beiden Parteien so werden, dann müsst ihr uns wählen, es gibt keinen anderen Weg, es ist ja auch wahr.
Also ich hab darüber gesprochen, womit haben wir es denn zu tun? Der Krieg wird wirklich jeden Tag normaler, wir nehmen ja zu 20% auch am Irakkrieg teil, wie das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hat. Wir haben den Krieg in Afghanistan, jetzt planen die eine schnelle Eingreiftruppe, statt der Norweger, es verschärft sich alles.
Und dann kommen Argumente, die ich nicht mehr hören kann. Zum Beispiel das Argument, dass dadurch Mädchen zur Schule gehen können, was natürlich wichtig ist, darüber braucht man gar nicht diskutieren, aber sie haben – und zwar zu Recht – die sowjetische Besatzung immer abgelehnt, aber unter der sowjetischen Besatzung konnten alle Mädchen zur Schule gehen, aber was ist das für ein Argument?
Und wie sieht es mit der Gleichstellung der Frauen in Saudi Arabien aus? Wollen sie deshalb Saudi Arabien bombardieren oder was?
Also wir können doch nicht ernsthaft glauben mittels Krieg Menschenrechte durchzusetzen, mittels Krieg kannst du nur Menschenrechte verletzen und gar nichts anderes machen.
Und das ist eine Illusion, es ist eine Illusion, zu glauben, dass man mittels Krieg Terror bekämpfen kann. Weil, du erzeugst doch neuen Hass, neuer Hass lässt sich immer nutzen, um neue Terroristen ran zu ziehen, diese reichen Terroristenchefs wie Bin Laden, also darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren, den lehnen wir genauso ab, wie alle anderen auch, der findet ja auch Selbstmordattentäter, nicht er selbst natürlich, dafür finden sie ja immer andere, da finden sie immer 22, 23 jährige junge Männer, die das machen und Frauen, alles nicht hinnehmbar, aber er findet natürlich mehr, wenn man Kriege führt wodurch immer auch unschuldige, unbeteiligte Tote gibt. Deshalb sage ich, die Industriegesellschaften, allen voran Deutschland – müssen raus aus der Spirale der Gewalt und sagen, wir gehen einen anderen Weg, dafür steht unsere Partei und da wird sie immer stehen.
Wir haben jetzt am 18. Januar im Bundestag einen Antrag abstimmen lassen, einen Antrag von uns, danach sollte der Bundestag beschließen, dass die Bundesregierung aufgefordert wird, mit der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika zu verhandeln und die amerikanischen Atomwaffen so schnell wie möglich aus Deutschland abzuziehen.
Was glauben sie, wer gegen den Antrag gestimmt hat? Union wussten sie, SPD konnten sie sich ausrechnen, FDP – damit mussten sie rechnen und die friedenspolitischen Grünen haben auch dagegen gestimmt. Vier Fraktionen im Bundestag wollen die Atomwaffen in Deutschland, nur unsere nicht und wir brauchen sie keinen Tag länger, um das auch ganz klar zu sagen, keinen Tag länger!
Die Deregulierung entwickelt sich in Deutschland und weltweit, ich sag Ihnen eine spannende Zahl diesbezüglich: Täglich werden weltweit 1900 Milliarden Dollar umgesetzt und für den gesamten Waren und Dienstleistungsverkehr verbrauchen wir 36 Milliarden Doller täglich, also 2% davon.
98% dieses Betrages dienen ausschließlich der Spekulation, nur dem Versuch, aus Geld Geld zu machen, was immer dazu führt, dass wir jetzt die Finanzkrise haben, die dann eine Wirtschaftskrise wird und dass das natürlich nicht gut gehen kann, das kann man sich ja ausrechnen. Alles durch die Industrieregierungen einschließlich der Deutschen hervorgebracht, indem wir den ganzen Finanzmarkt dereguliert haben.
Das ist das eine, das zweite bei der Deregulierung ist der Versuch, den Kündigungsschutz abzuschaffen, immer mit dem albernen Argument, dass – wenn es keinen Kündigungsschutz gäbe – mehr Leute beschäftigt würden, dann stell ich immer eine Gegenfrage: Würde ein Unternehmer jemanden einstellen, der ihm keinen Gewinn bringt, bloß weil er keinen Kündigungsschutz hat? Dann wird mir gesagt: Nein. Dann sag ich: Würde ein Unternehmer darauf verzichten, jemanden einzustellen, der ihm Gewinn bringt, nur weil er Kündigungsschutz hat, wird mir auch gesagt Nein.
Also ändert das gar nichts. Was ist denn der Unterschied? Der Unterschied ohne Kündigungsschutz ist doch nicht, dass du nicht gekündigt werden kannst. Alle Arbeitslosen waren mal in Arbeit und den allen ist gekündigt worden, der Unterschied ist nur, mal mit Abfindung und mal ohne.
Das ist alles, es geht nur um das Geld. Um nichts anderes.
Und deshalb nehmen die befristeten Arbeitsverhältnisse so zu, die waren mal eine Ausnahme, jetzt haben wir 2,5 Mio. in Deutschland und beim befristeten Arbeitsverhältnis geht es nur darum, dass ich nicht kündigen muss, die Frist läuft ab, der ist weg und der kriegt keine Abfindung, das ist alles. Und da sagt die Linke: das ist nicht unser Weg!
Das ist der Weg der SPD – nicht zu vergessen, dass ist der Weg der Union, FDP und Grünen, aber es ist nicht unser Weg!
Und das Zweite ist in dem Zusammenhang: Dass die Regierung Schröder- Fischer etwas eingeführt hat, dass die 50jährigen und Älteren immer wieder befristet beschäftigt werden können, 6 Monate, wieder 6 Monate, zehnmal, ohne jede Folge, nie haben sie einen Anspruch auf ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis. Die Situation, als das galt, begründet: Damit würden die Älteren in Arbeit kommen. Das ist in einer altersrassistischen Gesellschaft sowieso ganz schwer. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank hat im Fernsehen bei Professor Walter zu mir gesagt: „Ja wir können uns das nicht mehr leisten, Rente ab 65, frühestens ab 67“, dann habe ich zu ihm gesagt, „wann hat denn die Bank den letzten 64-Jährigen Arbeitslosen eingestellt?“, da hat er gesagt, „da haben sie auch wieder recht.“ Nicht, das ist doch die Wahrheit, wir haben doch gar kein Spielfeld auf dieser Strecke, was dort geschieht, aber sie haben das gemacht, so. Und dann in der Zeit, in der das galt, diese Regelung, in dieser Zeit hat sich die Situation der Arbeitslosen 50-Jährigen und Älteren nicht einmal um 0,1% in Deutschland verbessert und dann hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass das gegen das Diskriminierungsverbot verstößt, weil es keinen Grund gibt, einen 50-Jährigen Rechte zu entziehen, die ein 49-Jähriger hat. Darauf hätten ja auch Herr Schröder und Herr Fischer kommen können, sind sie aber nicht, sie haben es andersherum eingeführt, dass sollten wir nicht vergessen und den Leuten erzählen und erklären.
So und dann haben wir die Privatisierung. Nun wir sind ja da besonders gefragt, wenn wir für Verstaatlichung sind, nun sag ich immer zu den Leuten: Wir wollen nicht die Staatsbäckerei, es ist doch nicht so, dass wir nichts dazugelernt haben, sondern wo die private Marktwirtschaft fair funktioniert, ist sie ja in Ordnung, weil da verhindert sie, dadurch, dass sie ja eine Marktwirtschaft ist, die Entstehung von wirtschaftlicher Machtkonzentration und sie drückt die Qualität nach oben und die Preise nach unten, aber es gibt zwei gewichtige Ausnahmen. Das eine ist dort, wo es Monopolstrukturen gibt, wenn es nur ein Monopol geben kann, das ist es tausendmal besser, es ist ein staatliches als ein privates, weil ein privates die Bürgerinnen und Bürger ausschließlich abzockt, wie wir das jetzt gegenwärtig bei der Energie erleben.
Der zweite Bereich ist die öffentliche Daseinsvorsorge, weil wir uns fragen müssen, was wollen wir denn für eine Gesellschaft haben? Wenn ich die Kliniken privatisiere, wie das Koch und Wulf gemacht haben, dann muss sich Krankheit rechnen. Das ist das Problem. Wenn ich der Geschäftsführer der Klinik wäre, will ich ja auch nicht in Insolvenz gehen.
Dann fängst du an, anders zu denken. Dann weißt du: Kindermedizin rechnet sich nicht. Dann denkst du darüber nach, wie du sie loswirst. Dann weißt du, du kriegst für eine bestimmte Operation eine Fallpauschale, immer denselben Betrag mit dem Unterschied, dass ein 22-Jähriger 3 Tage nach der Operation bei dir liegt und der 70-Jährige 3 Wochen. Ergo rechnet sich der 22-Jährige und nicht der 70-Jährige und da müssen wir doch in die Gesellschaft hinein die Frage stellen: Wollen wir, dass sich Krankheit rechnet? Wollen wir, dass vom Geldbeutel – wie bei der privaten Versicherung – abhängig ist, wie viel medizinische Versorgung ich bekomme? Oder sagen wir: Jeder Mensch in Deutschland hat den Anspruch auf gleiche Vorsorge und Fürsorge abhängig von der Art der Erkrankung und von nichts anderem!
So und das können wir fortsetzen bei Wasser, bei Teilen der Wohnung, bei Teilen der Kultur und bei Energie hab ich schon gesagt, das sind ja 4 Konzerne, die haben sich Deutschland aufgeteilt, feudal und ich glaube vor den Preissteigerungen telefonieren die miteinander, sie werden es leugnen, aber ich glaube es trotzdem und das spüren wir alle und das bekommen wir alle zu spüren. Es gibt jetzt eine Gemeinsamkeit von Frau Merkel und mir, dass wir nämlich bei den Energiepreisen beide nicht zu entscheiden haben. Aber mit dem Unterschied, dass sie dafür verantwortlich ist und ich nicht, weil sie für die Privatisierung war.
Privatisierung, und das ist der nächste Punkt, auf dieser Strecke bedeutet immer, Politik einzustecken und die Einschränkung von Politik bedeutet immer die Bedeutung der Demokratie zu reduzieren.
Es hat seine Gründe und das müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern erklären, dass wir das Europäische Parlament wählen dürfen, den Bundestag wählen dürfen, den Landtag wählen dürfen, das Kommunalparlament wählen dürfen und nicht den Vorstand der Deutschen Bank.
Ergo ist doch die Frage, was hat das Parlament zu entscheiden und was hat der Vorstand der Deutschen Bank zu entscheiden eine gesellschaftspolitisch herausragende Frage. Und wenn ich privatisiere, organisiere ich, dass private Bereiche die Dinge zu entscheiden hat, die früher die Politik zu entscheiden hatte. Und dann nimmt die Bedeutung der Politik und damit die Bedeutung der Demokratie ab. Ich hab zu so einem CDU-Kandidaten einer Stadt, der hat mal gesagt, werd alles verkaufen und dann hat er soviel Geld und dann kann er das machen und das machen und das machen und dann habe ich gesagt: 1. haben sie das Geld nur einmal, dann ist es irgendwann weg und dann? Kriegen sie ja nichts mehr, aber 2. habe ich gesagt, dann ist es doch bei der nächsten Wahl auch völlig egal, dann kann ich hier ja auch kandidieren, ob sie Bürgermeister werden oder ich ändert ja für die Leute nichts mehr, weil wir haben ja nichts mehr zu entscheiden. Dann geht’s ja nur noch darum, welches Gesicht freundlicher ist, das spricht für mich hab ich gesagt, aber ansonsten zu entscheiden haben wir ja nichts mehr, das ist ja alles weg. Und deshalb müssen wir den Menschen klar machen, das ist eine zentrale Frage auch der Demokratie. Nicht das wir sagen: nein, das staatliche Unternehmen funktioniert besser – wir sind doch nicht bekloppt, das kann genauso schief gehen, aber der Unterschied ist, ich kann anders wählen, ich kann sagen: Aha, so treibt es der Gysi und die anderen wollen es anders haben oder umgekehrt, je nach dem. Dann macht Demokratie, dann macht Auswahl Sinn. Deshalb müssen wir dafür kämpfen und das tun wir auch und wir sind die einzigen, die so dafür kämpfen.
So und das nächste ist natürlich nach der Privatisierung, ja Bildung – muss ich auch noch sagen – ist Kultur, ein Beispiel aus Berlin, ihr werdet es kennen, aber ich möchte es noch mal sagen: Wir reden immer von Chancengleichheit. Es gibt in jeder Gesellschaft nur eine einzige unschuldige Gruppe, und zwar muss ich euch mal sagen, ihr gehört alle nicht dazu, mich eingeschlossen. Es gibt nur eine einzige Gruppe und das sind die Neugeborenen, die haben noch gar nichts gemacht, den kannst du noch gar nichts vorwerfen, das Problem ist nur, dass zwischen denen schon tausende Welten Unterschiede stehen hinsichtlich ihrer Chancen, das können wir so schnell nicht ändern, aber das Minimum, was wir an Staat und Gesellschaft ist, dass jemand aus schwierigen, aus armen Verhältnissen kommt, die Chance hat, das alles auszugleichen und dafür braucht man ein anderes Bildungssystem und einen anderen Zugang zur Kultur und ich sage – und das nehme ich ihm auch übel – Gerhard Schröder kommt aus ärmsten Verhältnissen und lebt in einer Zeit, dass er Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden konnte. Und er hat nichts dafür getan, dass jemand aus solchen Verhältnis es heute wieder werden könnte – im Gegenteil, er hat alles dafür getan, dass das unmöglich wird.
Und deshalb hat Berlin eine wichtige Entscheidung bei der Kultur getroffen. Es ist doch so, erste Reihe, erster Rang, Staatsoper, das weiß ich ja noch, wenn da eine Top Vorstellung ist, zahlst du da 160 €. Also 120 € ist schon normal, es steigert sich mal, mal ist es flacher, so was nun machen, wir können ja nicht sagen, ihr müsst die Karten für 10 € verkaufen, das kriegen wir ja auch nicht hin. Na nun bist du aber in der Regierung und dann hast du lauter Leute, die sich das nicht leisten können und dann haben sie eine Regelung gemacht und da hab ich immer in Niedersachsen und Hessen gesagt: Das könntet ihr doch auch einführen, das fand sehr viel Zustimmung, die Regelung heißt: Eine Stunde vor Vorstellungsbeginn werden an ALG II-Empfänger, Grundsicherungsrentner und andere aus den finanziell schwachen Schichten der Bevölkerung den entsprechenden Ausweis haben, alle noch vorhandenen Karten für je 3 € verkauft und damit organisieren wir auch für diese Schichten der Bevölkerung den Zugang zur Kultur und es wird angenommen und akzeptiert und das ist ein wichtiger Schritt in Berlin.
Weil ich Klaus Lederer sehe, sage ich, ich suche jetzt bloß noch einen Journalisten, der da mal mitgeht, ich möchte es so erleben, wie da 6 in Reihe 1, Rang 1, der Staatsoper sitzen, 3 haben 120 € bezahlt und 3 haben 3 € bezahlt und das finde ich, ist doch einfach ein spannender Vorgang, das müsste man doch mal als Berichterstattung hinkriegen, auch wie die denn dann übereinander denken, vielleicht sind die anderen ja auch freundlich, darum geht’s mir gar nicht, ich möchte doch bloß, dass das mal plastisch wird, dass man das sozusagen lesend oder auch durch RBB – sagen wir mal – miterleben kann. Ich finde das einen spannenden Vorgang und zwar auch zur Nachahmung in ganz Deutschland und auch in anderen Ländern gedacht.
So und bei der Bildung ist es ja so, die CDU macht jetzt einen riesen Beschluss gegen die die Einheitsschule, so nennen sie das, wir nennen das Gemeinschaftsschule, das ist natürlich schon mal ein ganz anderer Ausdruck und dann hab ich – darüber ärgert sie sich immer – ich sage: so schlimm kann doch die Gemeinschaftsschule gar nicht sein, das ist ja wieder eine Gemeinsamkeit von Frau Merkel und mir, wir haben ja beide eine besucht und so schlecht ausgebildet sind wir doch gar nicht. Und dann haben die ja Schwierigkeiten, sie können ja nicht sagen, dass Frau Merkel schlecht ausgebildet ist, also das müssen wir ja dafür auch nutzen. Aber das heißt auch, DIE LINKE darf auch nicht sagen, dass wir keine Begabung fördern, natürlich fördern wir Begabung, aber jede Begabung. Das heißt jedes Kind ist des Professors genauso wie die des dritten Kindes der allein erziehenden Sozialhilfeempfänger. Das ist der Unterschied. Das erwarten wir von einer Gesellschaft. Und dann kannst du Spezialschulen machen, du kannst eine Schule machen, die ist mehr naturwissenschaftlich, du kannst eine machen, die ist mehr sprachlich, du kannst eine machen mit Sport, du kannst eine machen mit Tanz, das ist alles gar nicht die Frage, aber wenn wir die Kinder zu früh trennen, haben die aus den sozial schwächeren Schichten gar keine reale Chance. Sie werden rausselektiert in die Hauptschule mit allen Folgen, die das hat. Und damit werden wir uns nicht abfinden und damit dürfen wir uns nicht abfinden, denn wir wollen – das hatten wir ja mal in der DDR, eine politische Ausgrenzung in manchen Fällen, da bin ich froh, dass wir die überwunden haben, aber ich möchte sie nicht ersetzt sehen durch eine soziale Ausgrenzung. Beide sind falsch, das ist das Problem.
So und dann haben wir doch einen Sozialabbau in einem Umfang erlebt, wie man sich das gar nicht vorstellen kann und das ganze im Aufschwung und Frau Merkel sagt immer, der Aufschwung kommt bei immer mehr Menschen an, ja bei wem denn, bei NOKIA gerade?
Ich meine, man muss bei NOKIA mal sehen, dass nicht nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – also ich meine, die verarschen ja jetzt auch noch – jetzt stellen sie sich hin und sagen, ja sie können ja auch nach Rumänien gehen, ich meine ich muss mal sagen, wirklich – ich habe nichts gegen Rumänien, aber das bedeutet doch zu rumänischen Löhnen, also wirklich, das ist indiskutabel muss ich jetzt mal sagen, aber abgesehen davon. Was mich wirklich ärgert, sie haben ja noch Fördermittel bekommen, sie steigern ihren Gewinn von 67% und schließen hier das Unternehmen und sagen, sie gehen nach Rumänien und dann haben sie die ganze Zeit Fördermittel kassiert und nach Fristablauf hauen sie ab. Wer zwingt eigentlich die Union und die SPD zu solchen blöden Fristen? Wieso können wir denn nicht in einen Vertrag rein schreiben, egal wann sie gehen, wenn sie gehen und die Arbeitsplätze wieder abschaffen müssen, müssen sie das alles mit Zinsen wieder zurückzahlen, das ist doch wohl das Mindeste. Und ich darf mal sagen, damit hier keine falschen Vorstellungen entstehen, diese Fördermittel bezahlt ja nicht Herr Rüttgers oder Frau Merkel aus ihrer jeweiligen Privatkasse, das sind immer die Steuergelder, das ist ihr Geld, das NOKIA bekommen hat und sie haben einen Anspruch darauf, dass NOKIA es zurückzahlt, das müssen wir durchsetzen in der Bundesrepublik Deutschland.
So und dann Aufschwung, die Rentnerinnen und Rentner, die haben einen dollen Aufschwung erlebt, also wirklich einen dollen Aufschwung, 0,54% Rentensteigerung, dann die Mehrwertsteuererhöhung, die Beitragserhöhung, die Inflation, alles zusammen macht mindestens ein Minus von 2,5%. Das ist der dolle Aufschwung, den die Rentnerinnen und Rentner erlebt haben, 20 Mio. in Deutschland, gar kein Aufschwung in Wirklichkeit. Und dann die Ostrentnerinnen und Ostrentner, was hat sich jetzt mal für sie verbessert? Gibt’s mal eine Angleichung? Wir sind die einzigen, die dazu Anträge stellen, dann kommen die oberschlauen anderen Fraktionen und erklären uns immer, warum das nicht geht. Aber nun hab ich ja 17 Anträge für Benachteiligung, Überführungslücken und so, ich kann die gar nicht alle erklären, man kann sich das gar nicht vorstellen, es sind nicht nur die – für die haben wir es natürlich auch gemacht – die nicht übernommen wurden im Staatsapparat, auch die, die übernommen worden sind, sind dann wiederum bei den Renten bestraft worden, also es geht viel weiter, die Balletttänzerinnen und Balletttänzer und viele andere. 17 Anträge hab ich alle Frau Merkel geschickt und hab gesagt, bis Ende Januar soll sie sagen, ob sie was macht oder nicht und dann werden wir die Behandlung im Bundestag beantragen, na noch ist ja noch nicht ganz Ende Januar, ich weiß, ich bin die Post noch nicht durchgegangen, aber ich befürchte, dass wir noch keine Antwort haben, weiß ich nicht, guck ich aber noch nach, das ist völlig klar! Nur mir ist das wichtig! Wir müssen an dem Thema dranbleiben! Es ist nicht hinnehmbar, dass die Älteren im Osten benachteiligt werden und ich muss das im Westen immer erklären, weil die haben ja immer so die Vorstellungen, also ob unsere Rentnerinnen und Rentner ihnen das ganze Geld wegnehmen, die Wahrheit ist doch, dass nichts angespart wird in der gesetzlichen Rentenversicherung und seitdem wir zur Bundesregierung gehören, zahlen wir da genauso ein wie die anderen. Also es ist sowieso ein falsches Argument. Hinzu kommt, dass es drüben auch immer Betriebsrenten gab, die wir gar nicht kennen, hinzu kam, dass es Lebensversicherungen in einer Form gab, die wir gar nicht kannten, insofern sind die Rentnerinnen und Rentner sowieso benachteiligt und die BILD-Zeitung macht immer auf und sagt immer einem Ostrentnerpaar geht es besser. Da lassen sie alle diese Faktoren weg und dann nehmen sie einfach zwei Rentner, und natürlich ist es so, dass die Frauen in den alten Bundesländern nicht berufstätig waren, keinen Rentenanspruch haben und so haben zwei natürlich mehr als einer. Das ist doch aber natürlich nicht die Frage. Ich möchte folgendes wissen: Wenn es zwei Verkäuferinnen gibt, die beide 45 Jahre als Verkäuferinnen gearbeitet haben, eine in Bayern und eine in Brandenburg, bekommen die dann nach jeweils 45 Jahre, wenn sie in das gesetzliche Rentenalter kommen die gleiche Rente? Und die bekommen sie nicht. Die eine bekommt eine deutlich geringere Rente. Und das können und wollen wir uns in Deutschland nicht leisten. Und deshalb sage ich, wir brauchen die Rentenangleichung und zwar so schnell wie möglich.
Und wenn wir je in eine Bundesregierung einsteigen, ist das für mich eine der Forderungen, sonst brauchen wir da gar nicht mitzumachen, wenn die sagen, es bleibt alles diesbezüglich wie es ist. Also, hier müssen wir was machen, aber da bleiben wir auch aktiv.
Und dann sag ich auch noch was zum Vermögen, das hat sich ja auch alles wunderbar entwickelt mit dem Vermögen. Also: Wir haben 5,6 Billionen Euro Vermögen in Deutschland, die Zahl, mit der können sie ja sowieso nichts anfangen, ich kann es mir auch nicht vorstellen, viel zu groß. Aber mit folgender Zahl kann man was anfangen: 10 % der Deutschen gehören davon 65 %, fast 2/3. Und 2/3 der Deutschen gehört davon nichts. Das ist die Verteilung und sie ist schlimmer geworden unter Schröder und unter Merkel. Und das nächste ist natürlich: die Armut hat zugenommen. Wir haben ja 2,6 Mio. arme Kinder. 2,6 Mio.! Das reichste Land der EU, eines der reichsten Länder der Erde leistet sich 2,6 Mio. arme Kinder. Wenn man mit unserer Generation rumspielt, wir haben kein Recht, Armut zu dulden bei Kindern und der Koch, der von Jugendgewalt spricht und Jugendkriminalität, der sollte mal in die Suppenküchen gehen, der soll sich mal ansehen, was dort passiert und in den Bildungseinrichtungen, da muss er kämpfen, wenn er das überwinden will.
Und deshalb: Und jetzt kommt ein nächstes, da müsst ihr Herrn Platzeck sagen: Seit Hartz IV, das heißt, seit Beginn des Jahres 2005 hat sich die Zahl der armen Kinder verdoppelt, von 1,3 Mio. auf 2,6 Mio.. Das haben Sozialdemokraten und Grüne angerichtet, da muss er auch fähig sein und sich korrigieren, um zu sagen, er wird zu einem Gegner von Hartz IV. Wir sind leidenschaftliche Gegner von Hartz IV, sagen Hartz IV muss weg!
Wir haben inzwischen 7,4 Mio. Menschen, die von ALG 2 leben, davon 5 Mio. ausschließlich. Und darunter sind 1,33 Mio. Aufstockerinnen und Aufstocker. Nur damit wir uns darüber im Klaren sind, was das bedeutet. Das bedeutet, das sind Leute, die voll berufstätig sind, nur die meine ich jetzt. Und die trotz voller Berufstätigkeit eine so geringe Entlohnung bekommen, dass sie davon nicht leben können und die Differenz noch als Sozialleistung über Hartz IV erstattet bekommen. Und denn sagen Merkel und Koch und Wulf und wie sie alle heißen, sagen, jetzt wollen sie den Kombilohn. Ja ich bitte euch, was heißt Kombilohn? Kombilohn heißt, ich sage dem Unternehmen, du kannst 1 Euro die Stunde zahlen – alles deine Sache, zahl so wenig wie du willst, damit derjenige ein Auskommen hat zahlen wir die Differenz und zwar aus euer Steuergeldern. Wir haben ja kein eigenes Geld. Die bezahlen es ja immer aus den Steuereinnahmen und das ist doch wohl nicht hinnehmbar. Eine gute Arbeit muss auch anständig entlohnt werden, das ist doch wohl das Mindeste, was man durchsetzen muss in einer Gesellschaft.
Wir haben 7 Mio. Menschen die von Mini- und Midijobs leben, darunter 5 Mio., die nichts anderes haben, überwiegend übrigens Frauen, das ist bei der Vermögensfrage auch noch interessant: Vergleich Frauen – Männer. Frauen haben im Schnitt nur 63% des Vermögens von Männern. Da ist die Schieflage. Und der Osten hat natürlich wiederum ein viel geringeres Vermögen als der Westen. Also alle diese Zahlen stimmen auch bei der Vermögenslage.
So, dann haben wir – das hab ich schon gesagt, 2,5 Mio. befristete Verhältnisse und 800.000 Leiharbeitsverhältnisse, 800.000, das war mal eine Ausnahme, woran war gedacht? Es war daran gedacht: Das Unternehmen hat 30 Beschäftigte, darunter ein Elektromeister, dann wird der krank 3 Wochen, dann holt man sich von so einer anderen Firma einen Elektromeister, zahlt dasselbe und wenn der andere wiederkommt, ist gut. So war das gedacht, so für eine Ausnahme. Jetzt haben sie aber eingeführt, dass Leiharbeiter die Hälfte maximal 2/3 verdient. Und das ist natürlich eine gnadenlose Ausbeutung, ich nenne das eine moderne Form der Sklaverei, denn die Stammbelegschaft wird ja unter Druck gesetzt, den Lohn zu senken, weil man eben die Leiharbeit billig bekommen kann. Alles unter Sozialdemokratie und Grünen eingeführt in Deutschland, aus der Ausnahme wurden 800.000 Beschäftigte inzwischen und deswegen sind die Gewerkschaften so schwach. Wenn die 2,5 Mio. befristete Arbeitsverhältnisse haben, wenn die 800.000 Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter haben, wenn die so viele Minijobs haben, wenn die die 1-Euro-Jobs haben usw., dann wird natürlich der Druck, den du als Betriebsrat entfalten kannst, immer geringer und die Leute haben immer mehr Angst, denn sie haben ja auch Angst von ALG 2, und zwar nicht nur, weil die Beträge so gering sind, sondern weil sie ihr ganzes Vermögen offenbaren müssen. Du bist ja danach ein gläserner Kasten, durch und durch und weil noch gesagt wird: Du musst jede Arbeit, so gut wie jede Arbeit annehmen. Die haben mal im Fernsehen gezeigt, wie der ehemalige Direktor den Hof seines Unternehmens fegen musste, damit er ALG 2 bekommt. Das sind doch Demütigungen, die überhaupt nicht hinnehmbar sind und die gegen Artikel 1 des Grundgesetzes verstoßen und deshalb wollen wir das auch nicht.
Ja und wenn man sich damit beschäftigt, dann muss ich noch ganz kurz was zu den Steuern sagen, weil ja immer gesagt wird, ja ihr macht ja lauter Vorschläge, die sind ja alle unbezahlbar. Die Körperschaftssteuer betrug in Deutschland 45 % unter Kohl. Schröder hat sie auf 25 % gesenkt und die große Koalition hat jetzt beschlossen, zum 1. Januar, sie auf 15 % zu senken, aber sie beträgt in Groß Britannien 30 %, in Frankreich 33,3 %, in den USA 35 %, in Deutschland 15 %. Wir setzen die anderen unter Druck. Noch zwei Durchschnitte: Steuern aus Vermögen, aus Grundstücken und Erbschaften machen bei uns 0,9 % des Bruttoinlandproduktes aus. Im OECD-Durchschnitt, und zur OECD gehören Länder wie Slowakei, Türkei, USA, Mexiko! Damit wir auch bloß wissen, um wen es geht. Im OECD-Durchschnitt liegen die Einnahmen bei 1,9 % des Bruttoinlandsproduktes – mehr als das Doppelte.
Und bei Unternehmenstätigkeiten ist es auch interessant: OECD-Durchschnitt 3,6% des Bruttoinlandsproduktes, Deutschland 1,3% – fast nur 1/3. Wir sind diejenigen mit den niedrigen Steuern. Und dann gibt es noch eine Zahl, die man sich merken muss: EU-Durchschnitt, EU – das ist mit Rumänien, Bulgarien, Lettland, Litauen, Estland, Slowakei – nur dass wir uns darüber im Klaren wären. Die Steuerabgabenquote im EU-Durchschnitt: 40,8 %, in Deutschland 35,6 %. Über 5 % unter dem Durchschnitt. Hätten wir nur diese 5 % mehr, hätten wir nur den EU-Durchschnitt als stärkstes Land, ökonomisch stärkstes Land der EU, hätten wir jährlich eine Mehreinnahme von 120 Milliarden Euro, damit ließe sich alles finanzieren, was wir vorgeschlagen haben, deshalb ist es nicht populistisch, sondern real, wenn wir denn Steuergerechtigkeit hätten in Deutschland, die wir aber nicht haben.
Und deshalb sage ich noch mal dazu, was ja auch wichtig ist, dass wir uns bitte immer schön überlegen, welche Steuern wir meinen: Wir meinen natürlich nicht die Mehrwertsteuer, wir sind die Einzigen, die die durchschnittlich Verdienenden entlasten wollen. Weil diese einen Steuerbauch bei der Einkommenssteuer haben, weil sie nämlich den Spitzensteuersatz gesenkt haben, übrigens auch wieder Steuern. Nicht, der Kohl wollte den Spitzensteuersatz der Einkommenssteuer von 53 auf 50 % senken und hatte Angst vor der SPD und den Gewerkschaften und der evangelischen Kirche und dann kam Schröder und hat die 53 % auf 42 % gesenkt, um 11 %, das kostet uns jährlich 11 Milliarden Euro! Nur damit das auch klar ist. Ein Einkommensmillionär spart dadurch 100.000 Euro Steuern im Jahr. Das haben sie alles gemacht, so und dafür haben sie für die durchschnittlich verdienenden so einen Steuerbauch gemacht, die müssen mehr bezahlen. Übrigens auch bei der gesetzlichen Rente, wenn du eine Beitragsbemessungsgrenze machst und sagst, für das höhere Einkommen musst du nicht bezahlen, dann heißt das natürlich, dass der durchschnittlich Verdienende mehr bezahlen muss, weil du einen höheren Prozentsatz nehmen musst. Wenn du sagen würdest, der Ackermann muss für sein gesamtes Einkommen einzahlen, dann kannst du den Prozentsatz senken, dann würdest du den durchschnittlich Verdienenden entgegenkommen. Die OECD – keine linke Organisation – hat festgestellt, in Deutschland sind die unteren und die durchschnittlichen Einkommen im internationalen Vergleich überdurchschnittlich belastet und die hohen Einkommen im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich belastet, und zwar genauso bei SPD, und bei Union. Das ist die Wahrheit.
Also ich will nur sagen, auf all dieser Strecke kann man was machen, welche Steuern schlagen wir vor, die Vermögensteuer schlagen wir vor, die Börsenumsatzsteuer schlagen wir vor, eine Luxussteuer, wir wollen, dass bestimmte Produkte wie Kinderkleidung noch runtergehen und nur 7 % Mehrwertsteuer haben, nicht diese 19 jetzt und sagen: Dann gibt es aber Luxusprodukte, da gibt es eine ganze Kette festgestellt vom Bundesfinanzhof, die entscheiden, was Luxusprodukte sind und da haben wir gesagt, können wir doch diese um 6 % mehr machen, dass wäre sehr viel gerechter und wenn ich mir so etwas teures kaufe – einen Diamantring – dann kann ich auch noch 6 % Mehrwertsteuer bezahlen, etc. Es wäre alles lösbar und es wäre alles gerecht lösbar und glauben sie nicht an den Satz, dass wenn man eine Vermögenssteuer macht, dass die Vermögenden dann alle Deutschland verlassen. Schweden hat eine Vermögenssteuer und soviel Vermögende aus Schweden sind bisher nicht nach Potsdam und Berlin gezogen. Mit anderen Worten: Es ist kein ernstzunehmendes Problem. Man kann das alles lösen, wenn man denn wollte. Vielleicht noch als letztes: als Zahl auch wichtig, wir hatten in den letzten Jahren insgesamt eine Lohnsteigerung von 4 %, aber eine Preissteigerung von 10 %, das macht einen Reallohnverlust von 6 % und wir sind die einzige Industriegesellschaft, die das hatte. Frankreich hatte ein Plus von 10 %, Großbritannien hatte ein Plus von über 20 %, die USA hatten ein Plus von über 25 %, Schweden von 29 %, wir ein Minus von 6 %. Und wir müssen den kleinen und mittleren Unternehmen klar machen: die von der Binnenwirtschaft leben, die nicht vom Export leben, dass sie keine Chance haben, wenn die Löhne immer weiter zurückgehen, wenn die Sozialleistung immer weiter abgebaut haben, haben sie keine Existenzchance, weil wir alle immer weniger Waren kaufen und immer weniger Dienstleistungen in Anspruch nehmen, eigentlich ist es klar, sie sind immer nur am Export orientiert und nie an der Binnenwirtschaft und deshalb sage ich ja immer, wir sind eigentlich auch die Bündnispartner der kleinen und mittleren Unternehmerinnen und Unternehmer, es wissen nicht alle bei uns und nicht alle bei ihnen, aber wir müssen dafür sorgen, dass das Schritt für Schritt klar wird.
Lasst mich aus der Regierungszeit noch, jetzt nicht die große Koalition, noch etwas anderes sagen, was ja auch ganz spannend ist: Wenn man sich das mal genau ansieht, 7 Jahre haben ja SPD und Grüne auf Bundesebene regiert. Wenn ich jetzt frage, gibt es aus der Zeit ein grünes Projekt, das durchgesetzt worden ist? Dann sag ich: Ja, gibt es! Zum Beispiel, sag ich mal, die Lebenspartnerschaft Vergleich geschlechtlich Liebende, ist ein klares Projekt der Grünen, was durchgesetzt worden ist und was die Gesellschaft auch verändert. Es gibt einen sehr weit gefassten Atomausstieg, also sehr schwach, aber immerhin irgendwas so am Rande.. Sie haben sich friedenspolitisch aufgegeben durch ihr Ja zum völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien und danach, brauchen wir gar nicht darüber zu diskutieren. Aber die SPD nennt mir ein einziges rotes Projekt aus der Zeit, ein einziges. Wo ihr sagt – das muss man mal sagen – da ist den sozial Schwachen in dem Punkt x oder y wirklich deutlich geholfen worden. Das hatten sie vorher nicht, das haben sie erst seitdem. Oder da müssen die wirklich Reichen etwas bezahlen, was sie vorher nicht bezahlt haben. Es gibt kein einziges rotes Projekt aus der Zeit und das ist die große Schwäche der Sozialdemokratie. Sie hat 7 Jahre lang regiert und nichts anderes als Hartz IV, mehr befristete Arbeitsverhältnisse, Minijobs, 1-Euro-Jobs, Steuergeschenke immer an die falsche Richtung hin entlastet. Und da gibt es noch dieses – ich lieb ja immer so diese kleinen Spielereien – da gibt es noch diese Veräußerungserlössteuer, also wenn ein Unternehmen etwas verkauft, muss es auf den Kaufpreis eine Steuer bezahlen und das war unter Kohl so, dass der Bäckermeister einen halben Steuersatz bezahlen musste und die Kapitalgesellschaft, die Deutsche Bank, den vollen Steuersatz. Also das ist doch gar nicht zu fassen, da kommen Schröder und Fischer, machen eine Reform und regeln, dass der Bäckermeister das Doppelte bezahlen muss und die Deutsche Bank gar nichts mehr. Wirklich war, da habe ich mich damals im Bundestag hingestellt und habe gesagt: ja nun mal ganz langsam, damit ich das verstehe – habe ich gesagt – ist es so und so? Und dann habe ich gesagt: stellen Sie sich doch mal vor, der Kohl hätte das eingeführt, dann wäre ich mit den ganzen Sozialdemokraten durch das ganze Land gefahren und wir wären über ihn hergefallen, wie es sich gehörte, wir erkläre ich denn jetzt den Leuten, dass die SPD das einführt?
Ich sag, sie sind doch nicht dazu da, um mich ständig ideologisch zu verwirren und dann hab ich Kohl auf dem Flur getroffen, dann sagt er: „Herr Gysi, es war wirklich eine sehr gute Rede, aber sie haben mich völlig durcheinander gebracht, weil ich war immer ein Mann des deutschen Bäckermeisters, nie der Deutschen Bank.“ Das kann man auch anders sehen, aber er sah es eben so. Aber es hat die SPD tatsächlich so eingeführt. Deshalb komme ich noch einmal auf den Anfang zurück. Wenn wir nicht stärker werden, wird die SPD nicht sozialdemokratischer, sondern sie bleibt so neoliberal wie sie ist und dann gibt es die Ausnahmen, die kenne ich, und die Versuche.
Lasst mich noch 2 Dinge aus Berlin erzählen, die mir auch für Brandenburg wichtig sind. Ich hab vom Kulturticket gesprochen, Sozialticket kennt ihr, ist auch wichtig, aber es gibt noch zwei andere Dinge: und zwar ist das eine, dass sie einen öffentlich geforderten Beschäftigungssektor für die 10.000 machen, die am schwersten zu vermitteln sind und die werden ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis bekommen mit einem Mindestbruttoeinkommen von 1.300,00 €. Ganz ganz wichtig, sie hätten sonst gar keine Chance. Ich hoffe, dass das so schnell wie möglich in der Legislaturperiode umgesetzt wird und das zweite sind die Vergaberichtlinien. Zu sagen, dass ein Unternehmen nur noch einen öffentlichen Auftrag bekommt, dass wenigstens 7,50 € pro Stunde zahlt, also 8 € wären mir lieber, aber klar: Kompromiss: 7,50 € zahlt – und die Tarifbestimmungen einhält, etc., ist ganz wichtig. Wenn wir das nicht durchsetzen, dann werden die Unternehmen mit Hungerlöhnen auch noch ständig befördert, weil sie dadurch das billigere Angebot machen und die öffentlichen Aufträge bekommen. Hier muss Brandenburg ausnahmsweise mal werden wie Berlin – will ich ganz klar sagen. Das ist mir ein ganz wichtiges Anliegen!
So, die Union in Brandenburg ist in einem nachweisbar extrem schwierigen Zustand, ich wusste gar nicht, dass sie so gespalten sein können, aber das sind sie. In Brandenburg herrscht Stillstand. Unsere Partei darf alles dulden, aber nicht Stillstand und deshalb möchte ich, dass ihr hier einen Parteitag macht, wo Leben herrscht. Den in Niedersachsen und in Hessen hab ich immer gesagt: wenn sie alles so lassen, wie es ist, wird es zum kotzen langweilig. Aber mit uns wird es spannend. Und jetzt möchte ich, dass ihr es beweist, dass es spannend wird. Das heißt: Wofür stehen wir denn? Wir stehen nicht für Stillstand, sondern für ein kulturvolles, für ein bildungspolitisch, wirklich Chancengleichheit organisierendes und sozial gerechtes Brandenburg und dafür bitte ich euch weiter zu kämpfen und zwar nicht irgendwie und nicht nur im Streit, sondern leidenschaftlich weiterzukämpfen. Je leidenschaftlicher wir sind, desto mehr Bürgerinnen und Bürger erreichen wir in Brandenburg und dann werden die anderen, alle von der Union, FDP und natürlich auch in der SPD lernen, dass die soziale Gerechtigkeit nichts etwas ist, dass sie links liegen lassen können, sondern etwas, was im Zentrum der Politik stehen muss!
Danke schön!