Brandenburgs Zukunft sinnvoll gestalten statt Politik für Konzerngewinne

Interview mit Thomas Nord, Vorsitzender der LINKEN Brandenburg

Die LINKE hat sich zum Bündnis gegen die Braunkohle bekannt. Warum?

Es ist kein Bündnis gegen Braunkohle. Es ist eine Volksinitiative gegen den Aufschluss neuer Tagebaue und für eine zukunftsfähige Energiepolitik. Dieser Teil wird häufig weggelassen, ist aber ein wichtiger Bestandteil, weshalb wir das Projekt unterstützen. Wir wollen Brandenburgs Zukunft sinnvoll gestalten, die Dörfer retten, Klima sowie Umwelt schützen und Landespolitik nicht zum – wahrscheinlich auch noch untauglichen – Hilfsmittel für die Sicherung von Gewinnen großer Stromkonzerne machen.

Die Volksinitiative ist im Übrigen in der Lausitzer Region entstanden. Wir haben sie nicht erfunden. Oft wird praktisch so getan, als würde das Volksbegehren verschwinden, wenn die LINKE aussteigt. Das ist ein schwerer Irrtum, weil sich eben nicht nur die lokalen Betroffenen organisiert haben, sondern weil sich auch Umweltverbände und die Grünen eingebracht haben.

Wie schätzen Sie die Chancen des Volksbegehrens ein? Glauben Sie an die notwendigen 80 000 Unterschriften?

Ich kann zwei Argumente sagen, warum ich daran glaube. Erstens, weil in Brandenburg nach Umfragen eine Mehrheit, d. h. 61 Prozent der Bürgerinnen und Bürger für den mittelfristigen Ausstieg und zwölf Prozent der Bürger*innen für den sofortigen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung sind. Das allein sind hochgerechnet rund 250 000 Brandenburger*innen. Zweitens haben wir vier Monate Zeit. Unsere Kampagne steht, wir werden mit einer professionellen Agentur arbeiten, wir haben entsprechende Mittel und wir haben einen hauptamtlichen Koordinator. Ich denke, wir sind gut aufgestellt!

Welche Alternativen sehen Sie, um eine sichere Stromversorgung zu sichern?

Wir gehen davon aus, dass mit den vorhandenen und genehmigten Tagebauen der Weiterbetrieb der bestehenden Kraftwerke noch zirka 20 bis 30 Jahre möglich ist. Das halten wir für eine vernünftige Zeit, um Alternativen vor allem auch für die jetzt noch in der Braunkohleverstromung Beschäftigten aufzubauen. Möglichkeiten dafür gibt es und benötigen eine politische Lobby. Im Übrigen glaube ich sogar, dass wir nicht mal mehr so viel Zeit haben. Der Industrieausschuss des Europäischen Parlaments hat vor kurzem beschlossen, dass die Zertifikate für den CO2-Ausstoß komplett versteigert werden müssen, dass es keine Ausnahme für die Kohlekraftwerke geben wird. Lassen Sie das Zertifikat mal 50 Euro pro Tonne CO2 kosten – bis zu 80 Euro werden für möglich gehalten. Nur für das Kraftwerk Jänschwalde zum Beispiel heißt das 25 Millionen mal 50 – da kann sich jede*r ausrechnen, was das für einen finanziellen Verlust für Vattenfall bedeuten würde. Und dieser Verlust kann nach dem Willen der EU schon ab dem Jahre 2013 eintreten.

Aber Vattenfall investiert in großem Umfang in der Lausitz und setzt – wie auch die Landesregierung – auf neuen Technik, die den Kohlendioxid-Ausstoß verringern soll.

Das mag ja aller Ehren wert sein, aber der Knackpunkt ist doch, dass niemand weiß, ob und wann diese Technologie je funktionieren wird und wie viel ihr Einsatz dann den Konzern kostet. Fest steht aber bereits jetzt, dass jede Tonne CO2 teuer werden wird. Und das schon sehr bald, nämlich zehn Jahre, bevor die Technologie zur CO2-Abscheidung überhaupt einsatzfähig sein soll. Was passiert, wenn ein Konzern plötzlich mit dem, was er produziert, keinen Gewinn mehr macht? Das kann man in diesem Land leider oft genug besichtigen. Ich wünsche mir das nicht, das sage ich hier ausdrücklich. Ich glaube aber nicht, dass der schwedische Staat für Verluste eintritt. Die Alternative wäre eine unglaubliche Erhöhung der Preise, was ebenfalls die Wettbewerbsfähigkeit von Braunkohlestrom auf Null senken kann.

Das heißt, die Landesregierung setzt auf das Prinzip Hoffnung?

In einer politischen Auseinandersetzung, wo die Bundesregierung sagt, bis 2050 werden wir als Bundesrepublik aus der Braunkohleverstromung de facto aussteigen und eine entsprechende Politik auf EU-Ebene verfolgt, kann man als Landesregierung nicht so tun, als wenn das auf Brandenburg alles nicht zutrifft. Das Problem ist doch, wie die Landespolitik in dieser Situation agiert und reagiert. Ich finde, man darf den Lausitzer*innen keinen Sand in die Augen streuen. Mann muss den Menschen sagen, was da auf sie zurollt. Wenn dann die verantwortlichen Politiker*innen – wie im Landtag geschehen – den Dialog verweigern, sind solche Reaktionen wie diese Volksinitiative zwingend notwendig. Dieser politische Gegendruck muss stattfinden, um deutlich zu machen, dass man so mit einer Region und den Leuten nicht umgehen darf. Auch um politischen Raum für eine Debatte über die Gestaltung von Alternativen beim unvermeidlichen Strukturwandel in der Region zu schaffen.