Peer Jürgens: Gedanken zur geplanten Lausitz-Uni

Ausgangslage

Anfang der 90er Jahre wurde bewusst die Gründung zweier Hochschulen in der Lausitz beschlossen. Dabei war es politischer Wille, in Brandenburg eine technische Universität zu gründen – obwohl in Berlin und Dresden große und anerkannte TU zu finden sind. Über viele Jahren hinweg war die BTU deutlich unterausgelastet, während die FH Lausitz gut angewählt wurde. Diese Unterauslastung der BTU führte dazu, dass über 20 Professuren an anderen Hochschulen abgegeben werden mussten. Erst in den letzten Jahren konnte die Auslastung – durch massive Immatrikulation in der BWL – angehoben werden. Perspektivisch wird die Auslastung beider Hochschulen angesichts der Studierenden-Prognose jedoch fraglich sein. Zusätzlich stellt sich die Frage, inwiefern bei zwei nah beieinander liegenden Hochschulen mit z. T. ähnlichen Profilen nicht stärker Synergien genutzt werden müssen. Letztlich hat es durch die Bologna-Reform Angleichungen beider Studienstruktur zwischen FH und Uni gegeben, die Unterschiede zwischen beiden Hochschul-Typen werden abnehmen, auch wenn es sie jetzt noch gibt.

Die Emmermann-Kommission hat im Februar 2012 ihren Bericht zur Hochschullandschaft Lausitzvorgelegt. Dieser listet nach einer sehr intensiven Analyse die Stärken und Schwächen beider Hochschulen auf und macht Vorschläge für eine künftige Gestaltung der Hochschullandschaft in der Lausitz. Kernpunkte sind dabei der Erhalt der beiden Hochschulen; die Forderung nach stärkerer Kooperation; die Mahnung, die jeweiligen Profile zu wahren und zu schärfen und ein struktureller Vorschlag von gemeinsamen Einrichtungen und Fakultäten. Dabei wurden auch konkrete Vorschläge für Veränderungen beim Studienangebot gemacht. Von diesen Empfehlungen ist Ministerin Kunst bei der Präsentation abgewichen, ohne im Vorfeld die Koalition ins Benehmen oder in Kenntnis zu setzen. Ihr Vorschlag greift einige Vorschläge der Kommission auf, geht aber entscheidend darüber hinaus. So sollen beide Hochschulen geschlossen und die Neugründung einer Universität vorgenommen werden, in der die Bestandteile der bisherigen Hochschulen aufgehen. Dabei soll es zu erheblichen Umbildungen kommen, die sich teilweise an den Vorschlägen der Kommission orientieren. Das Kabinett soll noch in der 1. Hälfte 2012 darüber beraten.

Problemlagen

Derzeit gibt es umfangreiche Diskussionen und Wortmeldungen vieler Betroffener. Dabei kristallisieren sich vor allem folgende Probleme heraus:

  • a) Kommunikations-Prozess

Von dem über die Empfehlungen hinausgehenden Konzept der Ministerin wurden alle überrascht. Seitdem mangelt es allerdings an einem ausreichenden Informations-Angebot seitens des Ministeriums. Zwar nimmt die Ministerin Termine vor Ort wahr, aber es gibt derzeit keinen kontinuierlichen Prozess, in dem – möglichst mit einer externen Moderation und Statusgruppen-spezifisch – informiert wird; Fragen, Probleme, Bedenken aufgenommen und gesammelt; Vorschläge und Entwicklungsmöglichkeiten erarbeitet und Motivationen aufgebaut werden. Eine neue Uni – wenn sie denn kommt – kann nur ein Erfolg werden, wenn jetzt alle einbezogen und für das Projekt begeistert werden. Derzeit geschieht eher das Gegenteil. Es bedarf daher eines längeren, intensiven Kommunikations-Prozesses.

  • b) Programm-Uni

Nach den Vorstellungen der Ministerin soll eine künftige Uni Lausitz ein deutlich schärferes Profil erhalten als beide Hochschulen bisher. Das zeigt allein der Vorschlag, die neue Uni „Energie-Uni“ zu nennen. Die Themenbereiche der neuen Uni sollen Energie, Umwelt und Mensch sein. Eine solche Einengung ist problematisch und wenig zielführend. Das Thema Energie macht für die Lausitz zwar durchaus Sinn und sollte die Stärken beider Hochschulen aufnehmen. Dieser Bereich darf allerdings nicht im Vordergrund stehen. Der Bereich Umwelt darf sich auf keinen Fall auf die technischen Aspekte beschränken, sondern muss breiter gefasst werden (wie dies ja auch jetzt schon an der BTU der Fall ist). Der Bereich Mensch soll künftig die sozialen, gesundheitstechnischen und pädagogischen Studiengänge beinhalten und sollte ein Schwerpunkt der neuen Uni sein. Aber neben diesen drei Säulen muss die Vielfalt gerade auch der heute schon sehr guten Bereiche gewahrt bleiben. Ziel muss es sein, eine Technische Universität in der Lausitz zu halten.

  • c) Bologna-Uni

Die Idee, im Rahmen von Bologna die Angleichung von Fachhochschul- und Universitätsstudium in einer neuen Uni zusammenzuführen, klingt zunächst verlockend. In der Tat gibt es hier Tendenzen einer Annäherung. Nicht zuletzt der Wissenschaftsrat empfiehlt eine stärkere Verknüpfung der Hochschultypen. Aber die Unterschiede sind derzeit nur schwer überwindbar. Der Versuch einer Bologna-Uni ist bereits in Lüneburg mit der Leuphana-Uni gescheitert, die Zahl der Studierenden hat sich halbiert (von 12.000 Studierenden an beiden Hochschulen (FH und Uni) zu jetzt 6.000 Studierenden) und die Abschlüsse sind bundesweit weder im Hochschulbereich noch auf dem Arbeitsmarkt anerkannt. Ähnliche Probleme würden in der Lausitz auftreten:

Soll es weiterhin FH- und Uni-Abschlüsse geben? Wenn ja, wie wird deren Spezifika gewahrt? Wie wird mit den unterschiedlichen Anforderungen des Arbeitsmarktes an die zwei Abschluss-Arten umgegangen, was für Konsequenzen ergeben sich für den öffentlichen Dienst (Laufbahn-Eingruppierung)? Wie wird mit den unterschiedlichen Zugängen zur FH und zur Uni umgegangen? Wie kann die Durchlässigkeit zwischen FH- und Uni-Studiengängen gewährleistet werden? Wie kann gesichert werden, dass FH- und Uni-Studiengänge für das jeweilige Klientel trotzdem attraktiv bleiben – viele Studierende entscheiden sich bewusst für oder gegen eine FH- bzw. Uni-Studium. Zur Vorbereitung der Studierenden ohne Abitur soll es künftig ein College geben, welches auf das Studium an einer Uni vorbereitet. Warum aber sollten sich Studierende für ein längeres Studium entscheiden, wenn sie woanders in kürzerer Zeit einen Abschluss erhalten?

Bei aller grundsätzlichen Kritik an Bologna wird eine perspektivisch Angleichung von FH und Uni unumgänglich sein. Doch heute funktioniert diese Angleichung im Prinzip nicht – die Durchlässigkeit zwischen FH und Uni funktioniert nur schwer, Promotionen aus der FH heraus gibt es kaum. Angesichts dieser Probleme erscheint eine Bologna-Uni schwer umsetzbar.

  • d) Personal

Zunächst muss die Frage geklärt werden, was mit den unbefristeten und befristeten Beschäftigten passiert. Eine Verlängerung von Befristungen findet schon jetzt kaum noch statt. Eine Zusage nur an die unbefristeten Beschäftigten zur Übernahme ohne Neu-Bewerbung ist zu wenig. Was sind die Garantien für die Mitarbeiter*innen in jenen Bereichen, die reduziert oder ganz geschlossen werden sollen? Es muss eine langfristige Sicherheit für die Beschäftigten geben.

Wie soll das unterschiedliche Personal-Ausstattungs-Niveau der beiden Hochschulen angepasst werden? An der FH gibt es im Prinzip keinen Mittelbau (Ausstattung pro Professur 0,3 Stellen) – dieser ist aber für Lehre und Forschung nötig. Eine deutliche Personal-Aufstockung wäre nötig, um einen Qualitätsgewinn für die neue Uni zu erreichen. Wie soll mit den unterschiedlichen Professur-Kategorien umgegangen werden? Nicht nur die Zugänge zu einer Professur FH und Uni unterscheiden sich, gerade die Besoldung und die Lehrverpflichtung sind ein großes Hemmnis für eine gleichberechtigte Behandlung. Für eine qualitativ gute Forschung an der neuen Uni muss das Lehrdeputat der FH-Professuren gesenkt werden.

  • e) Umsetzung

Neben dem dringend nötigen Kommunikations-Prozess müssen auch noch weitere Fragen im Rahmen der Umsetzung geklärt werden. Wie wird ausgeschlossen, dass sich angesichts der Unsicherheiten die zumindest zeitweilig zu erwartenden geringeren Bewerbungs-Zahlen negativ auf die Hochschulen auswirken? Wie wird dem Umstand Rechnung getragen, dass jetzt schon Professor*innen und Mitarbeiter*innen die Hochschulen verlassen?

Gibt es eine ausreichende Folgeabschätzung zu Maßnahmen aus Förderprogrammen? Viele Programme sind pro Hochschule gedeckelt, die Mittel würden also insgesamt geringer werden. Wann und wer trifft die Entscheidung zu bestimmten Standorten? Zahlreiche Investitionsmittel sind in die Standorte geflossen, es gibt Fachbereichs-spezifisch enge Netzwerke an und um die Standorte. Es bedarf einer eindeutigen Aussage, wie auslaufende Studiengänge bis zum Schluss abgesichert werden und wie Abschlüsse bestehender Studiengänge unter der neuen Uni gestaltet werden sollen.

Wie konkret wird ein Hochschulentwicklungs-Plan für die Lausitz aussehen? Wie stark werden hier Strukturen präjudiziert? Wird der Plan von Kabinett oder Landtag beschlossen? Eine Debatte des Gesetzgebers wäre durchaus angebracht, bevor der Plan beschlossen wird. Wie konkret wird ein Errichtungsgesetz aussehen?

  • f) Finanzen

Die Zusage, eine künftige Uni würde die Mittel beider bisheriger Hochschulen bekommen, reicht nicht aus. Es gibt viele Gründe, warum die neue Uni zunächst deutlich mehr Geld benötigen wird. Das muss gesichert sein. Geklärt werden muss die unterschiedliche Berechnungs-Grundlage von FH und Uni (Cluster) sowie die Berücksichtigung im Mittelverteilungsmodell. Empfehlenswert wäre, die neue Uni 5 Jahre aus dem Modell herauszunehmen.

Einschätzung

Aus Sicht der LINKEN gibt es derzeit viele Defizite – bei der Kommunikation, bei der Information, bei der Lösung konkreter Fragen und Probleme. Solange diese Defizite nicht geklärt sind und das Projekt gemeinschaftlich mit allen Betroffenen der beiden Hochschulen erarbeitet und umgesetzt wird, ist eine Zustimmung zur Errichtung einer neuen Uni aus unserer Sicht gegenwärtig nicht oder nur sehr schwer vorstellbar. Daher halten wir auch den Zeitplan für höchst unrealistisch. Es ist an der Ministerin, das Verfahren in unserem Sinn zu verändern.