Fortschritte beim Leitbild für die Hauptstadt-Region
Jetzt ein Leitbild für ganz Brandenburg schaffen!
Erste Stellungnahme zum Leitbild-Entwurf der Landesregierung und des Senates von Berlin.
I. Der von der Landesregierung und dem Berliner Senat vorgelegte Entwurf für ein Leitbild ist in wichtigen Teilen neu gefasst; er nimmt kritische Akzente der bisherigen Debatte auf, enthält manchen Fortschritt und ermöglicht zugleich die nötige Auseinandersetzung. Viele Ideen, die die Linkspartei.PDS in der bisherigen Debatte entwickelt und eingebracht hat, wurden darin verankert. Nicht hinreichend verankert wurde der Ansatz von einem „Brandenburg der Regionen“. Er klingt zwar hier und da an, ist aber nicht Ausgangspunkt der Leitbildüberlegungen – und so bleibt eine unabweisbare Tatsache ausgeblendet: Brandenburg ist mehr als die Metropolen-Region. Und auch die Metropolenregion im engeren Sinne ist mehr als Berlin. Der Senat von Berlin hat sich erkennbar für seine Stadt, für Weltoffenheit, kulturelle Vielfalt und soziale Verantwortung stark gemacht und seine Interessen zur Geltung gebracht – das wäre von der brandenburgischen Landesregierung für unser Bundesland auch zu erwarten gewesen. Alarmierend ist, dass sich die unterstützenswerten Elemente des Leitbildes nicht oder nicht hinreichend im Vorentwurf zum Gemeinsamen Landesentwicklungsprogramm widerspiegeln.
II. Die jetzt anstehende Debatte gehört in das Parlament und in die breite Öffentlichkeit; sie wird länger brauchen als nur einen Monat und tiefer gehen müssen, als es die jetzt vorliegenden Papiere tun. Unverbindliche Formulierungen sind zu konkretisieren und die Details der Landesplanung in Übereinstimmung mit dem Leitbild zu bringen. Die Linkspartei.PDS sichert den Brandenburgerinnen und Brandenburgern sowie der Landesregierung nicht nur eine gründliche Prüfung sowie darauf beruhende Alternativvorschläge zu, sondern wird ein eigenständiges Konzept vorlegen.
III. Die Linkspartei.PDS unterstützt sehr die Absicht, die Kräfte von Berlin und Brandenburg im Interesse der Region zu bündeln. Das setzt aber voraus, die Stärken zu kennen und die Kräfte zu bestimmen – und zwar nicht nur den Ist-Zustand, sondern auch in der Perspektive. Das Leitbild für die Hauptstadtregion wird seinem Namen völlig gerecht: Es rückt Berlin in das Zentrum. In Potsdam hingegen ist man zu sehr von der Nähe zu Berlin betört und zu sehr auf das Städtische fixiert. Daran ändert auch nichts, dass jetzt an Stelle von „peripheren Regionen“ von gleichberechtigten Teilräumen gesprochen wird und andererseits das unbestreitbar vorhandene Gewicht Berlins hinter der Idee von einem „Polyzentrismus“ in der Region versteckt wird. Das frühere faktische Leitbild der dezentralen Konzentration hat die Landesregierung zwar offiziell verabschiedet, aber nie kritisch bewertet und ausgewertet. So verwundert es auch nicht, dass der Polyzentrismus aus finanzpolitischer Sicht wie die reduzierte Wiederkehr der dezentralen Konzentration erscheint – administrativ nichts Neues, allerdings weniger Städten zugute kommend und in der Konsequenz der weitergehende Rückzug aus den ländlichen Räumen. Die Städte werden zudem fast ausschließlich in ihrem Bezug zur Bundeshauptstadt definiert.
IV. Wichtig ist der Blick auf die Region Berlin-Brandenburg als Nahtstelle zu den Wachstumsregionen Mittel- und Osteuropa wie auch Skandinavien. Damit wird der Blick auch über die Landesgrenzen hinaus auf Kraftzentren wie Hamburg und Szczecin mit ihren Potenzialen frei – und damit können auch die brandenburgischen Außenregionen in ihrer Bedeutung als Räume nicht am Rand, sondern zwischen Metropolen angemessener erfasst werden. Vor allem aber kann ein solcher Zugang einerseits die wirkliche Spezifik unserer Region erfassen und die europäische Integration und die Globalisierung als positive Herausforderung zu verstehen ermöglichen. Hierin liegt einer der Fortschritte im Leitbild-Entwurf, an dessen Ausgestaltung und Weiterführung wir uns intensiv beteiligen wollen. Das gilt auch für die Betonung von Weltoffenheit und Zuwanderung als bereicherndem Moment. Nun muss sich zeigen, ob auch in Brandenburg beide Koalitionspartner den Willen aufbringen, an dieser Linie langfristig festzuhalten und sie engagiert auszugestalten. Angesichts der klar zu Tage liegenden Differenzen zur Einbürgerungsfrage scheint dies offen; wir werden darum kämpfen, dass dieser positive Ansatz die brandenburgische Politik und Realität auch tatsächlich prägt. Gerade weil Weltoffenheit, Internationalität und Toleranz so wichtig für die Gesamtregion sind, hätten angesichts der teils bedrohlichen Realitäten einige klare Aussagen zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit getroffen werden müssen.
V. An anderen Stellen bleibt der Leitbildentwurf unkonkret und allgemein. Zu Innovation, Bildung und wissensbasierter Wirtschaft wird viel Richtiges gesagt – das in dieser Allgemeinheit allerdings universell gilt. Es fehlen handhabbare Aussagen dazu, welche zukunftsfähigen Branchen, welche modernen Industrien, welche wissensintensiven Dienstleistungen in der Region besonders gute Ausgangsbedingungen finden und hier entwickelt werden sollen; das produzierende Gewerbe kommt gar nicht vor. Die Forderungen zu Kita, zu Bildung, zu lebenslangem Lernen sind durch die derzeitige Landespolitik in Brandenburg nicht gedeckt. Aussagen zur Notwendigkeit und Ausgestaltung öffentlich geförderter Beschäftigung fehlen.
VI. Ein Leitbild wird nur dann ein wirkliches Leitbild, wenn es in der Gesellschaft mit Leben erfüllt wird, wenn es sich angesichts der Lebensbedürfnisse der Menschen als tauglich erweist. Das kann nicht der Staat für die Menschen leisten – sondern die Menschen müssen bei der Organisierung und Umsetzung ihrer Lebensbedürfnisse den Staat als hilfreich erleben. Insofern setzen auch wir auf Modernisierung von Staat und Verwaltung, auf Abbau von Bürokratie und auf Konzentration seiner Arbeit. Jedoch leitet uns dabei mehr als die Sicht auf abnehmende Handlungsspielräume. Es gilt also nicht, staatliche Tätigkeit einfach im Verhältnis zu abnehmenden Ressourcen zu reduzieren – die Aufgabe besteht vielmehr in der gesellschaftlichen Neudefinition staatlicher Aufgaben und der Bestimmung der dafür notwendigen Strukturen und Institutionen – insbesondere für Bürgerbeteiligung und Einbeziehung aller zivilgesellschaftlichen Akteure. Das steht noch aus; wir werden darauf drängen und unseren Beitrag leisten.
VII. Das Leitbild favorisiert ein künftiges gemeinsames Bundesland, ohne sich in dieser Hinsicht näher festzulegen. Schon jetzt sind auf diese Weise zehn Jahre verschenkt worden; offensichtlich betrachtet man es in Potsdam als hinreichend, einfach nur abzuwarten, bis aus dem demoskopischen Trend zugunsten der Fusionsbefürworter eine stabile Mehrheit in den Umfragen geworden ist. Eine solche rechnerische Mehrheit scheint angesichts des Bevölkerungszuwachses im Umland Berlins und des allgemeinen Bevölkerungsrückganges in Brandenburg absehbar. Aber auch dann wird nicht jede x-beliebige Art der Fusion den Interessen und der Interessenvielfalt in Brandenburg entsprechen können. Die Fehler der brandenburgischen Landespolitik in der ersten Hälfte der 90er Jahre dürfen jetzt nicht wiederholt werden. Das beginnt damit, dass Leitbild und Landesplanung nicht allen als Elitenthema behandelt und nur Fachöffentlichkeiten einbezogen werden. Die Zukunft des Landes ist Sache aller Brandenburgerinnen und Brandenburger.
VIII. Schlussfolgerungen für die Gestaltung der Auseinandersetzung mit dem Leitbild und dem Landesentwicklungsprogramm:
1. Wir werden darum kämpfen, die Fortschritte angesichts der hiesigen Koalition zu verteidigen. Es soll nicht schlechter aus dem Kabinett heraus kommen, wie es jetzt hinein geht – der absehbare Widerstand von Schönbohm darf keine Wirkung zeitigen. Zugleich wollen wir dafür eintreten, dass das Leitbild und insbesondere die Gemeinsame Landesplanung in einem besseren Zustand beschlossen werden, als sie jetzt sind: Die Idee von einem „Brandenburg der Regionen“ muss darin nicht nur angetippt, sondern als konzeptioneller Grundsatz verankert werden.
2. Wir werden auf Beteiligung des Parlamentes dringen – nicht nur einzelner Ausschüsse, sondern des Parlaments als Ganzes. Gilt für Leitbild, erst recht aber für Landesentwicklungsprogramm. Letzteres scheint zwar selbstverständlich – wenn aber die Einbeziehung erst nach Unterzeichnung erfolgt, kann das Parlament nichts mehr ändern. Es geht also um die frühzeitige Einbeziehung des Landtages!!
3. Entscheidende Auseinandersetzungen finden statt im Zusammenhang mit dem Landesentwicklungsprogramm – dort werden die realen Weichen gestellt. Die neuen Akzente müssen dort erst wirklich verankert werden. Wir werden uns kritisch und konstruktiv einbringen.
4. Parallel werden wir an unserem alternativen Leitbild und Landesentwicklungskonzept arbeiten; getragen von einer breiten öffentlichen Verständigung im Land. Dieses alternative Konzept wird ebenfalls im Herbst 2007 durch einen Landesparteitag beschlossen.
5. Wir werden diese Debatte bis zum Herbst 2007 als eine breite öffentliche Debatte gestalten – in der eigenen Partei wie mit den Akteuren in Gesellschaft, Wirtschaft und Verwaltung. In einem solch breiten öffentlichen Diskurs wird die neue landespolitische Identität der neuen Linkspartei in Brandenburg entstehen.