Mit der falschen Standarte in die falsche Richtung

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hat in seiner Partei bei der Bewertung der politischen Biografie Hans Filbingers parteischädliches Verhalten ausgemacht – allerdings nicht beim baden-württembergischen Ministerpräsidenten Oettinger, sondern bei der Bundesvorsitzenden Angela Merkel.  Zu Schönbohms aktuellen Einlassungen erklärt die Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag Brandenburg, Kerstin Kaiser: Jörg Schönbohm kann es nicht lassen: Er sucht die Grauzonen am rechten Rand und wenn er den Nebel wieder verlässt, hat er die falsche Standarte aufgepflanzt und die falsche Richtung eingeschlagen.
Trotziger Schulterschluss und blinder Korpsgeist sind gewiss die denkbar unangemessenste  Reaktion der demokratischen Öffentlichkeit – auch von Christdemokratinnen und -demokraten – auf die völlig inakzeptable Trauerrede des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Oettinger zum Tode von Hans Filbinger.
Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel hat gegenüber Oettinger – auch als Bundeskanzlerin und EU-Ratspräsidentin – das unbedingt Notwendige getan, aber nur schwer durchsetzen können. Schönbohms Einlassungen zeigen ein weiteres Mal, wie es um die Union in Deutschland bestellt ist und wie wenig die deutsche Geschichte in großen Teilen dieser Partei bewältigt ist.
Für Brandenburg wird Schönbohm leider immer mehr zur Last. Vor noch nicht einmal einem Jahr hatte er mit seiner Rede am  Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Sachsenhausen nach Einschätzung von weiten Teilen der Öffentlichkeit – auch über Brandenburg hinaus –  die Opfer des NS-Terrors verhöhnt und gedemütigt. Auch aus dem Lager der Koalition waren Rücktrittsforderungen sowie der Vorwurf laut geworden, der Innenminister habe damit dem Ansehen Brandenburgs im In- und Ausland geschadet.
Die märkische Union hätte die letzten Monaten nicht nur nutzen sollen, um über die Nachfolge Schönbohms im Amt zu streiten, sondern um sich vor allem mit seinem strittigen Erbe zu befassen und zu klären, was davon künftig einen Platz in der brandenburgischen Politik behalten kann und was nicht. Diese Aufgabe steht weiter – auch für die Landesregierung, für die Koalitionsparteien, für den Ministerpräsidenten.