Mitgliederbrief zur Neugründung einer BTU Cottbus-Senftenberg

Liebe Genossinnen und Genossen,

es gibt zahlreiche Fragen, warum DIE LINKE ihre ursprünglich kritische Haltung zur Neugründung einer BTU Cottbus-Senftenberg aufgegeben hat. Im Verlauf der diesjährigen Herbstregionalkonferenzen des Landesvorstandes haben wir festgestellt, dass unsere bisherige Öffentlichkeits- und Pressearbeit zu diesem Thema nicht überall bekannt ist. Deshalb nutzen wir das Mittel dieses Briefes, um die berechtigten Fragen zu beantworten.

Vorangestellt möchten wir auf die Bedingungen hinweisen, die wir an unsere Zustimmung zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz gestellt haben:

1. Der Prozess muss so gestaltet werden, dass mit der neu zu gründenden Universität die Zukunftsfähigkeit des Wissenschaftsstandortes Lausitz gesichert wird, die Stärken und Spezifika beider jetziger Hochschulen zusammengeführt und dadurch potenziert werden.

2. Die Landesregierung begleitet und fördert den Neugründungsprozess im Einvernehmen und unter Einbeziehung der Wissenschaftler und Studierenden und der demokratischen Mitwirkung der Gremien.

3. Die Kontinuität in Lehre, Forschung und Qualifizierung muss gesichert werden.

4. Vertrauensschutz und eine mittel- und langfristige Perspektive für die Beschäftigten – für alle Beschäftigtengruppen – Hochschullehrer, wissenschaftliche Mitarbeiter, wissenschaftlich-technisches und Verwaltungspersonal ist zu sichern.

5. Nach der Neugründung sollen die unbesetzten Stellen schnellstmöglich besetzt werden.

6. Den Studierenden ist zu garantieren, dass die begonnenen Studiengänge ohne Verschlechterung der Studienbedingungen fortgesetzt und beendet werden können (inklusive der Fortsetzung de Semestertickets für die Studierenden beider ehemaliger Hochschulen).

7. Das Mittelverteilungsmodell ist für die neue Hochschule auszusetzen. Finanzielle Planungssicherheit auf der Grundlage der bisherigen Mittelzuweisung beider Hochschulen, plus zusätzlicher Mittel in Höhe von 10 Prozent der bisherigen Mittel (ca. 6 Mio. Euro) ist zu gewährleisten.

8. Für zusätzliche, neue Vorhaben, wie z. B. Colleges, werden zusätzliche Mittel eingeworben.

9. Für neue Studiengänge im Gesundheits- und Pflegebereich werden zusätzlich 3,2 Mio. Euro zur Verfügung gestellt.

10. Die drei Standorte Cottbus, Sachsendorf und Senftenberg bleiben erhalten.

11. Gesundheits- und Pflegestudiengänge werden nicht ausschließlich in Senftenberg konzentriert; die jetzigen Kapazitäten und Kompetenzen in Cottbus werden weiter genutzt.

Die Landesregierung verpflichtet sich, sich intensiv für die Ansiedlung einer außeruniversitären Forschungseinrichtung einzusetzen.

An der Umsetzung dieser Forderungen haben wir intensiv gearbeitet. Wir haben im Landesvorstand mit der Ministerin gesprochen, haben in der Fraktion die Hochschulrektoren und den Beauftragten der Landesregierung, Herrn Grünewald, angehört und mit ihnen beraten. Letztlich haben wir auch im Koalitionsausschuss mit der SPD verhandelt. Zahlreiche unserer Forderungen fanden Eingang in den Gesetzentwurf, der jetzt im Landtag beraten wird.

Gestattet uns, ein paar weitere Argumente anzubringen. Der Bericht der Lausitz-Kommission ist leider in der Debatte nicht mehr so detailliert diskutiert worden – das wäre aber – bei aller Kritik an dem Bericht selbst – durchaus sinnvoll gewesen. Uns gaben da vor allem folgende Befunde Anlass zum Nachdenken: mangelhafte Kooperation, ähnliches Fächer-Spektrum, erhebliche Schwächen in beiden Hochschulen.

Seit Jahren fand zwischen der BTU und der FFH Senftenburg keine ausreichende Kooperation statt. Trotz des Hinweises im Bericht des Wissenschaftsrates aus dem Jahr 2002 (!) wurde dieses Problem nicht ernsthaft angegangen. Die finanziellen Rahmenbedingungen und die gewollte Konkurrenz waren für alle Hochschulen in Brandenburg gleich. Dennoch haben es andere Hochschulen geschafft, seit den 90er Jahren eine enge Zusammenarbeit zu vereinbaren. Zugleich hat es spätestens mit den Zielvereinbarungen von 2007 – 2010 die explizite Aufforderung des Landes zur Kooperation gegeben. Offensichtlich ohne Resonanz in der Lausitz. Denn die Lausitz-Kommission stellte in ihrem Bericht von Ende 2011 fest, „dass es den (Lausitzer) Hochschulen nicht gelungen ist, trotz vielfältiger Anregungen und Hinweise zu einer miteinander abgestimmten Entwicklung zu kommen“, und dass der Eindruck entsteht, „dass sich die Hochschulen um Abgrenzung statt um Kooperation bemühen“. Dies stimmte uns nicht nur nachdenklich, sondern offenbarte dringenden Handlungsbedarf. Ein Parlament und eine Landesregierung darf dies nicht durchgehen lassen. Erst nach der Ankündigung der Ministerin im Februar diesen Jahres, dass für sie zur Lösung der offensichtlichen Probleme nur eine Neugründung der Hochschulen in der Lausitz unter einem Dach in Frage kommt, begann ein Umdenkungs-, aber auch ein sehr intensiver Diskussionsprozess. Denn selbst Herr Prof. Zimmerli musste als Präsident der BTU vor kurzem eingestehen, dass die gemeinsamen Gespräche mit der FH Lausitz noch nie so intensiv waren wie im letzten halben Jahr. Versteht uns nicht falsch. Unsere Kritik an dem vollständig unakzeptablen Kommunikationsauftakt durch die Ministerin besteht weiter. Dadurch wurde vieles in den vergangenen Monaten erschwert. Dennoch sind wir, so glauben wir, auf einem guten Weg.

Kommen wir zurück auf den Bericht der Lausitz-Kommission. Er stellt erhebliche Überlappungen in verschiedenen Bereichen des Studienangebotes fest – ein Befund, der zudem von der Hochschulstrukturkommission bestätigt wurde. Bei stagnierenden bzw. nicht übermäßig wachsenden Landesmitteln im Wissenschaftsbereich in den kommenden Jahren zwingt auch dieser Befund zum Handeln.

Letztlich kommt die Lausitz-Kommission in Bezug auf die Stärken und Schwächen der beiden Hochschulen zu dem Schluss, dass „nur eine radikale Neustrukturierung und grundlegende Neuausrichtung in Lehre und Forschung den Bedarf des Landes, der Region und der Hochschulen selbst gerecht wird“. DIE LINKE teilt diese Empfehlung der Kommission ebenso wie die grundsätzliche Position der Ministerin, dass eine neue Struktur nicht mehr durch zwei Leitungsbereiche geführt werden kann.

Ein weiterer Punkt in der Debatte ist der demografische Wandel. Obwohl zwei Studien für das ganze Land Brandenburg eine weitestgehend stabile Studiennachfrage ab 2015/16 prognostizieren (nach einem Rückgang in den nächsten Jahren), stellt sich das für die einzelnen Regionen unterschiedlich dar. Besonders problematisch sind hier die peripheren Regionen, in denen sowohl die Zahl der Schülerinnen und Schüler als auch die Zahl der Bevölkerung insgesamt deutlich stärker abnimmt als im Berlin-nahen Raum (hier gibt es sogar Zuwächse). Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Hochschulen. Insofern könnte die neue Universität eine mögliche Antwort auf dieses Problem sein – zum einen bezüglich der Auslastung der Kapazität in der Lausitz, zum anderen bezüglich einer größeren Durchlässigkeit. Gerade letzteres ist für die jetzige Koalition ein wichtiges politisches Ziel. Derzeit ist die Selektivität im Hochschulbereich leider noch zu stark ausgeprägt. Erste Maßnahmen der Landesregierung wie gemeinsame Promotionen oder Zugang zur Hochschule für Berufsqualifizierte werden (noch) nicht im gewünschten Maß umgesetzt. Auch der Zugang von FH-Absolvent*innen zur Universität ist noch nicht optimal, obwohl es formal eine Gleichwertigkeit gibt. Daher kann eine Hochschule mit sowohl anwendungsorientierten als auch theorieorientierten Studiengängen diese Durchlässigkeit stärker ermöglichen. Voraussetzung ist hier natürlich, dass es eine umfassende Aufklärung über das Studienangebot der neuen Hochschule gibt.

Im Zusammenhang damit steht ein weiterer Bereich, der auch von der Lausitz-Kommission als Herausforderung benannt wurde. Aufgrund des Bologna-Prozesses nähern sich Universität und Fachhochschule immer mehr an. Die Deutschland-typische Unterscheidung zwischen diesen beiden Hochschulformen löst sich zunehmend auf. Auch wenn es sehr mutig ist, diesen Schritt einer gemeinsamen Hochschule jetzt schon zu gehen, scheint er uns perspektivisch aber richtig. Wenn man Bologna ernst nimmt, wird es künftig verstärkt eine Einrichtung mit unterschiedlichen Studienmöglichkeiten geben – unabhängig von der Zugangsvoraussetzung.

DIE LINKE hatte zu Beginn der Debatte die Vorstellung, dass der jetzt geplante Prozess langsamer und durch ein Zusammenwachsen möglich ist. Dabei hätten zunächst beide Hochschulen erhalten, durch eine gemeinsame Leitung geführt und in einigen Jahren dann fusionieren können. Nach Gesprächen mit Hochschulrechtlern ist dieser Vorschlag als problematisch angesehen worden. Der dauerhafte Eingriff in die Autonomie der beiden Hochschulen durch die gemeinsame Leitung wäre verfassungsrechtlich und rechtspraktisch eher schwierig.

Eine unserer zentralen Forderungen war die Arbeitsplatzsicherheit für die Beschäftigten beider Einrichtungen. Zwischenzeitlich haben die Gewerkschaften und die Landesregierung (MWFK und MI) eine entsprechende gemeinsame Erklärung unterzeichnet. Auch wenn diese Erklärung einige Fragen offen lässt, so stellt sie doch eine Grundlage für die Sicherheit der Beschäftigten dar.

Zusätzlich haben SPD und LINKE verabredet, dass im Haushalt für 2013/14 insgesamt 3,7 Mio. Euro zusätzlich für die Beschäftigten in den beiden Hochschulen bereit gestellt wird. Hinsichtlich der zusätzlichen Mittel sind noch Fragen offen – so ist z. B. der Antrag zur Förderung des College noch nicht gestellt.

Neben einigen Verbesserungen im Prozess der Neugründung konnte DIE LINKE auch Veränderungen im aktuellen Gesetzentwurf erreichen – so z. B. für die Bestellung des Gründungspräsidenten.

Auch bezogen auf die Volksinitiative und deren Forderungen haben wir eine Annäherung erreicht. So wird die Hochschulfinanzierung in Brandenburg in den kommenden Jahren umgestellt und es werden Hochschulverträge eingeführt. Die Hochschulplanung für das ganze Land wird Ende des Jahres im Zusammenhang mit der Entscheidung zur Lausitz beraten. Hinsichtlich der stärkeren Mitbestimmung erwarten auch wir nochmals Maßnahmen von der Landesregierung, um die Beteiligten stärker einzubinden.

Wir haben in den vergangenen Monaten in dem Diskussionsprozess viel erreicht. Zahlreiche unserer, aber auch von der Volksinitiative und von der Stadtverordnetenversammlung von Cottbus aufgestellten Forderungen fanden in dem jetzt im Parlament zur Beratung vorliegenden Gesetzentwurf Berücksichtigung. Noch gibt es jedoch Defizite bei der Mitwirkung der Menschen an den Hochschulen, aber auch Überlegungen zum Outsourcing bestimmter Bereiche in Servicegesellschaften. Das haben wir auf dem Zettel. Dazu gibt es weitere Verhandlungen.

Unsere Fraktion lässt sich letztlich davon leiten, dass den Herausforderungen in den Bereichen Demografie und Bologna begegnet werden muss. Wir haben uns den Schlussfolgerungen der Lausitzkommission nach einer Neustrukturierung und der notwendigen Kooperation der Lausitzer Hochschulen angeschlossen. Wir wollen eine bessere Durchlässigkeit und konnten nicht unerhebliche Forderungen in den vergangenen Monaten durchsetzen. Deshalb haben wir uns grundsätzlich für die Neugründung ausgesprochen. Lasst uns gemeinsam den Prozess begleiten im Interesse der Lausitz und der zukunftsfähigen Perspektive der Hochschulen.

Bleiben wir im Gespräch, so wie wir es immer gehalten haben.

Mit solidarischen Grüßen

Christian Görke
Fraktionsvorsitzender

Peer Jürgens
Hochschulpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion

Stefan Ludwig
Landesvorsitzender