opponieren, regieren, konsolidieren, verjüngen. DIE LINKE Brandenburg und ihre Aufgaben in den kommenden Jahren

1. Die bundespolitische Situation und DIE LINKE
Nach dem Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag mit 11,9 Prozent der Stimmen und den Erfolgen bei den Landtagswahlen 2009 ist die Partei DIE LINKE nicht nur in sechs ostdeutschen, sondern auch in sechs westdeutschen Landtagen vertreten.
DIE LINKE verändert die Außenpolitik und die Wirtschafts- und Sozialpolitik. DIE LINKE stellt Forderungen, die viele unterstützen. Oft können wir feststellen: DIE LINKE wirkt!
Die Mehrheit der Bevölkerung und die beiden christlichen Kirchen lehnen es ab, Deutschlands Sicherheit am Hindukusch zu verteidigen. Immer mehr Menschen wissen, der Krieg in Afghanistan ist nicht zu gewinnen. Sie wollen wie wir, das Krieg kein Mittel der Politik und dass das Völkerrecht die Grundlage der Außenpolitik ist.
Die linke Wirtschaftspolitik hat in der Finanzkrise eine Renaissance erlebt. Die Wirtschaftskrise hat die neoliberale Marktideologie in Frage gestellt. Diese Situation hat der Linken die Möglichkeit eröffnet, Elemente linker Wirtschaftspolitik in die Debatte zu bringen. Trotzdem hat es seitens der Bundesregierung keine Korrekturen zugunsten einer sozialeren Politik gegeben. Bisher haben vor allem Kurzarbeit und Abbau von Überstunden einen Kriseneinschlag aufschieben können und der Zusammenbruch der Banken wurde durch massiven Einsatz von Steuergeldern verhindert. Da aber die Forderung der Linken nach einer Regulierung des Finanzsektors und der Vergesellschaftung des Bankensektors nirgendwo ernsthaft in Angriff genommen wurde, wird mit dem Geld der Zentralbanken nicht die Realwirtschaft gestärkt, sondern die nächste Finanzblase finanziert. In bisher einmaliger Weise wurde deutlich, dass die Finanzindustrie die Politik bestimmt und nicht umgekehrt. Der deregulierte Finanzkapitalismus hat die Demokratie ausgehöhlt. DIE LINKE fordert daher die Regulierung der Finanzmärkte seit Jahren. Wir wollen, dass der Staat die Banken kontrolliert und reguliert. Wir wollen nicht, dass die Finanzindustrie die Politik kontrolliert und reguliert. Zu den Ursachen der weltweiten Finanzkrise gehört  die zunehmende ungleiche Verteilung der Vermögen und Einkommen. Ohne eine gerechtere Vermögensverteilung gibt es keine Demokratie, weil eine ungerechte Vermögensverteilung zu undemokratischen Machtstrukturen führt. Die abenteuerlichen Steuersenkungspläne der CDU/FDP-Regierung werden verheerende Auswirkungen auf die Haushalte der Länder und Kommunen sowie in der Arbeitsmarkt- und der Gesundheitspolitik haben. Steigende kommunale Gebühren und Abgaben werden die Bürgerinnen und Bürger stärker belasten.
Die sozialen Sicherungssysteme müssen in staatlicher Regie bleiben. Die Beitragsbemessungsgrenzen sind aufzuheben. Das Steuerrecht muss sozial sein und ökologisch gerecht wirken. DIE LINKE unterstützt den Kampf der Gewerkschaften und Sozialverbände für eine sofortige Anhebung der Regelsätze für Hartz IV-Empfängerinnen und -Empfänger. Wir fordern für diese Wahlperiode die Anhebung auf 500 Euro. Bei Hartz IV bleibt DIE LINKE bei ihrer Forderung aus den Wahlkämpfen „Hartz IV muss weg“. Es muss ein existenzsichernder, flächendeckender, gesetzlicher Mindestlohn eingeführt werden, der im Verlauf der Wahlperiode auf zehn Euro erhöht wird. Für Kinder und Jugendliche ist eine eigenständige Bedarfsermittlung vorzunehmen und eine bedarfsdeckende Kindermindestsicherung zu schaffen. Die anderen Parteien überarbeiten Hartz IV, weil wir sie dazu zwingen. Für den gesetzlichen Mindestlohn werben neben der Partei DIE LINKE und den Gewerkschaften jetzt auch SPD und Grüne. Dass die jetzige Rentenformel nicht zu halten ist, wird immer deutlicher. Die Einführung der Kapital gedeckten Rente erweist sich als eine historische Fehlentscheidung. Mit den Rentenreformen ist millionenfache Altersarmut programmiert. Die Sozialpolitiker der anderen Parteien rücken zumindest verbal von ihren bisherigen Beschlüssen ab.
DIE LINKE tritt für das Primat demokratischer Politik gegenüber der Wirtschaft sowie für einen sozialen und ökologischen Wandel ein. Alternative Wirtschaftspolitik zielt auf ein starkes Gewicht sozialstaatlicher Politik gegen deren Unterordnung unter Marktzwänge. Gewinnorientiertes unternehmerisches Handeln ist wichtig für Innovation und betriebswirtschaftliche Leistungsfähigkeit, führt jedoch zur Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, zunehmender sozialer Ungleichheit und Spaltung, wenn es nicht gesellschaftlichen Schranken und Regeln unterworfen wird. Die Verteidigung der Demokratie und die Sicherung der politischen Grundrechte für alle Menschen sind unverzichtbare Grundlagen für linke Politik.
Unsere Wahlerfolge verdanken wir diesen – in den letzten Jahren gemeinsam erarbeiteten und vertretenen – Forderungen. DIE LINKE ist für ihre Anhängerinnen und Anhänger die Partei des Friedens, der sozialen Gerechtigkeit und der ökologischen und  wirtschaftlichen Vernunft. Sie stimmt im Bundestag gegen Kriegseinsätze. Sie wendet sich gegen Sozialabbau, tritt in Regierungen dafür ein, öffentliche Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger nicht durch Personalabbau zu verschlechtern, Kürzungen sozialer Leistungen nach Kräften zu verhindern, und ist gegen die Privatisierung von Einrichtungen der Daseinsfürsorge. Sie streitet für den Ausbau dezentral erzeugter und genutzter erneuerbarer Energien. Sie will den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie sowie den mittelfristigen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung.
Mit diesen Forderungen waren wir bei den Bundestagswahlen und in Landtagswahlen erkenn- und unterscheidbar. Ohne den auf dem Berliner Bundesparteitag hart erstrittenen und von allen Teilen der Partei mitgetragenen Konsens wäre dies nicht möglich gewesen. Kern dieses Konsens´ war es, die in großer Zahl vorhandenen Gemeinsamkeiten aller Mitglieder der Partei deutlich vor die Differenzen zu stellen, den Meinungspluralismus als positive Entwicklungsbedingung für eine moderne Linke zu verstehen und auf eine vorsätzliche Personifizierung inhaltlicher Konflikte zu verzichten.  Nur so wird die Klärung und zugleich die in einer pluralistischen Partei unverzichtbare Koexistenz der Unterschiede in den Auffassungen möglich, ohne das Projekt einer neuen demokratischen Linken existenziell zu gefährden.

Die Programmdebatte umgehend beginnen
Vor gut zwanzig Jahren, im Herbst 1989, wurde die Alleinherrschaft der SED durch friedliche Proteste beendet. Die DDR stand kurz vor ihrem wirtschaftlichen und politischen Zusammenbruch. Die SED/PDS wurde zur Erneuerung gezwungen und brach mit dem Stalinismus als System.
Veränderung beginnt mit Opposition, dieses Motto war prägend für die Politik der PDS in den 1990-er Jahren. Aber Veränderung endet nicht mit Opposition – und so opponierte, diskutierte und auch regierte eine zunehmend erfolgreiche PDS. Im Jahr 2003, nach einer schmerzhaften Wahlniederlage, beschloss sie auf einem Bundesparteitag in Chemnitz ein Parteiprogramm, in dem der demokratische Sozialismus als Ziel, Bewegung und Wertesystem verankert wurde.
Die WASG entwickelte in ihrer jungen Geschichte ein Gründungsprogramm einer Protestbewegung mit gewerkschaftlicher Prägung. Es sollten möglichst viele Menschen angesprochen werden, ohne ideologische oder weltanschauliche Hürden aufzubauen.
Bei der Vereinigung beider Parteien zur Partei DIE LINKE konnte man sich zügig auf programmatische Eckpunkte verständigen, die das Parteiprogramm der neuen Partei sind und die – einmalig in der deutschen Parteienlandschaft – ehrlich bekannten, welche offenen Fragen einer Diskussion harren. Diese Eckpunkte enthielten in Verbindung mit den Wahlprogrammen ausreichend Anhaltspunkte für eine inhaltliche Profilierung der LINKEN in den politischen Auseinandersetzungen der vergangenen zwei Jahre. Damit war auch die Basis für die erfolgreichen Wahlkämpfe gelegt.
Das ein von allen anerkanntes Programm wichtig ist für die Identität einer Partei, für die Bindungskraft bei ihren Mitgliedern haben die Konflikte und Debatten der letzten Wochen nachhaltig unter Beweis gestellt. Beides, die Werteorientierung nach innen und die Profilierung nach außen, ist von hoher Bedeutung für DIE LINKE.
Es ist nicht ausreichend, aus den Wahlprogrammen für die Bundestagswahl und die Europawahl ein Parteiprogramm herzuleiten.
Was ist das langfristige Ziel der LINKEN? Was ist ihre Werteorientierung und welches Politikverständnis liegt dem politischen Handeln zur Durchsetzung eigener Ziele zugrunde? Welchen Nutzwert kann diese LINKE in den nächsten zwanzig Jahren darstellen? Eine programmatische Klärung dieser Fragen erwarten die Mitglieder unserer Partei und erwartet auch eine interessierte Öffentlichkeit. Diesen Erwartungen muss nun entsprochen werden.
Wir wollen, dass der neu zu wählende Parteivorstand erkennbar die Führung der Programmdebatte übernimmt. Die Programmkommission muss transparenter als bisher arbeiten, den Stand der gesellschaftlichen, linken und internationalen Debatte darstellen, die derzeitige Positionierung der LINKEN sichtbar machen und kontroverse Standpunkte einschließlich ihrer Begründung erläutern. Vor allem ist es wichtig, in Form öffentlicher Tagungen die Basis der Partei an der Entwicklung der Programmatik und an der Diskussion offener Fragen in einem demokratischen Prozess zu beteiligen. Durch diesen Weg soll eine längere, tiefgründige und breite Parteidebatte, eine Berücksichtigung der gesellschaftlichen Diskurse sowie eine möglichst transparente Streitform ermöglicht werden. Das heißt auch, dass Dissense nicht zu früh durch Kompromisse in Kommissionen vedeckt werden.
Darüber hinaus wollen wir unser Wissen aus der politischen Praxis in den Landesverbänden in Ost, West, Nord und Süd, in den früheren PDS- und WASG-Gliederungen, in der parlamentarischen und außerparlamentarischen Arbeit, in der Opposition und den Regierungen sowie aus der kommunalpolitischen Verankerung in die programmatische Debatte einbringen. Wir finden: Weder sollte ein Grundsatzprogramm an Regierungsnotwendigkeiten angepasst werden, noch darf es die Regierungsarbeit als politische Handlungsoption ausschließen. Dazu ist es notwendig, die Ebenen und die unterschiedlichen Reichweiten der verschiedenen Dokumente auseinander zu halten.
Für uns ist der Begriff des demokratischen Sozialismus von zentraler Bedeutung. Er ist für die Identität der Mitglieder und das Profil der LINKEN bei Wählerinnen und Wählern und in der breiteren Öffentlichkeit unverzichtbar. Er macht unsere Partei deutlich unterscheidbar zu anderen und ist auch eine Antwort auf manche Parteivereinigungsphantasien. Dabei sollten die mittelfristig erreichbaren Wege und Ziele im Zentrum stehen. Wir wollen einen Prozess umfassender Demokratisierung hin zu einer Gesellschaft, in der nicht mehr der Profit dominiert, sondern die freie Entwicklung aller gesichert ist. Dogmatische Einengungen müssen vermieden werden. Das verlangt auch klare Schlussfolgerungen aus dem „Realsozialismus“ der Vergangenheit.
Damit sind wir für alle Menschen offen, die, unabhängig von ihrer Herkunft und Lebenslage, unsere demokratisch-sozialistische Ziel-, Weg- und Werteorientierungen und –vorstellungen teilen.
Es geht um Gesellschafts- und Menschenbilder für linke Politik. Und es geht um ein schlüssiges Konzept, das der gegenwärtigen Gesellschaftsentwicklung entgegengesetzt werden kann. Ausgangspunkt unserer Programmatik sind die gegenwärtige gesellschaftliche Situation und die damit verbundenen Nöte und Sorgen der Menschen. Im Zentrum sollte der notwendige sozial-ökologische Umbau der Gesellschaft stehen.
Dass linke Politik nicht an den Grenzen von Nationalstaaten halt macht, sollte auch in der Programmdiskussion deutlich werden. DIE LINKE steht für europäische Integration. Als LINKE wenden wir uns gegen eine technokratisch und neoliberal geprägte EU. Es gibt Entwicklungen, die wir aufhalten müssen, wo wir eine Veränderungen anstreben: In der Außenpolitik muss die Militarisierung beendet werden. Es bedarf europäischer Antworten auf Wirtschafts- und Finanzkrisen, die sichern, dass die Verursacher zur Verantwortung gezogen und echte Alternativen gesucht werden – wir brauchen nicht nur eine Wirtschafts- und Währungsunion, sondern auch eine Sozialunion. Dem Vertrag von Lissabon, den wir weiterhin ablehnen, stellen wir daher unsere eigenen Konzepte entgegen. Trotz unserer Kritik ziehen wir uns nicht auf die nationale Ebene zurück. Wir wollen Europa verändern. Dazu muss eine starke LINKE, eine europäische Linke, sich für eine EU der Menschen einsetzten, die friedlich, sozial, demokratisch und ökologisch ist.
Schließlich muss mit Blick auf die Globalisierungsprozesse diese Sicht auch international erweitert werden. Sozialistische Programmatik setzt auf eine friedliche, das Völkerrecht achtende Außenpolitik, die vorhandene internationale Institutionen und Organisationen nicht negiert, sondern demokratisieren will und sich vor der Frage, wie und mit wem das gelingt, nicht drückt.
Diese Punkte werden Kernthemen eines neuen Programms für unsere Partei sein. Der brandenburgische Landesverband wird sich in die Diskussion darum intensiv einbringen. Nicht nur unsere Wahlerfolge bestätigen uns in dem Anspruch, uns auch zukünftig in den bundesweiten programmatischen und strategischen Debatten der Partei zu Wort zu melden. Wir wissen: Beständiger Erfolg auf allen Ebenen gelingt nur mit einem abgestimmten Handeln in Kommune, Land und Bund. Das ist unsere gemeinsame Verantwortung. Dabei ist der Blick auf die aktuellen Gegebenheiten und Problemlagen ebenso von Bedeutung wie unsere langfristigen gesellschaftspolitischen Zielstellungen. Die Menschen erwarten zu Recht von uns Antworten auf die Herausforderungen von heute und Klarheit über unsere Vorstellungen für morgen.

In den Jahren 2010/11 stehen wichtige Wahlkämpfe an.
Nach unseren Erfolgen im vergangenen Jahr müssen wir uns jetzt auf die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen konzentrieren. Im Mittelpunkt dieser Auseinandersetzung steht ein zentrales Thema unserer Bundestagswahlkampagne: Wer bezahlt die Folgen der Finanzkrise? CDU und FDP wollen die Wählerinnen und Wähler betrügen, indem sie die sozialen Kürzungen, die sie vorbereitet haben, vor dieser entscheidenden Wahl verschweigen. Es ist unsere Aufgabe, dieses Spiel zu durchkreuzen. Der Einzug der LINKEN auch in den nordrhein-westfälischen Landtag würde dazu führen, dass die Lasten der Finanzkrise gerechter verteilt werden. Mit den Landtagswahlen in den Jahren 2010/2011 in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin werden wir auch im Osten dazu beitragen. Bei den Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Bremen werden wir für eine stärkere parlamentarische Vernakerung der LINKEN im Westen kämpfen. Dafür lohnt es sich zu streiten. Mit außerparlamentarischen Kampagnen gegen den Afghanistankrieg, die Gesundheitsreform und die anhaltende Umverteilung von unten nach oben werden wir das in den kommenden Monaten unterstützen.
In mehr als 40 Kommunen des Landes Brandenburg stehen in den Jahren 2010 und 2011 Bürgermeisterwahlen an. 40-mal ist DIE LINKE gefordert zu entscheiden, mit welchem inhaltlichen und personellen Angebot sie sich dieser unmittelbaren kommunalen Verantwortung stellt.
Die Bundestagswahl und die Landtagswahlen in Ost und West haben bewiesen, DIE LINKE wird gebraucht und von Millionen Bürgerinnen und Bürgern gewählt und gewollt. Um ihre Zukunft müssen wir uns nicht fürchten, wenn wir es verstehen, diesen Willen und die Interessen unserer Wählerinnen und Wähler ins Zentrum unserer Anstrengungen zu stellen.

2. Die Situation in der Partei
Mit der Bundestagswahl ist deutlich geworden, dass nach dem Scheitern des parteikommunistischen Organisations- und Gesellschaftsverständnis auch die bisherige zentralistische Parteipraxis der SPD am Ende ist und keine Zukunftsoption für eine neue moderne, demokratische, linke Partei darstellt. Die Basta-Demokratie, der antidemokratische Autoritarismus von Schröder und Müntefering hat maßgeblich mit zum jetzigen Zustand der SPD beigetragen. DIE LINKE muss sich also ihr neues Organisationsverständnis jenseits der gescheiterten Modelle suchen. Dabei steht sie erst am Beginn der Erarbeitung eines entsprechenden Selbstverständnisses. Zentrale Elemente sollten dabei die Sicherung und die Erweiterung der innerparteilichen Demokratie, die Stärkung der Mitwirkungsrechte der Mitglieder sowie die Gewährleistung von Transparenz bei der innerparteiliche Entscheidungsfindung sein.
Die Wochen vor unserem Landesparteitag waren von einer Führungskrise auf der Bundesebene gekennzeichnet. Der Parteiführung und den Akteurinnen und Akteuren in der Partei muss es in den kommenden Wochen bei der Vorbereitung des Bundesparteitages und in dessen Ergebnis wieder gelingen, länder- und flügelübergreifend in der politischen Arbeit an dem auf dem Berliner Bundesparteitag erzielten Konsens anzuknüpfen. Die Spitzen der Partei, die Mitglieder des Bundesvorstandes, des Bundesausschusses und die Bundesparteitagsdelegierten tragen eine besondere Verantwortung dafür, das dieser Konsens dauerhaft trägt, er über alle Konflikte hinweg immer wieder neu hergestellt wird und dafür, dass die Partei als Ganzes den Versuchungen, den Sieg der einen Position über die andere zu organisieren, widersteht. Jeder der einen solchen „Sieg“ in welcher Form auch immer anstrebt, kämpft zugleich für eine erneute historische Niederlage der deutschen Linken. Der brandenburgische Landesverband wird sich solchen Tendenzen energisch widersetzen.
Die Partei muss die Konflikte der vergangenen Monate in einer Weise aufarbeiten, die ihre Strukturen und ihr Selbstverständnis nicht beschädigt sondern in positiver Weise weiter entwickelt. Dafür ist es notwendig, sich auf bestimmte Grundsätze zu besinnen:
1. In der Partei muss nach Regeln gearbeitet werden – nach satzungsrechtlichen Regeln, arbeitsrechtlichen Regeln und den Regeln des solidarischen Umgangs miteinander.
2. Inhaltliche Konflikte in der Partei müssen politisch ausgetragen und von den zuständigen Gremien entschieden werden, im Wesentlichen von den für die Klärung zuständigen Parteitagen der jeweiligen Ebenen. Inhaltliche Auseinandersetzungen dürfen nicht durch personalpolitische Entscheidungen ersetzt werden.
3. Dass Positionen von der Partei durch Wahl besetzt werden, darf keine Formsache sein. Dieses Recht der Partei, verkörpert im Recht des Parteitags, darf nicht geschwächt werden. Das gilt gerade auch dann, wenn sich in den Personalentscheidungen der Partei inhaltliche Differenzen ausdrücken.
4. Auseinandersetzungen sollten nicht als West-Ost-Konflikt inszeniert werden, sonst droht ein massiver Rückschlag für das Zusammenwachsen der Partei. Die Kritik an der Koalitionsvereinbarung von Brandenburg aus den Landesverbänden West, wie die Kritik aus Ostlandesverbänden am Wahlprogramm von NRW spiegelt auch die unterschiedliche gesamt-politische Situation, in der sich die Partei in ihren verschiedenen Landesverbänden befindet, wieder. Die gesellschaftliche Realität im Osten ist in zentralen Handlungsfeldern eine andere als in Teilen des Westens. Das lässt sich im Interesse gemeinsamen Handelns weder durch „rote Linien“ noch durch die Rückkehr zu zentralistischen Politikvorstellungen klären. Notwendig ist die gleichberechtigte und demokratische Organisation von Vereinigungs- und Verständigungsprozessen. Das Inszenieren von Entscheidungsschlachten auf machtpolitischer Ebene kann solche Prozesse dagegen nur blockieren.

3. Die Aufgaben im Landesverband
Die Situation im Landesverband ist durch eine große Dichte von unterschiedlichen Herausforderungen und Problemen gekennzeichnet.
Die Bewältigung von sechs unterschiedlichen Wahlkämpfen in nur 18 Monaten hat in einem sehr geringen Maße Zeit für innerparteiliche Verständigungsprozesse gelassen und forderte die Kräfte des Landesverbandes und auch der Leitungen in fast nicht zu bewältigender Weise. Hinzu kamen Findungsprozesse der noch sehr jungen LINKEN. Daraus resultieren eine hohe politische Verunsicherung der Akteure und Multiplikatoren auf allen Ebenen in der Partei sowie vielfältige innerparteiliche Auseinandersetzungen um den politischen Kurs und die strategische Ausrichtung. In Brandenburg koppelten sich diese Probleme mit den bei Listenaufstellungen immer vorhandenen personellen Auseinandersetzungen und spitzten diese zusätzlich zu.
Zugleich ist diese Partei eine neue geworden.
Die neu installierten Gremien erfüllen die ihnen im Statut übertragenen Aufgaben noch nicht optimal. Die innerparteiliche Willensbildung ist dadurch an vielen Stellen und in unterschiedlicher Weise unterbrochen. Vorstände, Ausschüsse und Fraktionen bilden oft nur zu kleine Ausschnitte der real existierenden Meinungen ab und entscheiden daher mitunter ohne ausreichende Kenntnis der Interessenlagen und Meinungsvielfalt, nicht nur der Mitglieder der Partei sondern auch der Wählerinnen und Wähler. Andererseits fällt es immer mehr Mitgliedern auch schwer, sich in gewohnter Weise intensiv in die vielfältigen Diskussionsprozesse und schnellen wie komplexen Informationsabläufe einzubringen.
Auch die Mitgliedschaft der LINKEN hat sich enorm verändert. Die Nachwendegeneration der lange Zeit die PDS prägenden Mitglieder verlässt nach und nach die politische Bühne , eine neue Generation betritt sie, die zum Teil völlig neu in die Politik kommt mit teilweise völlig anderen kulturellen und sozialen Prägungen und mitunter keinerlei praktischen politischen Erfahrungen. Ein großer Teil dieser neuen Genossinnen und Genossen ist sehr jung, woraus auch Dissonanzen zu dem älter werdenden Teil der PDS-Mitglieder und mitunter zum bisherigen Parteiaktiv entstehen. Ehemalige Mitglieder der WASG fühlen sich oft in der neuen LINKEN noch zu wenig willkommen oder hatten sich eine größere, auch persönliche Akzeptanz in ihren Gliederungen erhofft. Hinzu kommt, dass zu wenige Mitglieder bisher bereit sind, die Interessenlagen anderer politischer Handlungsebenen als wichtig für die eigene Meinungsbildung oder das eigene Handeln zu betrachten. Interessen der Kreis-, Landes- oder auch Bundesebene werden zu selten in ihrem Zusammenhang gesehen und respektiert. Mitdenken der jeweils anderen Ebene ist angesichts unserer neuen Position im Land jedoch umso wichtiger. Die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und die Unterstützung gewerkschaftlicher Aktionen im Rahmen der inhaltlichen Gemeinsamkeiten sind zentrale Aufgaben des Landesverbandes.
Unsere neue Rolle als Regierungspartei in Brandenburg stellt an jeden von uns völlig neue Anforderungen. Bevor wir den neuen Erwartungen von Bürgerinnen und Bürgern an uns gerecht werden können, müssen wir selbst diese kulturelle Herausforderung nach 20 Jahren Opposition meistern.
Wir wollen uns diesen Herausforderungen mit einem Projekt 2020 stellen.

Der Erhalt der LINKEN als Mitgliederpartei
Neue Mitglieder, allein über 650 seit Gründung der Brandenburger LINKEN, aber auch der gleichzeitig noch immer hohe Altersdurchschnitt unserer Partei sind ein wichtiger Ausgangspunkt, Strukturen immer wieder auf den Prüfstand zu stellen und die Mitarbeit und Entscheidungsfähigkeit der Genossinnen und Genossen zu fördern. Nach wie vor hat DIE LINKE Brandenburg nicht etwa zu viele alte Mitglieder, sondern zu wenig junge. Von den 9.127 Mitgliedern zum Jahresende 2008 waren gerade 3 % unter 30 Jahren und auch nur weitere 3 % unter 40 Jahren. 52 % unserer Mitglieder waren zu diesem Zeitpunkt bereits älter als 70 Jahre. Obwohl diese Tatsache uns bereits einige Jahre begleitet und die Anstrengungen zur Mitgliederwerbung in dieser Zeit zugenommen haben, hat sich an diesem Zustand nichts Grundlegendes geändert. Es ist jedoch auch keine weitere Verschlechterung eingetreten. Der Altersdurchschnitt liegt weiterhin bei 66,8 Jahren.
Zugleich stehen wir vor der Aufgabe eine organisatorische Neuaufstellung der Partei einzuleiten.
Wir brauchen ein Mitgliederprojekt 2020 für den Landesverband Brandenburg. Dabei kommt es immer wieder darauf an, nicht nur thematisch an den Problemen der Menschen dran zu sein, sondern sie auch in der Art und Weise, wie wir sie ansprechen, mitzunehmen. Vielfalt der Perspektiven, Lebenserfahrungen und kulturellen Zugänge zu fördern und zu nutzen, Gemeinsamkeiten durch Debatten zu erringen und gemeinsam für politische Ziele zu streiten – das soll ein Markenzeichen unserer Partei sein. Wir sollen im Rahmen der interkulturellen Öffnung besonderes Augenmerk darauf richten, die Menschen mit Migrationshintergrund stärker an die Partei zu binden und zu fördern. Wir wollen neuen wie „alten“ Mitgliedern eine Heimat und politische Entfaltungsmöglichkeiten bieten.
Dies wird nicht von selbst kommen. In den nächsten drei Jahren hat DIE LINKE. Brandenburg voraussichtlich keine Wahlkämpfe als Landesverband zu bestreiten. Daher sollten wir diese Zeit für eine Mitgliederkampagne nutzen. Ziel sollte es sein, als Landesverband in den nächsten drei Jahren eine Vielzahl neuer Mitglieder zu gewinnen. Diese personelle Stärkung des Landesverbands kann letztendlich nur durch eine glaubhafte und an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtete Politik geschehen. Die konkreten Zielsetzungen sollten in den kommenden Monaten mit und in den Kreisverbänden sowie vor allem auch mit dem Jugendverband diskutiert werden. Zu dieser Diskussion gehört auch eine Debatte, ob und wie die im Landesverband vorhandenen finanziellen Rücklagen zum Teil mit für diese Kampagne genutzt werden können. Diese Debatte sollte bis zur 2. Tagung des 2. Landesparteitages zu einem Ergebnis geführt werden.

Eine neue Etappe in der Parteireform
Wir wollen dem Thema Kommunikation künftig Priorität einräumen. Kommunikations- und Informationswege im Landesverband müssen effizienter werden. Es liegt in der Verantwortung des Landesvorstandes und der Kreisvorstände, geeignete vernetzte Informationsstrukturen weiter zu entwickeln. Dazu gehört neben einem sinnvollen System von Beratungen und Konferenzen der deutliche Ausbau eines sicheren Netzes elektronischer und verbaler Kommunikation. Die Kreisverbände bestimmen aber selbst, wie schnell und wie gut wichtige Informationen und Debatten kommuniziert werden.
Wir wollen Schlussfolgerungen aus dem Verfahren zur Koalitionsbildung ziehen. So wollen wir eine innerparteiliche Diskussionskultur fördern, die sachliche Kritik ermöglicht. Sie soll von gegenseitigem Vertrauen und Respekt getragen sein. Zugleich wollen wir an die guten Erfahrungen mit den Regionalkonferenzen anknüpfen.
Gleichzeitig wollen wir Anstrengungen unternehmen, die Arbeitsfähigkeit der Parteigliederungen auch in Zukunft zu erhalten. Das wird auch weiterhin zum größten Teil nur ehrenamtlich gehen. Politische Arbeit darf aber nicht zu physischer Überlastung führen. Wir wollen auf eine enge Verknüpfung unserer Arbeit mit der der Abgeordneten setzen. Wir wollen uns auf Landesebene strukturell neu sortieren und fordern die Kreisverbände auf, ihre Strukturen ebenfalls modernen Anforderungen anzupassen. Dazu gehört eine Analyse der Arbeitsfähigkeit in allen Kreisverbänden und eine Auswertung der Erfahrungen des neu gegründeten Kreisverbandes Lausitz.
Dabei wollen wir auch über die Regionalisierung unserer Arbeit nachdenken. Ziel ist es, die Aktions- und Kampagnenfähigkeit des Landesverbandes zu sichern. Sinkende hauptamtliche Ressourcen müssen durch ehrenamtliche Aktivitäten in den Kreisverbänden kompensiert werden. Dazu wollen wir das Ehrenamt stärken und unterstützen.
Wichtig ist dabei ein effizientes Zusammenwirken haupt- und ehrenamtlicher Strukturen. In vielfacher Form wird Parteiarbeit bereits durch viele GenossInnen in den Kreisen ehrenamtlich geleistet. Ohne sie wäre unser Landesverband nicht arbeitsfähig und dies verdient unsere uneingeschränkte Anerkennung.

Die Programmdebatte mit ganzer Kraft führen. Politische Bildung stärken.
Der Landesverband wird sich mit all seinen Erfahrungen in die bundesweite Programmdebatte einbringen. Ziel ist es, inhaltliche Konflikte produktiv zu machen. Diskussionen verstehen wir nicht als Konflikt, sondern als Teil einer inhaltlichen Profilschärfung und gemeinsamer Aneignung. Wir rufen alle Mitglieder zur aktiven Teilnahme an dieser Debatte auf.
Wir wollen die Programmdebatte mit politischer Bildungsarbeit verknüpfen. Dabei sollen vielfältige und zeitgemäße Formen politischen Lernens zur Anwendung kommen und die unterschiedlichen neuen Wege individuellen und gemeinsamen Lernens Berücksichtigung finden. Wir wollen damit so viele Mitglieder wie möglich erreichen und in die Diskussions- und Lernprozesse einbeziehen. Wir wollen, dass Programmdebatte und politische Bildung feste und selbstverständliche Bestandteile unserer politischen Praxis werden.
Gerade die Programmdebatte bietet begleitend die Möglichkeit, zu einzelnen Positionen unserer Partei Informations- und Bildungsveranstaltungen anzubieten. Die politische Bildungsarbeit ist ein wichtiges Standbein unseres Landesverbands, da sie unsere Mitgliedern sowohl in Wahlkämpfen als auch in der alltäglichen politischen Praxis ermöglicht, linke Standpunkte inhaltlich zu vertreten und politisch durchzusetzen.

Die innerparteiliche Demokratie stärken.
Eine Partei und ihre Politik lebt von der Mitarbeit und dem Engagement ihrer Mitglieder. Innerparteiliche Diskussionen sind nötig und wichtig. Wir wollen deshalb die dafür vorgesehenen Gremien (Vorstände, Landesausschuss, Kleiner Parteitag) weiter stärken und der Gremienarbeit das nötige Gewicht im Landesverband einräumen. Ziel ist es, die Mitgliedschaft in die Lage zu versetzen, die Politik des Landesverbandes – wie z. B. die Regierungsarbeit – nicht nur nachzuvollziehen, sondern ihr auch eine aktive Mitwirkung zu ermöglichen. Die  bisher erprobten Schritte um mehr Mitsprache bei der Beschlussfassung im Landesvorstand zu ermöglichen, müssen konsequent ausgebaut werden. Der Landesvorstand unterstützt und stärkt die Tätigkeit der landesweiten Zusammenschlüsse, organisiert gemeinsame Beratungen und berücksichtigt die Arbeitsergebnisse und -materialien der Arbeitsgemeinschaften. Wichtige Beschlüsse sollen noch mehr als bisher in mehreren Lesungen im Landesvorstand und im Landesausschuss beraten werden. Der Landesausschuss soll seine Funktion als Kontrollgremium gegenüber dem Landesvorstand stärker wahrnehmen. Auch Landesparteitage sollen stärker für die innerparteiliche Debatte genutzt werden. Unser Ziel ist es, über den Landesparteitag, den Landesvorstand, den Landesausschuss und die Kreisvorstände einen innerparteilichen Meinungs- und Willensbildungsprozess zu organisieren, der Transparenz sicherstellt und Verbindlichkeit schafft. Die Delegierten und Mitglieder dieser Gremien müssen sich mehr als nur als Vertreter ihrer jeweiligen Region verstehen. Wir wollen ein stärkeres Bewusstsein dafür schaffen, welche Belange im Landesmaßstab bei politischen Entscheidungen zu beachten sind.

Über die Rolle des Jugendverbandes
Zu einer Verjüngung der Partei gibt es keine Alternative. Dazu soll nicht nur das Mitgliederprojekt beitragen, sondern auch eine verstärkte Zusammenarbeit mit dem Jugendverband. Die Linksjugend [’solid] hat in den vergangenen Jahren eine erfreuliche Entwicklung genommen. Die Zahl der aktiven Mitglieder entwickelt sich positiv, Angebote des Landesjugendverbandes werden zunehmend genutzt und die Arbeit der Landesgeschäftsstelle wurde professionalisiert. 2008 und 2009 gelang es, den Jugendverband in die zu bewältigenden Wahlkämpfe, ihre politisch-strategische Planung und Auswertung sowie in die programmatischen Debatten einzubeziehen. Die Zusammenarbeit zwischen Landespartei und Jugendverband hat sich so stetig verbessert, zunehmend übernehmen junge Mitglieder Verantwortung auf Kreis- und Landesebene. Zukünftig soll der Jugendverband noch stärker in die Arbeit der Partei eingebunden werden. In der täglichen politischen Arbeit ist es jedoch wichtig, dem Jugendverband weiterhin den nötigen Freiraum zu schaffen, Politik nach seinen Vorstellungen und strategischen Zielstellungen zu gestalten.

Gemeinsame Projekte wie die erfolgreichen Mobilisierungen gegen Naziaufmärsche und die durchgeführten Volksinitiativen sollen weiterhin gefördert werden. Insbesondere in das zu planende Mitgliederprojekt wird die Linksjugend [’solid] als eine wichtige Stütze einbezogen werden und auch in der anstehenden Programmdebatte trägt der Jugendverband eine Mitverantwortung.

Der angestrebte Generationswechsel in der Partei ist nur durch enge Zusammenarbeit und steten Austausch realisierbar. Eine weitere Stärkung des Jugendverbandes ist mithin Voraussetzung für den weiteren Aufbau der Landespartei.