I LOVE BTU – Rede vor der Cottbuser Stadtverordnetenversammlung
Rede des Studenten André Groß vor der Cottbuser Stadtverordnetenversammlung zur Gründung einer Lausitzuniversität vom 19. März 2012
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
lieber Herr Oberbürgermeister,
liebe Frau Ministerin und liebe Stadtverordnete,
liebe Gäste innerhalb und außerhalb des Stadthauses,
I LOVE BTU – egal ob man sich in der Bibliothek, dem Verwaltungsgebäude oder in einem der Lehrgebäude aufhält, auf diese 8 Buchstaben trifft man überall auf dem Campusgelände der BTU Cottbus. In der Facebookgruppe „Energieuniversität Lausitz“ haben sich in wenigen Wochen über 2.000 Mitglieder gefunden, in vielen weiteren Gruppen wird aktiv debattiert, Meinungen und neueste Informationen ausgetauscht, gemeinsame Aktionen organisiert und auch an der Hochschule Lausitz trifft man auf immer mehr Willensbekundungen, welche für die Eigenständigkeit beider Einrichtungen eintreten.
Man könnte es also schon als positiven Nebeneffekt dieser Zukunftsdebatte bezeichnen, dass quer durch alle Schichten – egal ob Student, Mitarbeiter oder Professor – eine lebhafte Diskussion entstanden ist. Dies ist gerade an einer technischen Universität bekanntlich nicht immer so gegeben.
Geht es doch bei der Debatte um nicht weniger als zwei wesentliche Standbeine unserer Stadt. Zusammen knapp 10.000 Studentinnen und Studenten lernen derzeit an beiden Einrichtungen. Viele dieser Studenten wären ohne ihren Studienplatz vielleicht nie in unsere Region gekommen. So aber beleben sie unsere Stadt – mit Kultur, mit Sport, mit Wissen und persönlichem Engagement in vielen weiteren Gebieten. Die von der Ministerin geäußerte räumliche Zusammenlegung beider Hochschulen am Standort der BTU und die damit einhergehende Reduzierung der Studierendenzahlen – manche sprechen von bis zu 3.000 Studenten – bereiten uns also berechtigterweise Kopfschmerzen.
Ob es mit einer gänzlich neuen Universität, einer neuen Ausrichtung und mit einer in Deutschland recht selten vorkommenden neuen Struktur überhaupt gelingen mag, die derzeitigen Neuimmatrikulationszahlen weiterhin zu erreichen, ist fraglich. Es gibt Beispiele solcher Zusammenlegungen, bei der sich die Gesamtstudierendenzahlen halbiert haben. (Lüneburg / Leuphana-Uni)
Studierende entscheiden sich sehr bewusst und überlegt nicht nur hinsichtlich ihres Studienfaches, sondern auch ob sie dieses Studium an einer eher praktisch ausgelegten Hochschule oder einer theorielastigeren technischen Universität absolvieren wollen. Daher mag eine Bologna-Universität – wie es Frau Ministerin Kunst vorschwebt – auf dem Papier funktionieren, sehr verlockend wirken und in 10 oder 15 Jahren langsam die heutigen Strukturen in Deutschland ablösen, die derzeitige Realität sieht aber noch anders aus.
Die Unterschiede in den Bereichen der Zugangsvoraussetzungen, der Bewertung der jeweiligen Abschlüsse und deren Bedarf in der freien Wirtschaft, die Anforderungen hinsichtlich Forschungsgelder, auch die personelle Organisation innerhalb der BTU Cottbus und der Hochschule Lausitz sind gravierend. Um diese Unterschiede zu beseitigen bedarf es unserer Meinung ein konsequentes Aufeinanderzugehen beider Einrichtungen.
Wir als LINKE stellen uns nicht gegen Veränderungen. Die im Kommissionsbericht geäußerte Kritik an der aktuellen Situation haben wir wahrgenommen. Und wenn dort geschrieben steht, dass schon 2002 der Wissenschaftsrat eine engere Verknüpfung und die Nutzung der vielfältigen Kooperationsmöglichkeiten empfiehlt, diese aber hier ungehört verhallt sind, macht uns das nachdenklich. Die beiden Cottbuser Hochschulen können nur gemeinsam ihr Potential voll ausnutzen, voneinander profitieren und sich hervorragend ergänzen. Viele andere geäußerte Situationsanalysen und Kritikpunkte im Kommissionsbericht sind für die weitere Entwicklung beider Hochschulen wichtig. Daher erscheint uns auch aus heutiger Sicht die damalige Einsetzung dieser Hochschulkommission richtig und notwendig. Das in Prof. Dr. Rolf Emmermann und seine Kolleginnen und Kollegen gesteckte Vertrauen sollte sich in der Umsetzung der Empfehlungen des Berichtes nun aber auch wiederfinden.
Anfang der 90er Jahre war es politischer Wille, in Cottbus eine technische Universität zu gründen – obwohl in Berlin und Dresden große und anerkannte Technische Universitäten zu finden sind. Damals war man der Meinung, dass sich auch eine kleine technische Universität mit einem klaren benennbaren Schwerpunkt in der deutschen Hochschullandschaft behaupten könnte. Die guten bis sehr guten CHE Rankings für die BTU Cottbus beweisen dies. Den schwer erarbeiteten und sich durchgesetzten guten Ruf der BTU Cottbus sollte man durch eine vorschnelle Neugründung nun nicht aufs Spiel setzen. Auch die Hochschule Lausitz hat sich überregional einen sehr guten Ruf erarbeitet, ist direkter Ansprechpartner der Wirtschaft und Absolventen dieser Hochschule müssen nicht lange nach einem Arbeitsplatz suchen.
Chancen sehen!
Wir unterstützen den Ansatz, sich in den Themenfeldern Energie und Umwelt noch mehr zu profilieren und zu verknüpfen. Diese Themen liegen gerade in unserer Region – einer Region des Tagebaus und des Umbruchs – nahe. Natürlich dürfen die vorhandenen Stärken beider Einrichtungen dabei nicht vernachlässigt werden. Eine reine „Energie-Universität“ wäre – schon in der gewählten Begrifflichkeit – jedoch eine klare Einengung und greift zu kurz.
Die Idee, medizinische Studiengänge in Cottbus zu etablieren, findet unsere volle Unterstützung. Eine Vernetzung mit dem Carl-Thiem-Klinikum wäre die richtige Antwort auf den Mangel an Fachkräften – gerade im ländlich geprägten Brandenburg.
Der jetzt vorliegende Vorschlag der Emmermann-Kommission bietet eine gute Grundlage für die weitere Diskussion.
Aus unserer Sicht gibt es jedoch noch eine ganze Reihe ungeklärter Fragen: Dazu gehört natürlich die langfristige Finanzierung. Eine Neugründung wird aus unserer Sicht mehr Mittel benötigen als beide bisherigen Einrichtungen. Es gibt klare Defizite bei der Kommunikation und bei der Information durch das Wissenschaftsministerium. Daher begrüßen wir natürlich die heutige Veranstaltung.
Letztlich ist der vorliegende Zeitplan sehr ambitioniert, wenn nicht gar unrealistisch. Wir wollen den Prozess in den kommenden Wochen und Monaten daher ergebnisoffen begleiten und mitgestalten.
Dies schaffen wir aber nur gemeinsam, gemeinsam mit allen Akteuren der BTU Cottbus und der Hochschule Lausitz, damit auch in 5, in 10 und in vielen weiteren Jahren Studentinnen und Studenten dieser Einrichtung(en) stolz sein können, das Logo ihrer Hochschule auf der Brust zu tragen.
Vielen Dank!