2.2.1 Ärztemangel bekämpfen

Wir wollen die ambulante medizinische Versorgung in allen Regionen des Landes sicherstellen. Überall in Brandenburg muss es ausreichend Hausärztinnen und Hausärzte sowie erreichbare Fachärztinnen und Fachärzte mit ausreichend Terminen geben. Die zeitraubende und frustrierende Suche nach Haus- oder Fachärztinnen und -ärzten muss überwunden werden. Wie früher wollen wir Polikliniken bzw. Medizinische Versorgungszentren (MVZ) in kommunaler Hand, in denen Patientinnen und Patienten wohnortnah und ganzheitlich versorgt werden können und den Ärztinnen und Ärzten die Möglichkeit eines Anstellungsverhältnisses mit guten Arbeitsbedingungen und geregelten Arbeitszeiten bieten.

In Brandenburg suchen derzeit knapp 700 Hausärztinnen und -ärzte eine Nachfolge. 330 hausärztliche Kassensitze sind unbesetzt. Das Durchschnittsalter der Hausärztinnen und -ärzte liegt bei 54,4 Jahren und rund 37 Prozent der behandelnden Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner waren 2023 älter als 60 Jahre. Die Zahl der potenziellen Nachfolgerinnen und Nachfolger ist auf absehbare Zeit deutlich geringer als die Zahl der sich zur Ruhe setzenden Ärztinnen und Ärzte – auch im fachärztlichen Bereich, hier fehlen momentan 170 Fachärztinnen und Fachärzte. Immer weniger Nachwuchsärztinnen und -ärzte lassen sich als Hausärztinnen und -ärzte nieder, sie bevorzugen Angestelltenverhältnisse und Teilzeitmodelle. Sie scheuen das unternehmerische Risiko einer Selbstständigkeit. Ebenso wird die überbordende Bürokratie im Praxisalltag als Hindernis für die Niederlassung wahrgenommen. So müssen Medizinerinnen und Mediziner in einer klassischen Ein-Personen-Praxis oft mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit bürokratischen Prozessen verbringen. Praxisinhaberinnen und -inhaber kommen so häufig auf eine Wochenarbeitszeit von deutlich über 50 Stunden. Ärztinnen und Ärzte in Anstellungsverhältnissen können sich hingegen viel mehr auf ihre medizinische Kerntätigkeit, die Arbeit mit den Patientinnen und Patienten, fokussieren. In der Folge droht in vielen Regionen eine ärztliche Unterversorgung.

Wir wollen auch die psychosoziale und psychiatrische Versorgung verbessern. Die Zahl der psychischen Erkrankungen ist in den vergangenen Jahren auch in Brandenburg stark gestiegen – die Zahl der Therapieplätze aber nicht. Psychische Erkrankungen sind nicht nur ein individuelles, sondern auch ein gesellschaftliches Problem. Sie werden durch prekäre und überlastende Arbeitsverhältnisse, Armut, Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen verstärkt. Auch die gesamte Gesellschaft leidet, wenn Menschen dauerhaft krank werden und nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr arbeiten können – gerade in sozialen Berufen, wo die psychische Belastung besonders hoch ist. Obwohl Prävention sowie frühzeitige Intervention und Behandlung wichtig sind, um schwerwiegende Krankheitsverläufe zu verhindern, warten Betroffene oft lange auf einen kassenärztlichen Behandlungs- oder Therapieplatz, besonders im ländlichen Raum.

Unsere Projekte:

  • Landarztstipendium wiederbeleben: Pro Semester werden wir wieder 50 Stipendien vergeben, wenn sich Medizinstudentinnen und -studenten nach dem Studium verpflichten, in Brandenburg tätig zu werden. Damit sichern wir kontinuierlich die ambulante Versorgung in der Fläche und binden zusätzlich zukünftige Studierende des Innovationszentrums Universitätsmedizin Cottbus/Chóśebuz (IUC) und der Medizinischen Hochschule Brandenburg (MHB) an das Land Brandenburg.
  • Förderprogramm Niederlassung: Gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KVBB) und den Kommunen werden wir ein Förderprogramm auflegen, um Ärztinnen und Ärzte für die Niederlassung in unterversorgten Regionen zu gewinnen.
  • Zusammenarbeit von IUC und MHB fördern: Zukünftig werden an der neuen Universität in Cottbus/Chóśebuz Medizinerinnen und Mediziner ausgebildet. Daneben hat sich seit Jahren das Medizinstudium an der kommunal getragenen MHB etabliert und die ersten dort ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte arbeiten im Land. Wir wollen, dass beide Universitäten stärker kooperieren. Die Forschungsförderung von mindestens 5 Millionen Euro für die MHB werden wir deshalb verstetigen und gemeinsame Forschungsprojekte von IUC und MHB gezielt fördern.
  • Regionale Bedarfsplanung vorantreiben: Wir werden dafür sorgen, dass das Land bei der Ausweisung von Kassenarztsitzen künftig mitentscheiden kann. Bisher entscheiden die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg (KVBB) mit den Krankenkassen allein über die ambulante Versorgungsstruktur. Vielfach gelten Regionen als überversorgt, doch vor Ort eine niedergelassene Ärztin oder einen niedergelassenen Arzt zu finden ist schlicht unmöglich. Das muss sich ändern. Wir sorgen dafür, dass das Land künftig gemeinsam mit der KVBB, den Krankenkassen und Krankenhausträgern eine regionale und sektorenübergreifende Bedarfsplanung vornimmt, um die medizinische Versorgung zu sichern. An der dringend notwendigen Überarbeitung der Kriterien müssen alle Akteure beteiligt werden.
  • Kommunale MVZ bzw. Polikliniken aufbauen: Um die ambulante Versorgung zu stärken, werden wir ermöglichen, dass Kommunen selbstständig Medizinische Versorgungszentren oder Polikliniken gründen können. Dazu werden wir die bestehenden gesetzlichen Hürden abbauen und die Gründung gezielt fördern. Damit kommen wir dem Wunsch vieler Ärztinnen und Ärzte nach, die ambulant tätig sein wollen, aber die Risiken der Selbständigkeit scheuen. Gleichzeitig stellen wir die Versorgung in der Fläche sicher.
  • Mobile Angebote schaffen: Um den Ärztemangel in dünnbesiedelten Regionen zu begegnen, werden wir zukünftig mobile Angebote schaffen. Eine rollende Arztpraxis kann wirksam die Unterversorgung eindämmen, indem sie immobile Patientinnen und Patienten auf dem Land versorgt.
  • AGNES – Gemeindeschwestern braucht das Land: Um Hausärztinnen und -ärzte zu entlasten, ist der flächendeckende Einsatz von Gemeindeschwestern unbedingt notwendig. Wir werden ermöglichen, dass diese nach entsprechender Qualifikation ärztliche Tätigkeiten wie selbständige Wundversorgung, Hausbesuche, Blutentnahmen etc. übernehmen können. Damit die Gemeindeschwestern allen gesetzlich Versicherten zugutekommen können, werden wir alle Kassen als Kostenträger in das Projekt einbinden.
  • Digitalisierung vorantreiben: Ob E-Rezept, elektronische Patientenakte oder elektronische Krankschreibung, die Digitalisierung schreitet voran. Dies ist sinnvoll, wenn sie das Leben und die Arbeit erleichtert. Weniger sinnvoll ist es, wenn die technischen und infrastrukturellen Voraussetzungen mangelhaft sind. Deshalb werden wir den digitalen Ausbau gezielt fördern und zwischen allen Beteiligten abgestimmte und einheitliche Lösungen schaffen. Mehr Digitalisierung kann nicht das persönliche Gespräch zwischen Ärztin bzw. Arzt und Patientin bzw. Patient ersetzen. Übergangsweise müssen alternative analoge Angebote vorgehalten werden.
  • Bürokratie abbauen: Die Ärzteschaft soll sich zuallererst um ihre Patientinnen und Patienten kümmern. Deshalb werden wir den bürokratischen Wahnsinn reduzieren, der dazu zwingt, einen Großteil der Zeit administrativen Arbeiten zu opfern. Das entlastet die Fachkräfte und schafft Behandlungsressourcen.
  • Gerechte Vergütung: Fachärztliche Qualifizierung und Weiterbildung sowie die allgemeine Preisentwicklung müssen sich auch in der Höhe der Honorare widerspiegeln. Aufgrund der demografischen Entwicklung benötigen wir z.B. mehr Rheumatologinnen und Rheumatologen sowie und Diabetologinnen und Diabetologen. Ihre Vergütung werden wir anpassen.