© Frank Hübner

Soziales Gewissen sein – und so handeln

Vom Pult in die Politik: Interview mit Christian Görke und Kathrin Dannenberg

Sie sind von Beruf beide Lehrer. Bei Politikern ist dieser Beruf neben Juristen ziemlich häufig. Woran liegt das?
Kathrin Dannenberg: Ich kann es mir nur so erklären, dass Lehrer und Juristen vielleicht mehr als andere Berufsgruppen mit Problemen verschiedenster Menschen tagtäglich konfrontiert sind.
Christian Görke: Lehrer müssen kommunikativ und teamfähig sein. Dies ist auch in der Politik von Vorteil.

Aus welchen Gründen sind Sie in die Politik gewechselt?
Görke: Seit 1990 war ich im Ehrenamt kommunalpolitisch aktiv. Ich habe schnell gemerkt, dass wichtige Rahmenbedingungen für die Kommunen in der Landespolitik gesetzt werden. Deshalb habe ich 1999 für den Landtag kandidiert und bin Ende 2003 in das Parlament eingezogen.

Was ist für Sie linke Politik?
Dannenberg: Linke Politik bedeutet für mich, für Chancengerechtigkeit zu kämpfen, sodass allen – egal, wo sie herkommen – die Möglichkeit gegeben wird, ein gutes Leben zu führen. Sie sorgt für den Zusammenhalt in einer Gesellschaft. Das bedeutet auch, dass starke Schultern mehr, schwache Schultern weniger tragen, teilen, aus Solidarität. Und die brauchen wir, denn der Erfolg einer Gesellschaft ist nie der Erfolg von Einzelnen, sondern von vielen. Linke Politik endet auch nicht an Landesgrenzen oder mit einer Legislaturperiode. Sie denkt global, nachhaltig, an künftige Generationen.

Haben Sie ein politisches Vorbild?
Görke: In der Politik orientiere ich mich eher an Zielen und Inhalten, nicht so sehr an Personen. Aber beeindruckt haben mich Akteure der südamerikanischen Befreiungsbewegung.
Dannenberg: Für mich sind alle Menschen Vorbilder, die mutig sind, ob im Alltag oder in der Politik. Das sind für mich Sophie Scholl, Rosa Luxemburg, Nelson Mandela – das ist aber auch das junge Mädchen, das auf der Straße Zivilcourage zeigt.

Welches der Schlüsselvorhaben aus dem Landtagswahlprogramm der LINKEN ist Ihnen am wichtigsten?
Dannenberg: Ich arbeite mit Kindern und Jugendlichen, daher liegt mir das Schlüsselprojekt »Gute Bildung und Lebenschancen für alle von Anfang an« besonders am Herzen.
Görke: »Gute Arbeit – gute Löhne – gute Wirtschaft in Brandenburg« sowie »Investitionen für die Kommunen« – das sind zwei Vorhaben, denen sicher nicht nur ich höchste Priorität beimesse. Wer gut arbeitet, muss auch gut entlohnt werden. Deshalb wollen wir in Brandenburg prekäre Arbeitsverhältnisse überwinden, Leiharbeit und Niedriglöhne zugunsten guter Arbeit zurückdrängen sowie den Missbrauch von Minijobs stoppen. Wir wollen, dass in den nächsten fünf Jahren die Lohnuntergrenze für öffentliche Aufträge auf mindestens 10 Euro pro Stunde angehoben wird. Für die Städte und Gemeinden wollen wir ein Investitionsprogramm für die kommunale Infrastruktur in Höhe von 500 Millionen Euro auflegen. Die Mittel sollen u.a. für den Erhalt von Kommunalstraßen, kommunalen Brücken und Radwegen, für Barrierefreiheit öffentlicher Gebäude sowie für die Vorbereitung von Schulen für Inklusion verwendet werden.

Warum wollen Sie, dass DIE LINKE in Brandenburg weiterhin Regierungsverantwortung übernimmt?
Görke: Wir brauchen uns hinter den Ergebnissen von fünf Jahren Rot-Rot in Brandenburg nicht zu verstecken! Wir haben viel erreicht, wenn auch nicht alles. Die Erneuerung des Landes ist aber längst nicht abgeschlossen. Wir haben das Land sozialer gemacht, aber wir sind noch nicht am Ziel. Deshalb werbe ich für die Fortsetzung der rot-roten Regierungskoalition in der neuen Legislaturperiode.
Dannenberg: Ob in Regierungsverantwortung oder in Opposition, DIE LINKE wird immer das soziale Gewissen dieser Gesellschaft sein. Aber: eine LINKE in Regierungsverantwortung kann diesen Auftrag selbstverständlich mit viel größerer Kraft ausüben. Ich bezweifle, dass eine CDU dafür gesorgt hätte, dass es einen Mindestlohn für öffentliche Aufträge gibt, dass mehr Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden, dass zahlreiche Seen zurück an die Kommunen gegeben werden, dass Wohnraum bezahlbar bleibt und unsere Krankenhäuser erhalten werden. All das und mehr hat DIE LINKE in Brandenburg erreicht.

Was halten Sie vom Vorgehen der brandenburgischen CDU?
Görke: Die CDU verspricht derzeit allen alles. In ihrem Landtagswahlprogramm stehen Forderungen, die kosten doppelt so viel Geld wie die Vorhaben von SPD und LINKEN zusammen. Das ist einfach unseriös.

Eine Frage zur Polizeireform: Viele Menschen im Land haben Angst vor Kriminalität. Wie wollen Sie das Sicherheitsgefühl verbessern?
Görke: Wir werden bei der Polizeireform nachsteuern. Die Polizeipräsenz im öffentlichen Raum muss gestärkt werden. Zudem werden wir die Prävention stärken. Und das Polizeiabkommen mit polnischen Sicherheitskräften ist ein wichtiger Baustein im Kampf gegen die grenzüberschreitende Kriminalität.

Was halten Sie aus Sicht einer Lehrerin vom Mindestlohn?
Dannenberg: An meiner Schule gibt es einen Schulsozialfonds, der Kinder unterstützt, deren Eltern nicht das Geld haben, um z.B. einen Theaterbesuch oder Wandertag bezahlen zu können. In den vergangenen Jahren hat diesen Fonds rund ein Drittel der Schüler meiner Schule in Anspruch genommen. Es ist gut, dass es diesen Fonds gibt, aber noch besser wäre es, wenn Eltern so verdienen könnten, dass sie nicht auf Hilfe angewiesen sind. Ein Mindestlohn muss also dringend her!

Welches Konzept haben Sie für die Berlin-fernen Regionen des Landes?
Görke: Es geht darum, gleichwertige Lebensverhältnisse zu sichern: angefangen bei den Schulen und Kitas über den öffentlichen Nahverkehr und die gesundheitliche Versorgung bis hin zu guten Arbeitsmöglichkeiten. Nicht zuletzt durch die Umsteuerung bei der Finanzausstattung der Kommunen haben wir bereits einiges erreicht. Diesen Weg werden wir weiter gehen, denn in den Kommunen leben die Menschen.

Sie leben in Calau. Welche »heimatlichen« Themen wollen Sie als erstes mit nach Potsdam in den Landtag nehmen?
Dannenberg: In Calau gibt es eine Grund- und eine Oberschule. Und diese möchten zukünftig zusammenwachsen. Genau das wollen wir ja auch in der Bildung fördern – ein längeres gemeinsames Lernen in einer guten Schule für alle, die fördert und fordert, in einer Gemeinschaftsschule. Dafür werde ich mich im Landtag einsetzen.

Wieviele Stunden in der Woche befassen Sie sich mit Politik?
Görke: Wochentags sind es ca. 12 bis 13 Stunden. Und auch am Wochenende gibt es häufig Termine und Veranstaltungen. Da kommen schnell 80 bis 90 Stunden pro Woche zusammen.
Dannenberg: Ach, das zähle ich nicht, keine Ahnung.

Bleibt Ihnen noch Freizeit? Welche Hobbys haben Sie?
Dannenberg: In meiner Freizeit findet man mich im Garten, in der Turnhalle beim Badmintonspielen oder am Gräbendorfer See zum Inlineskaten. Und auf die regelmäßigen Telefonate mit meiner Freundin kann ich nicht verzichten!
Görke: Zum Ausgleich treibe ich Sport und habe es zu schätzen gelernt, dass einige Fitness-Studios durchgehend geöffnet sind. So kann ich auch spät am Abend auf dem Stepper den Tag »auslaufen«. Außerdem besuche ich gern Sportveranstaltungen, so z.B. die Heimspiele des FSV Optik Rathenow und anderer brandenburgischer Sportvereine.