Das neue Brandenburgische Behindertengleichstellungsgesetz
Ein langer beschwerlicher Weg liegt hinter allen Beteiligten. Entscheidungsträger, Politiker und natürlich die Menschen mit Behinderungen haben zahlreiche Argumente ausgetauscht, konstruktiv gestritten und nach einiger Verzögerung die Gesetzesnovelle zu einem guten Abschluss gebracht.
Während des Prozesses wurde der Teilhabegedanke des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention) bereits aktiv umgesetzt. So gab es sowohl während der Entwurfsphase als auch im Endspurt immer wieder die Möglichkeit, Stellungnahmen einzureichen oder sich in der Verbändeanhörung aktiv einzubringen. Diese Möglichkeiten wurden zahlreich von vielen Vereinen und Organisationen genutzt, was eine wichtige Grundlage für alle weiteren erforderlichen Diskussionen bot.
Was aber hat sich nun konkret geändert? Da das Gesetz an vielen Stellen Änderungen enthält, sollen hier nur einige wesentliche herausgegriffen werden.
Die zwei wichtigsten Neuerungen sind die direkte Zugrundelegung der UN-Behindertenrechtskonvention und die Ausweitung des gesetzlichen Geltungsbereiches auf die Kommunen.
Ersteres ist nicht zuletzt auch eine Forderung der Monitoring-Stelle des Instituts für Menschenrechte. Diese Stelle wurde eigens zum Schutze und zur Förderung der Rechte von Menschen mit Behinderung im Sinne der UN-Konvention und zur Überwachung deren Umsetzung in Deutschland eingerichtet. In ihren Ausführungen vom Dezember vergangenen Jahres benannte sie nicht nur den Entwurf unserer Gesetzesnovelle dahingehend positiv, sondern orientierte bundesweit, alle Landesgleichstellungsgesetze auf der Grundlage der UN-Behindertenrechtskonvention zu novellieren. Um diesem Rechnung zu tragen, wurde beispielsweise die Definition des Begriffes „Behinderung“ aus dieser Menschenrechtskonvention übernommen und die Schaffung einer inklusiven Gesellschaft explizit als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe festgelegt. Brandenburg geht also mit gutem Beispiel voran und fand in seiner Entwicklung bereits während der Entwurfsphase Anerkennung. Gleiches gilt für die Ausweitung des Geltungsbereiches auf die Kommunen.
Die Argumente der Betroffenen, dass sie schließlich genau dort ihren Lebensmittelpunkt haben und die Bestimmungen der UN-Behindertenrechtskonvention gemäß Artikel 4 Absatz 5 uneingeschränkt für alle Teile des Bundesstaats gelten, wurden damit ernsthaft aufgegriffen und umgesetzt. Die Herstellung von Gleichberechtigung und die Ermöglichung einer selbstbestimmten unabhängigen Lebensführung war auch bisher bereits Aufgabe der Daseinsfürsorge, die sich von den neuen Aufgaben der UN-Behindertenrechtskonvention nur schwerlich trennen lassen. Die Kommunen stehen unbestritten in der Pflicht, an der Schaffung einer inklusiven Gesellschaft vor Ort mitzuwirken. Ihre Argumente, dass damit das Konnexitätsprinzip in Gefahr sei, ist mit der Anführung des Artikels 4 Abs. 5 der UN-Behindertenrechtskonvention unanfechtbar widerlegt.
Zur Durchsetzung des neuen Brandenburgischen Behindertengleichstellungsgesetzes und damit der diesem zugrundeliegenden UN-Behindertenrechtskonvention braucht es eine starke beauftragte Person der Landesregierung für die Belange der Menschen mit Behinderungen. Ihr obliegt generell eine impulsgebende, koordinierenden und vor allem eine kontrollierende Funktion. Um dieser gerecht werden zu können, wurden ihr mehr Rechte eingeräumt als bisher. Die Beauftragte Person ist nunmehr in weisungsunabhängiger und ressortübergreifender Position tätig, was vor dem Hintergrund, dass die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention eine Querschnittssaufgabe ist, ein wichtiger Schritt ist. Zudem hat die beauftragte Person mit dem neuen Gesetz das Recht, Akteneinsicht einzufordern und Auskünfte einzuholen, wenn dieses im Einzelfall erforderlich ist und die datenschutzrechtlichen Regelungen dadurch nicht außer Kraft gesetzt werden. Zudem ist die beauftragte Person ab sofort in der Pflicht, in regelmäßigen Abständen Bericht zu erstatten.
Das neue Gesetz enthält ebenso Neuerungen, die den Betroffenen direkt zugutekommen. So fand beispielsweise die lang und deutlich geforderte Beweislastumkehr Eingang in das Gesetz. Künftig muss in einem Streitfall künftig die Gegenseite die Vermutung einer glaubhaft gemachten Diskriminierung widerlegen und nicht der Betroffene eine etwaige Diskriminierung nachweisen.
Eine große Errungenschaft ist die Kostenübernahme der notwenigen Gebärdensprachdolmetschung und anderer Kommunikationshilfen durch das Land. Sie wurde nicht nur auf die Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren gegenüber den entsprechenden Trägern der öffentlichen Verwaltung beschränkt, sondern auf den Bereich Kindertagesstätten und Schulen ausgeweitet. In diesem Punkt gab es heftige Diskrepanzen, die sich nicht auf die Notwendigkeit der Leistung als solche bezogen, sondern vielmehr auf den möglichen Leistungserbringer. Hier wurde in zahlreichen Stellungnahmen deutlich formuliert, dass sich das Wunsch- und Wahlreicht der Betroffenen nicht nur auf die Leistung an sich bezieht, sondern auch auf den Leistungserbringer, womit dieser nicht im Gesetz festgelegt werden kann.
In seiner Gesamtheit kann das Gesetz als ein großer, richtiger und vor allem wichtiger Schritt in Richtung Inklusion bezeichnet werden. Wie die Ausführungen der Monitoring-Stelle bereits deutlich machten, wurde diese gute Entwicklung Brandenburgs bereits schon vor der Verabschiedung registriert und anerkannt. Daran zeigt sich auch, dass das Land Brandenburg nicht nur in der Verantwortung seiner eigenen Bürger und Bürgerinnen mit Behinderungen steht, sondern sich auch seines Hineinwirkens in die anstehenden Novellierungen anderer Landesgleichstellungsgesetze bewusst sein muss. So wie das Land Brandenburg sich in Teilen am schon 2010 novellierten Behindertengleichstellungsgesetz Sachsen-Anhalts orientierte, werden nun auch andere Bundesländer in unserem neuen Gesetz lesen. Damit steht Brandenburg nun umso mehr in Pflicht, dieses Gesetz innerhalb des eigenen Landes konsequent umzusetzen, denn auch den Umsetzungsprozess wird man über die Landesgrenze hinaus mit scharfem Auge beobachten.
Der erste Bericht wird zeigen, ob das novellierte Gesetz die gewünschte Wirkung erzielt und sich damit der lange Weg mit all seinen harten, aber notwendigen Auseinandersetzungen gelohnt hat. Es bleibt nun zu hoffen, dass der Schwung und die gemeinsam gesammelten Erfahrungen genutzt werden, um alle weiteren Schritte in Richtung Inklusion mit eben derselben Zielstrebigkeit zu gehen. So kommt dem Landesgleichstellungsgesetz sicher eine zentrale Rolle zu, kann und darf jedoch nicht das einzige Gesetz bleiben welches auf die Bestimmungen der UN-Behindertenrechtskonvention hin überprüft bzw. angepasst wird.
Jürgen Maresch ist Sprecher für Menschen mit Behinderung und Minderheiten der Linksfraktion im Landtag Brandenburg