Drei Fragen und drei Antworten zu den Beziehungen EU – China
Helmut Scholz, Handelsexperte der LINKEN im Europaparlament, im Interview
Der G20-Gipfel ist gerade in Hangzhou zu Ende gegangen. Erneut gab es dabei ein Zusammentreffen von Angela Merkel und Xi Jiping, dem chinesischen Präsidenten, die nicht nur über das bilaterale Verhältnis Deutschland – China, sondern sicherlich auch EU – China miteinander sprachen. Warum hat China eine so große wirtschaftliche und politische Bedeutung für die Europäische Union?
China ist neben den USA heute der wichtigste Handelspartner der EU, sowohl hinsichtlich der Importe als auch der Exporte. Die deutsche Automobilbranche beispielsweise erzielt in China den Großteil ihrer Gewinne; Computer, Smartphones und Flachbildfernseher wurden erst durch die günstigen Produktionskosten in China erschwinglich für so viele Haushalte in der Europäischen Union.
Chinesische Unternehmen sind mit ihren günstigen Preisen aber zugleich Konkurrenz für alle Unternehmen, die noch in Europa produzieren lassen. Und das, obwohl die Mindestlöhne in China aufgrund politischer Beschlüsse gegenwärtig jährlich um ca. 12 Prozent steigen. Der durchschnittliche Industrielohn lag im 2. Quartal 2016 bei 7408 Yuan (617 Euro) pro Monat und ist damit inzwischen höher als das Einkommen vieler Beschäftigter in den baltischen Staaten, Bulgarien, Rumänien oder Ungarn.
Zugleich hat die seit 1980 vorangetriebene Entwicklung des Landes mit Kurs auf die entschiedene Steigerung des Lebensniveaus nach den verlorenen Jahren der „Kulturrevolution“ enorme Auswirkungen auf die gesellschaftliche und wirtschaftliche Realität in China und zugleich auf die Weltwirtschaft. Globale Wertschöpfung und Produktion ist heute in allen Regionen der Erde auch mit der rasanten und längst nicht widerspruchsfreien Entwicklung Chinas eng verbunden. Das gilt auch für Europa und die EU der 28.
Die entschiedene Steigerung des Lebensstandards der chinesischen Familien bleibt erklärtes Ziel von KP Chinas und Nationalem Volkskongress. Das ist eine zentrale Achse des neu festgelegten Kurses auf die weitere Modernisierung und Umstellung der volkswirtschaftlichen Strategie in Richtung Stärkung der Binnennachfrage sowie wissensbasierte und ressourcensparende Wirtschaftsentwicklung. Somit gewinnen auch der Ressourcenverbrauch, technologische Entwicklungen und die Stärkung wirtschaftlicher Zukunftsfähigkeit gewaltige Bedeutung für die konkrete Ausgestaltung der künftigen Wirtschafts- und Handelszusammenarbeit – übrigens sowohl für China wie auch für die EU.
Das Europäische Parlament hat im Frühjahr den Marktwirtschaftsstatus für China abgelehnt. Widerspricht das nicht der Notwendigkeit, eine faire und gleichberechtigte Zusammenarbeit zu entwickeln?
Das Parlament hat mit dieser Entschließung versucht, einen bereits lange ausstehenden Prozess der Erneuerung der Handelsschutzinstrumente der EU anzuschieben und vom Rat eine Veränderung seiner Haltung einzufordern. Hintergrund dafür ist, dass Ende des Jahres, am 11. Dezember 2016, ein 15-jähriger Übergangsprozess, der sich aus dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisationen 2001 ergab, ausläuft. Es gibt ein Protokoll zu diesem Beitritt, in dem die spezifischen Bedingungen der Preisbildung verankert sind, und das hatte zur Folge, dass China kein Marktwirtschaftsstatus zuerkannt wurde. Es hieß, China sei eine planwirtschaftliche, mit vielen staatlichen Eingriffen verbundene Wirtschaft. Eine Mehrheit der EU-Staaten – und auch der Abgeordneten des Europäischen Parlaments – glaubt das noch immer. Dabei muss mitgedacht werden, dass die EU-Mitgliedsstaaten fürchten, dass der Marktwirtschaftsstatus für China dazu führen könnte, dass ihre Wirtschaft mit chinesischen Waren zu niedrigeren Preisen unter Druck gesetzt würde und damit viele Arbeitsplätze verloren gehen könnten. Dieser Konflikt lässt sich nur auf dem Wege eines konstruktiven Dialogs lösen. Mit einem „Handelskrieg“ zwischen China und der Europäischen Union ist niemanden geholfen.
Zu diesem Dialog könnte auch die Konferenz „EU – China: Handelskrieg oder neue Wirtschaftskooperation?“ am 16. September 2016 in Berlin beitragen. Worum wird es gehen?
Wir wollen mit dieser internationalen Konferenz am Beispiel der Großregion Berlin-Brandenburg die Bedeutung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen EU-China für die Regionen analysieren. Dazu haben wir hochrangige Vertreter der Europäischen Kommission und der Volksrepublik China – wie der Botschaft der Volksrepublik China in Deutschland –, von Gewerkschaften, Unternehmen, der regionalen und der europäischen Politikebene eingeladen. Diskutieren wollen wir unter anderem über die Entwicklung der Arbeitsmärkte und der Sozial- und Umweltnormen in Europa und China sowie über Optionen für konkrete Vereinbarungen zur Verhinderung von Preis-, Sozial- und Umweltdumping für eine erfolgreiche Wirtschaftskooperation beider Seiten.