Kerstin Kaiser. Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag Brandenburg

Blossin, 13. Dezember 2008
Redebeitrag von Kerstin Kaiser
Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Landtag Brandenburg

I.
Einstieg

Liebe Genossinnen und Genossen,
in wenigen Tagen schon wird dieses Jahr zu Ende gehen. Aber nicht  Advent und Jahresausklang führen uns zusammen. Wir bereiten uns hier und heute auf das kommende, das neue Jahr 2009 vor.
Es wird ein aufregendes, ein wichtiges – und es kann ein ein gutes Jahr werden.
Dies sag ich gleich zu Beginn meiner Rede, weil wir vielleicht genau das nicht vergessen dürfen. Vor allem dann nicht, wenn es hart wird. Und hart wird das kommende Jahr auch.

2009 werden zwanzig Jahre seit der Wende vergangen sein. 2009 wird in Brandenburg drei Mal gewählt. Ich bin sicher, dass es für uns ein gutes Jahr sein wird. Wir werden im Wahlkampf  Menschen davon überzeugen, uns – die Linken – zu wählen, weil sie wissen, dass damit ihre Chancen und Möglichkeiten wachsen könnten.
Wir sind Mitglieder einer Partei, die in diesen zwanzig Jahren ununterbrochen dazugelernt hat und besser geworden ist. (Das kann uns einen Augenblick lang auch stolz machen.)
Wir haben gelernt, in dieser Gesellschaft eine Politik zu machen, die man zu Recht Politik der sozialen Verantwortung genannt zu werden.
Wir haben gelernt, dass es allemal besser ist, die Dinge zu benennen, als sie unter den Teppich zu kehren. Wir haben dabei Federn gelassen und uns trotzdem kein dickes Fell zugelegt. Wir haben gelernt, dass die Menschen, wenn sie uns wählen sollen, von uns wissen möchten, wo wir herkommen, wofür wir stehen, welche Fehler wir gemacht haben, und was uns gut gelungen ist, welche politischen Meinungen und Konzepte wir vorweisen können, warum wir uns links nennen, was wir unter einem demokratischen Sozialismus verstehen, ob wir verantwortungsvoll mit Macht umgehen können und ob wir tauglich sind, die Interessen vieler Menschen zu vertreten.

Das nächste Wahljahr wird für Viele im Land zuerst ein Gedenkjahr sein, aber wir sollten auch ein Nachdenk-Jahr daraus machen. Wir sollten mit  vielen Menschen ins Gespräch darüber kommen,  was wir, die Linken, zwanzig Jahre nach dem Neuanfang mit ihnen tun können, was sie von uns fordern, was wir für sie tun können. Ja, und ich bin gespannt auf alle Diskussionen, die da geführt werden. Von manchen weiß ich schon jetzt, wie sie klingen werden und ahne, worauf sie hinauslaufen sollen. Aber ich baue darauf, dass wir uns stark gemacht haben durch Offenheit und Auseinandersetzung – mit der Vergangenheit und mit der Gegenwart. Ich selbst habe mich darum bemüht und das werde ich auch weiter tun.
Entscheidend ist doch: Was haben wir gelernt in diesen letzten zwanzig Jahren? Was haben wir gelernt aus unserer ganzen Geschichte?

Wo stehen wir heute und wo wollen wir hin? Was ist nötig und wie wird ist möglich?
Diese Fragen stehen am Beginn meiner Rede, mit der ich einige mögliche Antworten, meine Antworten zur Debatte stelle.

II.
Wo steht Brandenburg, wo stehen wir?

Brandenburg ist für viele Bürgerinnen und Bürger zu einem Land geworden, in dem zu leben und zu arbeiten sich lohnt. Die Lebenslage vieler Menschen im Land hat sich stabilisiert. Diese Stabilisierung war und ist für viele ein wichtiges Gut, besonders nach den Turbulenzen der späten 80er und 90er Jahre. Man konnte sich einrichten, das Leben wurde planbar.
Das erklärt Umfrage-Ergebnisse, nach denen reichlich zwei Drittel der Märker mit ihrer Lebenssituation zufrieden waren und meinten, ihr Land bewege sich in die richtige Richtung, darunter auch Anhängerinnen und Anhänger der LINKEN zu 62 Prozent.
Das war noch der Stand vom April 2008.

Zwei wesentliche Fehler von  Landesregierung und Koalition prägen jedoch das Leben im Land  und hemmten seine Entwicklung  in den die letzten Jahren:
Erstens das bedingunsloses Festhalten an der Agenda-2010-Politik, am entwürdigenden System von HartzIV. Arbeit schützt nicht mehr vor Armut. Kinderarmut breitet sich aus.
Zweitens: scheiterte ihr Leitbild „Metropolenregion“, mit dem die vielfältigen Regionen des Landes durch einseitiges Setzen auf Berlin und sein Umland fast aus dem Blick geraten wären. Widerstand aus dem Land beförderte das Leitbild in die Schublade.

Und jetzt, Ende 2008, geht die Bundesrepublik in eine ernste Krise. Die Bundesregierung verfällt in Aktionismus.  Entwicklungen tragen die schlechten Früchte, die Viele befürchtet haben. Kaum jemand bestreitet, dass zusätzlich schwere Zeiten für viele Menschen kommen.
Unsere wichtigste Aufgabe ist, über Politik der sozialen Verantwortung nicht nur zu reden, sondern sie glaubwürdig zu vertreten. Wir bleiben dabei, dass Politik gerade in solchen Zeiten gestalten kann und muss.
Entscheidend ist doch, in wessen Interesse gestaltet wird.
Klar ist doch: Ein WEITER SO regierender Politik, ein WEITER SO in Brandenburg kann und darf es nicht geben.

Die Vorweihnachtszeit lässt die Krise vielleicht noch nicht so scharf erkennen…
Das Weihnachtsgeschäft läuft aber schon verhaltener als in früheren Jahren.

Auch unserer Investitions- und Landesbank hat sich verzockt, wenn auch ohne so dramatische Einbrüche, wie bei den Landesbanken in Sachsen oder Bayern.

In manchen Unternehmen gehen die Aufträge schon dramatisch zurück, vor allem bei den Herstellern von Investitionsgütern, weniger bei den Konsumgüter-Produzenten.
In Schwarzheide und in Eisenhüttenstadt wird – schon – kurz gearbeitet. Hunderte Stellen sollen im Stahlwerk gestrichen werden. Das ist erst der Anfang. Ein Drittel aller Betriebe in Deutschland plant Entlassungen – nur noch 17 Prozent der ostdeutschen Unternehmen denken an Neueinstellungen. Im Frühjahr waren es noch doppelt so viele.
Ein Vermessungsbüro im Osten des Landes ist seit Wochen ohne neue Aufträge und musste seine Leute kündigen, weil kaum jemand dort neu bauen und sich verschulden kann und will.

Man könnte sagen, die neue Werkhalle bei Bombardier und Rekord-Umsätze in der Solarwirtschaft wie auch zusätzliche finanzielle Mittel  für den Verkehrswegebau aus Rettungsschirm und Konjunkturprogramm stehen dazu im Widerspruch.
Schauen wir aber auf den Arbeitsmarkt, wird klar: es ist kein Widerspruch.
Bei 7589 offenen Stellen sind derzeit 157.575 BrandenburgerInnen ohne Arbeit, fast ein Drittel von ihnen ist über fünfzig Jahre alt. Es gibt fast 26 Tausend so genannte Nichtleistungsbezieher, 18.300 Menschen sind in Maßnahmen der Arbeitsförderung, 15.100 in „Ein-Euro-Jobs“. Die Brandenburger liegen im Durchschnitt mit einem Viertel unter dem bundesweiten Bruttojahresverdienst bei Vollbeschäftigung (30.490 €), arbeiten dafür aber mit 1517 Stunden am längsten von allen: 84 Stunden über dem Bundesdurchschnitt und 99 über dem der westlichen Länder.

Zwei unerträgliche Zahlen belegen die Bilanz der Agenda-2010-Politik auf besondere Weise:
Erstens die der so genannten Aufstocker:
Die Presse (MAZ) vom 5.12. nannte 71.500 Brandenburger mit Vollzeit-Job, die zusätzlich staatliche Hilfen bekommen. Tendenz: Plus 10,7 % in anderthalb Jahren.  Arbeit schützt also längst nicht mehr vor Armut.
Zweitens die zunehmenden und sich verfestigende Kinderarmut. Die Autorengruppe Bildungsberichterstattung „Bildung in Deutschland 2008“ stellt für Brandenburg ganz klar ein Anwachsen der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren fest, die in armen Haushalten leben.(unter 60% des durchschnittlichen Familieneinkommens). Und zwar von einem Viertel auf ein Drittel. Kinderarmut in einem so reichen Land ist ein so bedrückender Umstand, sie betrifft uns alle persönlich. Für die heutige wie die künftige Landtagsfraktion der LINKEN kann ich versichern: im Einsatz für die Interessen dieser Kinder, im Ringen um die schnelle Verbesserung ihrer alltäglichen Lebensumstände und der Wahrung ihrer Zukunftschancen waren und sind wir nicht kompromissbereit, werden wir nie kompromissbereit sein.

70 Tausend Kinder bei uns leben in HartzIV-Bedarfsgemeinschaften. Angesichts dieser „massiven Armutserfahrungen“ bereits einer ganzen Generation reift nach Meinung der AutorInnen ernster Generationenkonflikt, der die Parteien und die Politik im Land zu Korrekturen“ bewegen sollte.

Preis- und Kostenauftrieb bedrohen für viele den erreichten Lebensstandard.
Der aktuelle Bericht über die Lebenslagen macht klar: Armut ist allgegenwärtig in Brandenburg. Der Aufschwung ist verpufft. Der Negativtrend setzt sich verstärkt  fort.
Armut ist dort besonders stark, wo die Regionen besonders schwach sind.
Und: Armut reproduziert sich, sie wirft dunkle Schatten voraus in die Zukunft – für die Kinder wie für die zukünftigen Rentner.

Es hilft niemandem der Betroffenen etwas, dass diese Entwicklung voraussehbar war und dass  wir mit unserer Kritik an der Agenda2010 im Kern richtig lagen und liegen.

Aber nun sind Konsequenzen mehr als überfällig und gerade wir müssen Schritte dahin aufzeigen und ermöglichen. Angesichts der steigenden Preisspirale für alles, was man zum Leben braucht, angesichts von Armut und beginnender Krise, wird es ganz deutlich: Bei einem WEITER SO der Politik wird das „Leben wie bisher“ nicht SO WEITER gehen können.

Was haben wir nun in den letzten Wochen erlebt und gelernt?
 Wenn es darauf ankommt, ist plötzlich Geld da, was sich vorher nicht finden ließ für Arbeitslose, Kinderbedarfssätze, mehr KiTa-Erzieherinnen oder Lehrerstellen. Auch nicht für öffentlich finanzierte Beschäftigung.
 Auch in der Krise geht Geld nicht automatisch in Kitas, Schulen, Beschäftigung (also Binnenkaufkraft) oder die öffentliche Daseinsvorsorge.
 In einem kurzen Moment der Wahrheit hat auch regierende Politik Ursachen benannt, die auch wir sehen:  Finanzkrise u.a. durch frei gegebene Wechselkurse, unkontrollierten Kapitalfluss, Steueroasen, risikoorientiertes, betrügerisches Agieren der Banken mit starrem Blick auf Profit ohne wirksame Kontrolle hervorgerufen wurde. Aber wo, frage ich, sind die Konsequenzen bei der Bekämpfung dieser Ursachen?
 Und: Keiner der dafür politisch Verantwortlichen „Ritter des Neoliberalismus“gesteht, dass diese Krise, deren Ausmaß und Gefahren wir vielleicht erst in einigen Monaten ganz und gar begreifen, selbst gemacht ist. (Denn – bei all den derzeit beliebten Vergleichen -: Diese Krise ist eben  die Folge einer unabwendbaren Naturkatastrophe, sondern das Ergebnis absichtsvoller Politik.)

Die Landesregierung ist unsicher, noch ist nicht zu sehen, dass sie wirklich nach Fehlern sucht. Der Wirtschaftsminister kündigt erst im Alleingang ein Mini-Konjunktur-Programm an. Dann seinen Rückzug aus der Politik. Frau Wanka ist nun allein zu Haus mit Petke &Co  und schweigt. Die SPD will erst Konsumgutscheine, dann wieder nicht. Erst wollte man im Bundesrat das Konjunktur-Paket der Bundesregierung abgelehnen. Am nächsten Tag sagen die Nachrichten: Es ist angenommen – auch mit den Stimmen Brandenburgs.
Der Ministerpräsident setzt eine Arbeitsgruppe ein, die Vorschläge zur Stabilisierung der Konjunktur machen soll. Ausgerechnet in Eisenhüttenstadt äußerte er, die brandenburgische Wirtschaft sei „für schwierige Zeiten gerüstet“.
Für kommende Woche ist eine Regierungserklärung dazu angekündigt.

Liebe Genossinnen und Genossen, hier von unserem Parteitag aus frage ich den Ministerpräsidenten – und wir erwarten Antworten:
 Sind Sie bereit dazu, Fehler zu benennen und zu korrigieren?
 Ist Ihre Warnung vor „Aktionismus“ nur die Tarnkappe für ein bloßes „Weiter so“ in Brandenburg – oder
 sind Sie tatsächlich auf der Suche nach Maßnahmen, die mehr sind als die Rettung von Wirtschafts- und Finanzkreisläufen, sondern einen Ausweg aus der Krise suchen durch den Einstieg in einen nachhaltigen – also  wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen und politischen Wandel?
 Waren Ihre Worte auf der letzten Landtagssitzung zum Dritten Weg und zum demokratischen Sozialismus vielleicht ein nostalgischer Ausrutscher im ersten Schreck auf das Mißtrauen der BrandenburgerInnen gegenüber der realen unsozialen Marktwirtschaft?

Nur mit klarer Kursänderung, nicht mit Rechentricks jedenfalls, (wie es im Zusammenhang mit dem Lebenslagenbericht versucht worden ist), kann man den Problemen begegnen.
(Übrigens: die 227 Tausend BrandenburgerInnen, die täglich zum Arbeitsplatz pendeln, sehen die endlich erfolgte Korrektur der ungerechten Entscheidung zur Pendlerpauschale durchaus nicht als Weihnachtsgeschenk, wie unser MP! Sondern als spätes Zeichen für Gerechtigkeit.)

Ich nehme den Ministerpräsidenten und die  Ankündigungen der SPD im Lande ernst,  sozialen Korrekturen bis hin zum Mindestlohn anzustreben. Aber wie, um Himmels Willen, will er das alles mit der mit der CDU umsetzen? Die SPD hatte zehn Jahre Zeit, den BrandenburgerInnen zu beweisen, dass das mit der CDU geht. Und es ging nicht. Was wird die SPD machen? Was wird Platzeck machen, wenn die nächste Wahl erneut eine deutliche Mehrheit für eine Politikänderung ergibt? Steht er dann zu seinen Zielen? Oder zur CDU?

III.
Was wollen wir?

Was tun wir heute, als Linke, in diesen Zeiten der drohenden Rezession und Krise?
Es geht uns ausdrücklich nicht nur darum, Vertrauen in die Banken wiederherzustellen und zu stärken, die uns gerade die Krise beschert haben? Uns geht es darum, die Menschen zu bestärken, die zu den Banken gehen müssen, weil sie da ein Konto haben, Schulden haben oder einen Kredit brauchen. Es geht auch in Brandenburg darum, nach einem Entwicklungsweg zu suchen, der solche Krisen erst gar nicht zulässt.

Liebe Genossinnen und Genossen,
wir – die demokratischen Sozialistinnen und Sozialisten, wir – die Linken: wir haben uns  gegen die jahrelange Selbst-Entmachtung der Politik gewandt. Angesichts von Globalisierung, sozialer und Umweltkrise,  setzten Regierende an die Stelle des Gestaltens im Interesse der Bevölkerung das Gestalten im Sinne der Märkte. Für uns aber hat Politik mit Verantwortung für Menschen zu tun, mit sozialer Verantwortung. Politik hat auch dafür zu sorgen, dass sich niemand in der Gesellschaft dieser Verantwortung entziehen kann.
Diese Überzeugung stand am Anfang unserer politischen Aufbrüche: Des – einen – Aufbruchs aus der gescheiterten SED zur PDS. Der Blick zurück kann uns helfen: Wir verabschiedeten uns sehr bewusst vom Stalinismus als System im Bewusstsein der eigenen Fehler und Verantwortung. Wir haben uns diesen offen gestellt und dann auch dem demokratischen Urteil der WählerInnen.

Genauso erfolgte der – andere – Aufbruch der WASG aus der Schröder-SPD. Und genau auf dieser Grundlage haben wir uns als DIE LINKE in Deutschland nun auch in einer gemeinsamen Partei zusammen gefunden. Wir dürfen nicht vergessen, dass darin die Basis unseres Erfolgs liegt. Das macht die Partei aus – in ihrer Gesamtheit. Und darauf kommt es an.
Wir haben in Brandenburg eine neue Partei gegründet und parallel dazu eine breite gesellschaftliche Debatte über die Perspektive des Landes gestartet. In dieser Debatte ist die Landesregierung mit ihrem Leitbild „Metropolenregion“ in die Defensive geraten. Dabei haben wir selbst viel darüber gelernt, was nötig und was möglich ist.

Lasst uns diese Offenheit bewahren, nicht einfach Dinge vom „roten Tisch“ aus verkünden, sondern lasst uns weiterhin mittendrin sein, aus Erfahrungen lernen, Interessen und Ideen aufnehmen, solidarisch, durch Gemeinsamkeit verstärken. Damit man durch demokratische Zustimmung z.B. bei Volksinitiativen und bei Wahlen  das Notwendige dann auch durchsetzen kann.

Bitte versteht mich richtig: Auch wir sind ja auf der Suche nach der richtigen Herangehensweise in der Krise. Um die Frage, wie man jetzt Zukunft gewinnt. Das wird das prägende Thema der öffentlichen Debatte in den nächsten Monaten.
Die Frage: Wie gewinnt man Zukunft? Wie bewältigt man eine tiefe Vertrauens- und Strukturkrise in den modernen kapitalistischen Gesellschaften. Wie verhindern wir, dass  nichtdemokratische, autoritäre Lösungen massenhaft Zuspruch gewinnen? Oder sollen wir uns einfach mit Obama in das verbrauchsarme Auto setzen – und alles wird gut?
Auf diese Fragen müssen auch wir die genau passenden Antworten finden. Und diese Arbeit liegt vor, nicht hinter uns, liebe Genossinnen und Genossen.

Mit der  Leitbilddebatte hatten wir einen guten Vorlauf. Daran müssen wir nun im Hinblick auf das Wahlprogramm anknüpfen. Auch das wollen wir öffentlich erarbeiten und diskutieren. Der Leitantrag beschreibt dafür den Rahmen.

In ihm heißt es, dass erneut große Fragen auf die Tagesordnung gerückt sind, Fragen wie die nach dem Verhältnis von Markt und Staat, von Wirtschaft und Politik, von Risiko und Sicherheit, von individueller Freiheit und gesellschaftlicher Verantwortung, von Macht und Teilhabe.

(Übrigens: Es konnte einem regelrecht schwindlig werden angesichts der massenhaften politischen Wendungen und Wendehälse in den letzten Wochen, die laut nach dem starken Staat riefen und ihn früher eher als Störfaktor für die freie Wirtschaft sahen.)

Worauf setzten wir als die Linke in Brandenburg?
Liebe Genossinnen und Genossen,
um das, was wir wollen und wofür wir hier und heute um Zustimmung werben, braucht eine Grundvoraussetzung: Demokratie. Wir setzen aus gutem Grund auf Wiederbelebung und Weiterentwicklung der Demokratie. Nicht zuletzt die geringe Beteiligung bei den letzten Wahlen (besonders bei Europa- und Kommunalwahlen) macht die Aufgabe deutlich.

Wenn nun klar und offensichtlich ist, dass mehr als die Hälfte der Menschen in Ostdeutschland der radikalen Marktwirtschaft misstrauen, wenn wir nach einem anderen Weg suchen, den wir demokratischer Sozialismus nennen, dann heißt das alles andere, als „zurück zur DDR“. Demokratischer Sozialismus in unserem Verständnis war noch nicht da.
Das Prinzip der sozialen Verantwortung verträgt sich so gar nicht mit einem vormundschaftlichen Staat, mit Bevormundung und Entmündigung, mit Überwachung, Gängelung, Misstrauen und Instrumentalisierung von Menschen. Die Lehre aus der Geschichte ist, dass es Sozialismus ohne Demokratie nicht geben kann! Dahinter gibt es für mich kein Zurück.

Deshalb kann ich weder verstehen noch akzeptieren, wenn Änderungsanträge zum Leitantrag erreichen wollen, dass dem Wort Sozialismus das Attribut demokratisch genommen werden soll. Ich kann genauso wenig verstehen, wenn bestritten wird, dass nur die Weiterentwicklung der Demokratie die gegenwärtigen Krise überwinden und die  dramatischen Fehlentwicklungen und sozialen Spaltungen stoppen kann.
Wie gesagt, nur durch Weiterentwicklung der Demokratie. Ja bitte, wie denn sonst?

Aus gutem Grund also, liebe Genossinnen und Genossen, gibt es im Leitantrag einen eigenen Schwerpunkt zum Ausbau der demokratischen Verhältnisse, zum Ausbau der demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten. Das ist konkrete Politik und unsere eigene Erfahrung:
Wie haben wir das Sozialticket durchgesetzt – gegen eine anfängliche Parlamentsmehrheit? Durch eine Volksinitiative und durch den Einstieg in ein Volksbegehren. Wie kam es zur Chance für elternbeitragsfreie Schülerbeförderung?
Wie ist mehr soziale Gerechtigkeit entstanden? Durch demokratisches Engagement.

Seit fast zehn Jahren und drei Mal hat in dieser Wahlperiode hat die Mehrheit aus SPD und CDU im Landtag die Verbesserung des Personalschlüssels für Kindertagesstätten abgelehnt. Und eine Volksinitiative mit über 150 Tausend Unterschriften ignoriert. Nach der erneuten Ablehnung unseres Antrages durch SPD und CDU in diesem Jahr – trotz der Zusicherung des Bildungsministers gegenüber den Erzieherinnen  und Eltern – finden sich jetzt erneut viele Menschen außerhalb der Parlamente dafür zusammen… Vielleicht gibt es neben Hunderten Briefen an den MP demnächst wieder eine Volksinitiative dafür.

Und: die Volksinitiative gegen neue Tagebaue hat zunächst dazu geführt, dass die Idee vom Energiedialog entstand und an Attraktivität gewann. Darauf setzen wir auch weiter
Vom Ausgang des jetzt laufenden Volksbegehrens wird abhängen, wie weit die Landesregierung mit ihrer Energiestrategie in der Defensive und wie weit Vattenfall unter Druck bleibt.

Klar ist aber schon eines: Weder wirtschaftliche noch politische Macht allein werden eine tragfähige und belastbare Basis für die Energiepolitik der Zukunft im Land bilden können. Das geht eben nicht ohne einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Und den gibt es nur, wenn auch Klimaschutz, Naturschutz und Bewahrung der Heimat gebührend Berücksichtigung finden. (Was wiederum voraussetzt, dass nicht nur wir als Partei, sondern die Bürgerinnen und Bürger im Lande, jene Mehrheit unter ihnen, die für solche Ziele steht, sich dafür stark machen. )

Demokratie lebt davon, dass Interessen benannt, vertreten und  – durch überzeugende Argumente – in Auseinandersetzung mit anderen durchgesetzt werden.
Wir setzten also auf den Ausbau demokratischer Mitwirkungsmöglichkeiten. Wir sind überzeugt von der Kompetenz, Verantwortlichkeit und Kreativität der Menschen, die hier leben. Deshalb sollten sie mehr über politische Entscheidungen mitbestimmen können.

Liebe Genossinnen und Genossen, keinerlei Routine will, darf und sollte sich einstellen, wenn sich neue Nazis in Landes- und Kommunalparlamenten als „Normalität“ im demokratischen Alltag darstellen.  Denn das sind sie nicht, normal und demokratisch. Wer manche Reden hört und sich mit ihren Programmen befasst, weiß: Sie setzen und pflegen Keime der Barbarei in eine zivilisierte Gesellschaft. Das ist uns immer ein Warnsignal, genauso wie vielen Initiativen vor Ort und den Parteien des demokratischen Spektrums. Hier werden wir verlässlich und offensiv den demokratischen Konsens stärken und uns mit DVU und NPD auseinandersetzen. Für das Tolerante Brandenburg!

Also:
Die Linke in Brandenburg setzt auf Demokratie! –
Und wir setzen auf die Bekämpfung und Vermeidung von Armut.
Wir sagen:
Das Versuchsfeld für neoliberale  Politik in Ostdeutschland führte nicht in den Erfolg, sondern in eine Sackgasse. Es muss jetzt endlich Schluss sein  mit  der Niedriglohnpolitik und mit der Entwürdigung Langzeitarbeitsloser und ihrer Familien. Überfällig sind eine  bedarfsgerechte Kindergrundsicherung, wenigstens aber erhöhte Bedarfssätze   beim ALG II sowie Investitionen in KiTas und Schulen,  Massenhafte Armut als Skandal in einem reichen Land darf nicht nur verwaltet werden, sondern Politik muss Auswege aus Hartz IV eröffnen und Armut vermeiden.

Wir setzen deshab auch darauf, wirtschafts-, finanz- und arbeitsmarktpolitische Instrumente aller politischen Ebenen bis hinein in die Kommune so zu kombinieren, dass vor Ort existenzsichernde Beschäftigung entsteht, Binnenkaufkraft gestärkt wir, öffentliche Aufträge in der Zeit der Krise stabilisierend wirken können.

Investitionen in Bildung,  Wissenschaft und Forschung sehen wir als wichtigstes Konjunkturprogramm, um allen Kindern und Jugendlichen Zukunft zu ermöglichen.

Nebenbei bemerkt:
Ganz aktuell in dieser Woche wurden hausgemachte, märkische Probleme belegt, die unser Land allen Kindern und Jugendlichen bereitet – im Bereich der Bildung. Die Bildungspolitik von SPD und CDU zeigt als „Rotstiftpolitik“ der Landesregierung  verheerende Ergebnisse:

Auch in Brandenburg hat sich die Kopplung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg verstärkt.  Die Schule wird ihrer Aufgabe, soziale Unterschiede auszugleichen, nicht gerecht – im Gegenteil – sie verschärft sie. Das ist eben keine Schwarzmalerei der Opposition, sondern Ergebnis der letzten PISA- und IGLU-Studien. Lehrkräfte, Eltern und Kinder sind höchst unzufrieden mit dem öffentlichen Bildungswesen und suchen zunehmend den Ausweg in Schulen in freier Trägerschaft. Aber das kann nicht die Alternative für alle sein!
Wir setzen dagegen eine gut ausgestattete Gemeinschaftsschule für alle Kinder, mindestens bis zum Ende der Sekundarstufe 1. Kostenfrei für die Schüler sollten Lehr- und Lernmittel sowie das Mittagessen sein. Beginnen könnte man damit wenigstens für alle Kinder aus den Familien, die vom ALG II und in vergleichbarer finanzieller Situation sind. (Ein Drittel…)

Der Leitantrag, aus dem ich diese Punkte entnommen und sie kommentiert habe,
macht  deutlich:
Die Linke in Brandenburg steht für den Einstieg in eine Politik, die endlich mehr soziale Gerechtigkeit anstrebt und nicht Ungleichheiten verschärft.
Wir sagen Ja zu staatlicher Umverteilung in der Sozial- und Regionalpolitik. Haushaltskonsolidierung ist dabei ein wichtiges politisches Ziel. Der Kurs dahin muss klug und moderat geführt werden. Den Regionen, den Städten und Gemeinden muss mehr Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum gegeben werden. Nur so kann das Land öffentliche Leistungen zu sichern, Infrastruktur im eigenen Interesse und ausgestalten zu können. Es darf im Land dabei keinen sozialpolitischen Flickenteppich geben! Dieser aber ist bereits entstanden. Unterschiedlich finanzstarke Städte und Landkreise können eben unterschiedliche soziale Leistungen sichern. Nichts gegen kostenfreies Mittagessen und elternbeitragsfreies Vorschuljahr. Aber: die müssten – durch kluge, ausgleichende Landespolitik – doch allen Kindern im Land zur Verfügung stehen. Die jetzige Entwicklung widerspricht im Übrigen auch unserer Landesverfassung.

Landespolitik ist für Die Linke nicht einfach die Verwaltung innerer Angelegenheiten. Landespolitik ist für uns aktive Mitgestaltung, länderübergreifend, auf Bundes- und EU-Ebene.
Das ist eine Vision, für die es sich zu arbeiten lohnt, denke ich und hoffe, dass Ihr das auch so seht.

IV.
Ausgang

Liebe Genossinnen, liebe Genossen,
mit dem Leitbild „Unsere Heimat – für ein zukunftsfähiges und solidarisches Land Brandenburg der Regionen“, mit dem vorliegenden Leitantrag und der Wahlstrategie unserer Partei Die Linke sind für 2009 wichtige Pflöcke gesetzt.

Unsere Wahlstrategie geht davon aus, dass unsere Stärke im gemeinsamen Handeln besteht und von der Annahme, „dass DIE LINKE das gegenwärtige Niveau politischer Akzeptanz und Zustimmung bis zur Bundestagswahl 2009 halten und ihren politischen Einfluss auch im Wahlkampfzeiten behaupten kann“.

Ja, wir KÖNNEN das schaffen. Gemeinsam und miteinander.

Hier kandidieren an diesen zwei Tagen – nur auf den Listen gegeneinander – kluge, profilierte, gut vorbereitete Genossinnen, Fachleute, Juristen, Profis und politische Talente. Erfolgreiche KommunalpolitikerInnen, Bürgermeister sind darunter, auch  … Landtagsabgeordnete, die ihren gewonnenen Wahlkreis zum ersten oder schon zum zweiten Mal verteidigen. Die meisten von uns sind bestärkt durch ein sehr gutes Ergebnis bei den Kommunalwahlen. Jede und jeder kann auf ein kleines Team zurückgreifen, auf eurer Vertrauen und ganz viel ehrenamtlich geleistete Arbeit. Für uns alle Europa-, Bundestags- und Landtagsabgeordnete und -kandidatInnen kommt es nun darauf an, neben unseren politischen Aufgaben auch daraus täglich unsere Motivation und Überzeugungskraft zu entwickeln. Bei all unserer Erfahrung, liebe Genossinnen und Genossen: Wir betreten ab heute auch Neuland.

Dabei sind uns der politische Erfolg, das Vertrauen und der Zuspruch durchaus nicht sicher  in einer Zeit, in der politisch doch so vieles unsicher ist in unserem Land und in der Welt.

Ich wünsche uns miteinander an diesen zwei Tagen einen guten Verlauf und Wahlergebnisse, die uns ermutigen.

In diesem Sinne – erinnert euch:

Vorwärts, und nicht vergessen…
liebe Genossinnen und Genossen,
WORIN UNSRE STÄRKE BESTEHT!