Den Wandel sozial gestalten
Seit 2009 stellt die Brandenburger LINKE den Finanzminister und betrat damit deutschlandweit politisches Neuland. Um unter Beweis zu stellen, dass sie in der Lage ist, eine konsolidierende Haushalts- und Finanzpolitik zu betreiben ohne dabei soziale Belange aus dem Auge zu verlieren, lohnt sich ein genauerer Blick auf die neuen finanzpolitischen Ansätze.
Linke Finanzpolitik setzt nicht auf neue Schulden. Sie beugt sich auch nicht ausschließlich den täglichen Sachzwängen. Linke Finanzpolitik ist keine Kapitulation vor den buchhalterischen Notwendigkeiten. Sie erhebt trotz geringer werdender Mittel den Anspruch, gestaltend einzugreifen und einen sozialen Wandel zu ermöglichen. Die rot-rote Landesregierung hat mit der vorherigen Politik des Schuldenmachens gebrochen. Wir haben einen Politikwechsel eingeleitet, der geprägt ist von einer Haushaltspolitik mit Courage und Augenmaß.
Sinkende Einnahmen
Diesen Weg muss Brandenburg auch in den kommenden Jahren fortsetzen. So positiv sich die Steuereinnahmen der letzten Jahre auch entwickelt haben, klar ist, dass das Land in den kommenden Jahren mit weniger Geld auskommen muss.
Im öffentlichen Fokus steht in diesem Zusammenhang vor allem die Befristung des derzeit geltenden Länderfinanzausgleiches bis Ende 2019. Ab dem Jahr 2020 könnte es zu einer niedrigeren Ausstattung des Ausgleichstopfes kommen. Brandenburg müsste mit deutlich weniger Einnahmen rechnen. Dieses Szenario stünde zudem nicht nur dann, wenn der Freistaat Bayern mit seiner angedrohten Klage Erfolg hätte. Gerade weil die öffentlichen Haushalte unter ungenügenden Einnahmen leiden, wird die Bereitschaft zu einem solidarischen Ausgleich geringer. Mit einer völligen Abschaffung des Länderfinanzausgleichs wird zwar nicht zu rechnen sein, schließlich handelt es sich um einen der Grundpfeiler des Föderalismus und des Sozialstaates. Entsprechend dem Grundgesetz soll er es ermöglichen, dass überall in Deutschland „gleichwertige Lebensverhältnisse“ geschaffen werden können. Trotzdem ist schon jetzt vorhersehbar, dass die Debatte um die zukünftige Ausgestaltung schwierig werden wird.
Die föderalen Finanzbeziehungen werden nach den Wahlen 2013 grundsätzlich auf die bundespolitische Agenda kommen. Dann wird die Debatte darüber beginnen, wie künftig ein neuer finanzpolitischer Konsens zwischen dem Bund und den Ländern herzustellen ist. Das wird ein Weg harter Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse. Linke Finanzpolitik wird dabei immer das Recht auf die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse einfordern, aber auch die Solidarität der Regionen untereinander in der Diskussion halten. Ich sehe es dabei als größte Herausforderung an, sich nicht auf Dauer als Nehmerland einzurichten, sondern die eigene Finanzkraft zu stärken.
Die Handlungsfähigkeit des Landes wird aber auch ab 2020 durch die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse eingeschränkt. Eine strukturelle Neuverschuldung ist dann nicht mehr möglich, Kredite dürfen nur noch bei Naturkatastrophen und zur Bewältigung besonderer Notsituationen aufgenommen werden. Damit wird den Ländern nicht nur ein eigenständiges finanzpolitisches Steuerungsinstrument entzogen, sondern es wird mit diesem Eingriff in die verfassungsrechtliche Souveränität der Bundesländer auch erschwert, sinnvolle Zukunftsinvestitionen zu tätigen. Die Schuldenbremse stellt damit Weichen in Richtung Privatisierung öffentlicher Investitionen, für die Umverteilung von Steuermitteln direkt in die Kassen privater Investoren. Die Schuldenbremse ist nicht, was sie vermeintlich vorgibt: Sie weist nicht den Weg hin zu einem sparsamen Umgang mit den öffentlichen Finanzen, sondern wird der Hebel für eine gigantische Umverteilung sein. Genau deshalb haben linke Finanzpolitiker die Schuldenbremse stets zu Recht kritisiert.
Wir müssen uns zudem darauf einrichten, dass für die neue EU-Strukturfonds-Förderperiode ab 2014 absehbar ist, dass Brandenburg kein EU-Höchstfördergebiet mehr sein wird. Die Region hat von den bisherigen Fördergeldern profitiert und sich positiv entwickelt. Andere Länder, vor allem die neuen ost- und südeuropäischen EU-Länder, haben noch wesentlich mehr Aufholbedarf. Das wird zur Folge haben, dass Brandenburg mit deutlich weniger EU-Mitteln auskommen muss. Deshalb richten wir unsere Anstrengungen u. a. darauf, Übergangsregelungen zu erreichen.
Auch durch das Auslaufen des Solidarpaktes II im Jahr 2019 muss Brandenburg mit Mindereinnahmen rechnen, die durchaus zu Buche schlagen. Der Osten erhält durch den Solidarpakt II von 2005 bis 2019 insgesamt 156,5 Mrd. Euro. Bezahlt werden die Hilfen von Bund, Ländern und Kommunen. Brandenburg erhält aus diesem Topf in diesem Jahr 1,04 Mrd. Euro. 2019 werden es letztmalig nur noch 300 Mio. Euro sein.
Doch unser Land hat auch mit hausgemachten Problemen zu kämpfen, die die politischen Spielräume einschränken. Brandenburg trägt jetzt die Folgen hoher Kreditaufnahmen insbesondere in der Zeit von 1990 bis 2005. Die bis dato angehäuften Schulden betragen inzwischen 18,66 Mrd. Euro und verursachen dauerhaft Zinszahlungen in Millionenhöhe. Täglich wendet das Land rund 1,6 Mio. Euro für Zinsen auf. Die Verschuldung hatte Gründe und war in großen Teilen nötig, um die Entwicklung des Landes voranzutreiben. Dennoch ist ein weiteres Anwachsen dieser Zinsbelastung nicht hinnehmbar.
Nicht zuletzt deshalb arbeitet Rot-Rot darauf hin, die jährliche Neuverschuldung kontinuierlich abzubauen. Für das Jahr 2014 wurde erstmals ein Haushaltsplan ohne Nettokreditermächtigung vorgelegt.
Politik darf nicht kapitulieren
Brandenburg muss sich also darauf einstellen, mit deutlich weniger Geld auskommen zu müssen. Das wird Veränderungen nötig machen. Aber welche? Die altbekannte Antwort darauf lautet allzu oft: Wir müssen die Ausgaben reduzieren, staatliche Leistungen weiter einschränken und aufhören „über unsere Verhältnisse zu leben“. Aber ist das wirklich die Lösung? Verbirgt sich dahinter letztlich nicht die politische Kapitulation, die Aufgabe des Gestaltungswillens von Politik?
Rot-Rot hat in den vergangenen Jahren mit einer couragierten Haushaltspolitik bewiesen, dass es Antworten jenseits des politischen Mainstreams gibt. Brandenburg hat in der Haushaltsgestaltung deutlich andere Prioritäten gesetzt. Wir haben uns von Anfang an darauf konzentriert, Menschen hier im Land Zukunftschancen zu eröffnen. Dazu gehört für uns vor allem gute Bildung für alle von Anfang an. Deshalb wurden in Brandenburgs Schulen junge Lehrerinnen und Lehrer, in den Kitas weitere Erzieherinnen und Erzieher eingestellt. Abiturienten aus einkommensschwachen Familien erhalten eine finanzielle Unterstützung – das Schüler-Bafög. Das Land bildet wieder aus und stellt ein. Brandenburg vergibt öffentliche Aufträge nur noch zu Mindestlohnbedingungen. Die Förderpolitik wurde an soziale Kriterien, u. a. die Begrenzung der Leiharbeiterquote, gebunden. Auch damit gehen wir gegen ein Billiglohnimage vor. Die Ausgaben für Kultur wurden nicht gekürzt. Und im Gegensatz zu anderen Bundesländern hat sich Brandenburg in den letzten Jahren auch keine Erleichterungen auf Landesebene zu Lasten der Kommunen verschafft. Im Gegenteil: Die Zuweisungen des Landes an die Kommunen sind unter Rot-Rot stetig gestiegen.
Und dennoch ist eine dauerhafte Haushaltskonsolidierung nicht allein mit einer anderen Prioritätensetzung auf der Ausgabenseite zu erreichen. Vielmehr ist es an der Zeit, einen finanzpolitischen Neuanfang einzuleiten. Letztlich ist es nicht Aufgabe der Politik, Zahlen zu verwalten. Haushalte sind in Stein gemeißelter politischer Wille. Linke Politik soll und will ein solidarisches Zusammenleben aller gestalten und Belange der öffentlichen Daseinsvorsorge sichern. Haushaltspolitik muss sich einer solchen Prioritätensetzung unterordnen. Die Herausforderungen der Zeit verlangen nicht in erster Linie Ausgabenkürzungen. Nachhaltigkeit in Zeiten der Schuldenbremse erfordert eine ausreichende Bereitstellung staatlicher Einnahmen. Wir können uns perspektivisch die Armut der öffentlichen Hand nicht mehr leisten. Das ist die Wahrheit, vor der die Bundespolitik noch immer die Augen verschließt.
Nachhaltige linke Finanzpolitik sucht nach Lösungen, um öffentliche Haushalte nicht auf Kosten von Kultur, Bildung und sozialen Leistungen zu sanieren. Dies nützt weder den Kommunen noch den Menschen. Öffentliche Armut ist bildungsfeindlich und unsozial.
Natürlich ist es richtig, dass jeder eingenommene Euro nur einmal ausgegeben werden kann. Aber er muss eben auch erst einmal eingenommen werden. Statt mit immer neuen Steuersenkungen Lobbyinteressen zu bedienen, braucht es eine deutliche Steigerung der Einnahmebasis von Bund, Ländern und Kommunen. Ohne solche Mehreinnahmen der öffentlichen Hand sind die finanzpolitischen Herausforderungen nicht zu bewältigen. Sparanstrengungen allein reichen nicht mehr aus, wenn soziale Gerechtigkeit Maßstab für das Handeln des Staates bleiben soll.
Einnahmen erhöhen
So gesehen liegt es im Interesse Brandenburgs, auf der Bundesebene zu einer neuen Einnahmepolitik für die öffentlichen Hände zu werben. Brandenburg hat unter Rot-Rot bereits deutliche Forderungen nach mehr Steuergerechtigkeit erhoben. Wir halten daran fest und sind der Überzeugung, dass es hierzulande durchaus einen Spielraum für Steuererhöhungen gibt.
Die Möglichkeiten der Landespolitik zur Verbesserung der Einnahmen der öffentlichen Hand sind gering. Erste brandenburgische Veränderungen haben jedoch bundesweit Maßstäbe gesetzt. So brachte die Erhöhung der Grunderwerbsteuer auf 5 Prozent im ersten Jahr zusätzliche Einnahmen von knapp 62 Mio. Euro. Rot-Rot hat zudem bisherige Vergünstigung für den Braunkohletagebau beim Wassernutzungsentgelt reduziert. Das führt zu Zusatzeinnahmen von rund 2,5 Mio. Euro im Jahr. Sie können nun zweckgebunden für wasserwirtschaftliche Aufgaben wie Gewässer- und Hochwasserschutz verwendet werden. Gemessen am gesamten Haushaltsvolumen und den erkennbaren Deckungslücken sind diese Bemühungen jedoch noch nicht die Lösung des Problems. Vielmehr richten sich die Forderungen des Landes an den Bundesgesetzgeber.
Das Schrumpfen öffentlicher Haushalte ist kein Naturgesetz. Die öffentliche Armut ist durch die neoliberale Politik der vergangenen Jahre gezielt verursacht worden. So hat allein die Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 25 auf 15 Prozent Mindereinnahmen von 10 Mrd. Euro im Jahr bewirkt. Diese Steuerpolitik lässt Fragen der Gerechtigkeit und volkswirtschaftlicher Vernunft zunehmend außen vor.
Um die Situation der öffentlichen Haushalte zu entlasten und damit auch wieder Spielräume für eine gestaltende und zukunftsweisende Politik zu eröffnen, braucht es eine andere Steuerpolitik auf Bundesebene. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte sind hohe Einkommen und Vermögen steuerlich entlastet worden. Unternehmens- und Vermögenseinkommen sind deutlich gestiegen, während die Lohneinkommen weit weniger starke Zuwächse aufwiesen. Gleichzeitig hat die Konzentration der Vermögensverteilung stark zugenommen. Hier will linke Finanzpolitik ansetzen und fordert konkret:
- eine deutliche Anhebung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensbesteuerung
Der Steuersatz liegt aktuell bei 42 Prozent ab 52.000 Euro und bei 45 Prozent ab 250.000 Euro. Dass dies weiter hinter den tatsächlichen Möglichkeiten in Deutschland zurückbleibt, zeigt die Tatsache, dass der Satz noch im Jahr 1998 bei 53 Prozent lag und erst unter Rot-Grün massiv abgesenkt wurde. Angesichts der verschlechterten Einnahmesituation und der massiv steuerfinanzierten Stützungsmaßnahmen für Banken ist auch in der SPD die Einsicht gereift, dass die damit verbundenen Einnahmeausfälle nicht länger vertretbar sind. Selbst ein deutlich höherer Spitzensteuersatz wäre im internationalen Vergleich nicht ungewöhnlich.
- die Wiedereinführung der Vermögensteuer
Im internationalen Vergleich werden auch Vermögen in Deutschland niedrig besteuert. Ein DIW-Gutachten zu den Aufkommens- und Verteilungswirkungen einer wiederbelebten Vermögensteuer hat ein gangbares Modell aufgezeigt, das unter anderem eine verkehrswertnahe – und damit verfassungskonforme – Bewertung aller Vermögensarten bei einem einheitlichen Steuersatz von einem Prozent vorsieht. Grundlage der Berechnung ist ein persönlicher Freibetrag in Höhe von 2 Mio. Euro für Ledige bzw. 4 Mio. Euro für Verheiratete. Mit diesem Freibetrag wird zugleich der Verwaltungs- und Bürokratieaufwand für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Verwaltung in Grenzen gehalten. Die Berechnungen zeigen, dass eine solche Vermögensteuer ein Aufkommen von rund 11,5 Mrd. Euro erzielen würde. Der Steuer unterlägen dem DIW zufolge bundesweit rund 300.000 Personen (143.000 natürliche Personen, 164.000 juristische Personen). Die Einführung einer zielgenauen Vermögensteuer ist also möglich und würde lediglich die tatsächlich sehr reichen Personen in Deutschland treffen. Brandenburg würde aufgrund der wirtschaftlichen Gegebenheiten im Land in erster Linie über den Länderfinanzausgleich davon profitieren.
- sozial gerechte Anpassungen der Erbschaftsteuer
Das derzeitige Aufkommen durch die Erbschaftsteuer beträgt bundesweit einmal rund 4,5 Mrd. Euro. Hier ist es an der Zeit insbesondere höhere Erbschaften stärker zur Finanzierung der Gesellschaft heranzuziehen. Es kann nicht länger sein, dass die tägliche Erwerbsarbeit ganz selbstverständlich höher besteuert wird als ein Erbe. Erbschaften im Steuerrecht stärker zu berücksichtigen würde erhebliche zusätzliche Einnahmen bringen. Dabei müssen größere Erbschaften eine stärkere Belastung erfahren.
- die zügige internationale Einführung einer Finanztransaktionssteuer
Maßlose Spekulationen, die zunehmende Komplexität der Finanzinstrumente und die Geschwindigkeit, mit der Finanztransaktionen heutzutage abgewickelt werden, sind zu einer massiven Bedrohung der ökonomischen Stabilität geworden. Ein Instrument zur Zurückdrängung und teilweisen Umkehr dieser Fehlentwicklung ist die Einführung einer Steuer auf alle börslichen und außerbörslichen Wertpapierumsätze, Derivate- und Devisenumsätze – zusammenfassend kurz Finanztransaktionssteuer genannt. Inzwischen haben elf Euro-Staaten signalisiert, eine Finanztransaktionsteuer einführen zu wollen. Ein älterer Kommissionsentwurf aus dem Jahr 2011 sah eine Abgabe von 0,1 Prozent auf den Handel mit Aktien und Anleihen vor. Der Handel mit spekulativen Finanzprodukten wie Derivaten sollte mit 0,01 Prozent pro Transaktion besteuert werden. Diese Ansätze sind zu unterstützen und auszubauen. Schließlich ist es nicht verständlich, warum in der Realwirtschaft für jede Transaktion Umsatzsteuer zu zahlen ist, die spekulative Finanzwirtschaft davon aber ausgenommen werden soll.
Auch wenn es zumindest für die Einführung der Finanztransaktionsteuer erste positive Signale gibt, macht die allgemeine Entwicklung auf nationaler und europäischer Ebene nicht viel Hoffnung auf ein finanzpolitisches Umdenken, welches die Einnahmeseite öffentlicher Haushalte stärker in den Fokus nimmt. Vielmehr wird den öffentlichen Haushalten mit Rettungspaketen im dreistelligen Milliarden-Bereich noch mehr Boden entzogen und Staatshaushalte werden gar selbst zur Quelle von Instabilität im internationalen Währungssystem und der Euro-Krise. Mit dem sogenannten „Fiskalvertrag“ und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) hat die Bundesregierung ihre Forderungen durchgedrückt, die einseitig auf eine weitere Verschärfung der „Haushaltsdisziplin“ – d. h. auf vertraglich verankerte Sparrunden – in den europäischen Nachbarländern setzen.
Mit dem Fiskalpakt verpflichten sich die Mitgliedstaaten zu nahezu ausgeglichenen Haushalten, zu einem Abbau der Verschuldung und zu nationalen Schuldenregeln, die die Neuverschuldung in allen staatlichen Haushalten begrenzen sollen. Hinzu kommt ein automatischer Sanktionsmechanismus für den Fall, dass ein Unterzeichnerstaat gegen den Fiskalpakt verstößt. Das Ziel, durch Begrenzung der Staatsverschuldung die finanzpolitische Stabilität in Europa zu stärken, ist grundsätzlich zu unterstützen. Eine dauerhafte Stabilisierung setzt jedoch voraus, dass Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung der Ursachen der Finanzkrise und zur wirkungsvollen Eindämmung der destabilisierenden Spekulation auf den Finanzmärkten getroffen werden. Allein durch Einsparungen in den öffentlichen Haushalten kann jedoch kein – für die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte unabdingbares – Wirtschaftswachstum erzeugt werden.
Die bisherigen Konsolidierungsanstrengungen in den von der Krise am stärksten betroffenen Mitgliedstaaten wurden von den Finanzmärkten nicht mit einer geringeren Zinsbelastung honoriert. Stattdessen haben die drastischen Sparprogramme einen massiven Wachstumseinbruch verursacht und damit die Schuldenlast der betroffenen Staaten weiter erhöht. Es ist unzweifelhaft, dass so der Ausweg aus der Eurokrise nicht gelingen kann.
Gerade die jüngsten Erfahrungen in Deutschland mit dem Konjunkturpaket II haben verdeutlicht, dass ein flexibler, politisch gesteuerter und ausreichend dimensionierter Einsatz konjunkturstützender und arbeitsmarktstabilisierender Maßnahmen die Auswirkungen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise zumindest dämpfen kann. Die im Fiskalpakt angelegten starren Reaktionsmuster ordnen dagegen gesamtwirtschaftlich notwendige und konjunkturell sinnvolle Maßnahmen dem Abbau übermäßiger Defizite unter.
So aber bleibt offen, wie sich die weitere Entwicklung der Euro-Krise auf die Situation Brandenburgs ausweiten wird. Klar scheint aber schon jetzt, dass auch die EU einen grundlegenden finanzpolitischen Neuanfang braucht.
Mittel gerechter verteilen
Doch zurück nach Brandenburg. Natürlich gehört zu einem nachhaltigen finanzpolitischen Handeln des Landes auch strikte Sparsamkeit und ein sinnvoller Einsatz der verbleibenden Mittel. Rot-Rot lässt sich dabei vom Grundsatz der Solidarität leiten.
So setzt Brandenburg stärker auf eine gerechtere Verteilung der ungleichen Steuereinnahmen im Land. Gemeinden mit einer deutlich überdurchschnittlichen Steuerkraft sollen in diesem Jahr erstmals eine Finanzausgleichsumlage zahlen. Das heißt, sie sollen Kommunen mit weniger eigenen Einnahmen helfen. Denn wir glauben, die Solidarität der kommunalen Gemeinschaft darf sich nicht nur darauf beschränken, gemeinsam vom Land höhere Leistungen zu fordern. Dann wird sie unglaubwürdig. Leistungsstarke Kommunen müssen ihren moderaten Beitrag zur Unterstützung der schwächeren Mitglieder der kommunalen Familie leisten. Das ist gelebte Solidarität, wie sie Rot-Rot versteht.
Wir sind davon überzeugt, dass es für die Sicherung der Daseinsvorsorge in allen Teilen des Landes starke und leistungsfähige Kommunen braucht. Schließlich sind es die Kommunen, die das Land lebenswert für seine Bürgerinnen und Bürger machen. Trotz der schwierigen finanziellen Situation vieler Kommunen kann das Land keinen vollständigen Ausgleich des bundespolitisch bedingten Einnahme-Rückgangs leisten. Dem Land sind im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit und unter Berücksichtigung seiner eigenen Konsolidierungsverpflichtungen nur begrenzte Spielräume gegeben. Und dennoch gewährt Brandenburg laut einer aktuellen PwC-Studie den Kommunen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs mit durchschnittlich 961 Euro je Einwohner so viele allgemeine Mittel wie kein anderes Bundesland. Dass Rot-Rot damit eine deutlich andere Politik macht als beispielsweise das rot-schwarz geführte Thüringen, ist gewollt. Brandenburger Kommunen müssen bei steigenden eigenen Steuereinnahmen nicht mit sinkenden Zuweisungen im Rahmen des Finanzausgleichs im dreistelligen Millionenbereich rechnen.
Unter einem gerechten und sparsamen Mitteleinsatz verstehen wir aber auch einen sich vielfach auszahlenden Einsatz von Fördergeldern. Rot-Rot setzt daher auch auf einen Umbau der Instrumente der Wirtschaftsförderung. Unser Anspruch ist es, das vorhandene Geld effizienter einzusetzen. Wir sind dazu übergangen Investitionen nicht mehr nur allein durch verlorene Zuschüsse zu fördern, sondern verstärkt rückzahlbare Darlehen auszureichen. Auf diese Weise kann ein Euro mehrfach Impulse geben.
Klar bleibt auch: Wir sparen nicht auf Kosten der Zukunft. Substanz- bzw. Werterhaltung wird gewährleistet. Brandenburgs mittlerweile moderne Infrastruktur erlaubt es, die verminderten Investitionsmittel zielgerichtet zu konzentrieren und die vergleichsweise hohe Investitionsquote Brandenburgs moderat abzusenken.
Bei der Kofinanzierung von Bundes- und EU-Mitteln haben für uns zudem jene Programme Priorität, die die höchste Hebelwirkung und Effizienz haben. Je mehr Mittel wir mit einem Euro Landesgeld mobilisieren können, desto sinnvoller ist es daran festzuhalten.
Gesellschaftliche Debatte anstoßen
Die gerechtere Verteilung von Mitteln und ein Interessensausgleich bedeuten aber auch, bisherige Ausgaben zu hinterfragen. Sie müssen auf ihre langfristige Tragfähigkeit, ihren Mehrwert, ihre Effekte und ihre zukünftigen Kosten für das Land kritisch und soweit messbar an Hand von belastbaren Kennzahlen überprüft und evaluiert werden. Dazu braucht es eine gesellschaftliche Debatte, in der Vorstellungen der zukünftigen Entwicklung diskutiert und die verschiedenen Interessen auf der Einnahme- und Ausgabeseite der öffentlichen Haushalte benannt werden. Eine solche Diskussion über die zukünftigen Schwerpunkte von Politik wird in Brandenburg derzeit an vielen Stellen geführt. Die Koalitionsparteien entwickeln Leitbilder für das Land, die Landesregierung erarbeitet eine Nachhaltigkeitsstrategie, eine Enquetekommission des Landtages diskutiert Vorstellungen für eine bürgernahe, effektive und zukunftsfeste Kommunal- und Landesverwaltung. Daraus gilt es Schlussfolgerungen für die brandenburgische Haushaltspolitik ab 2015 zu ziehen.
So ist es an der Zeit, dass Kommunen und das Land gemeinsam nach einer Lösung suchen, den hochverschuldeten Kommunen Brandenburgs eine Zukunftsperspektive aufzuzeigen. Neben den Ideen einer Entschuldungsinitiative muss auch hier die Frage diskutiert werden, wie die Einnahmebasis der Kommunen gesichert und Soziallasten neu verteilt werden können.
In die Debatte gehört zudem die Frage, wie das Bildungssystem im Brandenburg zukunftsfest gestaltet werden kann. Die demografische Entwicklung wird ab 2017 zu einem erneuten Rückgang der Schülerzahlen in den ländlichen Regionen des Landes führen. Das wirft grundsätzliche Fragen zur schulischen und regional-räumlichen Organisation von Grundschulen auf und eröffnet zugleich die Möglichkeit einer generellen Debatte über die Form unseres Bildungssystems.
Obwohl Rot-Rot in den vergangenen Jahren immer mehr Millionen in den Bildungsbereich investiert hat, kommt das Bildungssystem nicht aus den Schlagzeilen. Massive Kritik wird nach wie vor an der Bildungsqualität an öffentlichen Schulen geübt.
Und nicht zuletzt sind all diese Fragen mit Blick auf den demografischen Wandel zu diskutieren, der auch an Brandenburg nicht spurlos vorbeizieht. Er zeigt sich in einer rückläufigen Bevölkerungszahl und steigender Lebenserwartung. Dieser Prozess hat ganz konkrete Auswirkungen auf das Leben vor Ort.
Es ist zu entscheiden, was leistbar bleibt und was verzichtbar ist. Die Herausforderung besteht darin, eine solche Debatte gemeinsam mit den Brandenburgerinnen und Brandenburgern zu führen. Politik muss die Bereitschaft entwickeln, eine echte Bürgerbeteiligung zu wagen. Verbände und Interessengruppen hingegen müssen bereit sein, partikulare Maximalforderungen im Sinne des Allgemeinwohls zurückzustellen. So kann ein breiter, gesellschaftlicher Konsens darüber erzielt werden, welche finanzpolitischen Schwerpunkte das Land künftig setzen wird.
Fazit: Den Wandel sozial gestalten
Gerecht, solidarisch, nachhaltig – so sieht linke Haushalts- und Finanzpolitik aus. Die soziale Frage stand Jahrzehnte lang nicht derart im Fokus politischen Handelns wie heute in Zeiten der Eurokrise und des drohenden Zusammenbruchs ganzer Gesellschaften. Wie eng die soziale und gesellschaftliche Entwicklung eines Landes mit der Finanzpolitik verknüpft ist, ist derzeit in ganz Europa zu besichtigen.
Deshalb bleibt die soziale Frage auch angesichts knapper Kassen im Zentrum unseres politischen Denkens und Handelns.
Beitrag von Dr. Helmuth Markov für das Magazin „Perspektive 21“, Heft 54 vom November 2012