LAG Queer auf der Parada Równości in Warschau
Die meisten kennen die jährlich im Sommer stattfindenden Proteste der Queer-Community für gleiche Rechte entweder unter dem Namen „Christopher Street Day“ oder, wie außerhalb Deutschlands oft üblich, als „Pride“. Das polnische Pendant ist die „Parada Równości“, also „Gleichheitsparade“, die am 9. Juni 2018 erneut in Warschau stattgefunden hat. Bereits zum Jahresbeginn hat der Landessprecher*innenrat in seiner Vorhabenplanung angeregt, die Proteste in unserem Nachbarland zu unterstützen, da sich die Situation für polnische Queers nicht zuletzt durch den Amtsantritt der homo- und transfeindlichen PiS-Regierung 2015 erneut verschärft hat. Zu diesem Zweck haben wir im Vorfeld einen Genossen aus einem Studierendenbündnis eingeladen, das die Proteste in der Vergangenheit unterstützt hat und mit ihm die derzeitige Situation in Polen diskutiert. In dem Gespräch wurde deutlich, dass internationale Solidarität wichtig ist, weil sie eine breitere Öffentlichkeit sensibilisiert und den Druck auf die Autoritäten vor Ort erhöht einen reibungslosen Ablauf der Proteste zu gewährleisten.
Am 8. Juni hat sich dann eine kleine Delegation aus Mitgliedern unserer Landesarbeitsgemeinschaft auf den Weg nach Warschau gemacht. Nachdem der Parade selbst eine „Pride Week“ mit diversen Veranstaltungen vorausgegangen war, fand am Samstag, dem 9. Juni, die eigentliche Parade statt. Bis 15 Uhr hatte man die Gelegenheit, in der „Equality Town“ – einem kleinen Straßenfest unmittelbar vor dem imposanten Warschauer Kulturpalast – mit Aktivist*innen ins Gespräch zu kommen, mit Freund*innen bei einem Bier die Sonne zu genießen oder die Sponsor*innen kennenzulernen, zu denen u. a. zahlreiche Botschaften gehörten.
Für die Parade selbst galten laut Aussage polnischer Teilnehmer*innen verschiedene Auflagen – u. a. kein Alkohol und nicht allzu viel nackte Haut. Dadurch ergab sich zwangsläufig ein anderes Bild als bspw. beim „Christopher Street Day“ in Berlin, für den diesbezüglich deutlich liberalere Regeln gelten. Das hielt die vielen tausend Teilnehmer*innen jedoch nicht davon ab, tanzend und lachend mit bunten Protest-Schildern und einem Meer von Regenbogen-Fahnen durch die Straßen zu ziehen und ihre Forderungen kundzutun, zu denen neben der nach der Öffnung der Ehe u. a. auch die nach aufgeklärter Sexualkunde an polnischen Schulen, Rechtsschutz gegen Hassrede und -verbrechen oder die Forderung an die polnischen Medien gehörten, keine extrem sexistischen, trans-, bi- oder homo-feindlichen Inhalte mehr zu verbreiten.
In der Tat ist die Diskriminierung von Queers in Polen nach wie vor ein großes Problem, in der Vergangenheit sind „Pride“-Proteste immer wieder Ziel von gewalttätigen Übergriffen geworden. In Warschau konnten wir an diesem Wochenende glücklicherweise keine körperliche Gewalt beobachten, lediglich einige Pöbeleien durch nationalistische und katholische Gruppen, auf der Straße und online. Kommentare wie „Ihr seid nicht willkommen in Polen“ oder „Ausländisch finanzierte Proteste, die das Töten von Babys und den Sozialismus fördern“, erhobene Mittelfinger oder EU-Flaggen mit Hakenkreuz versehen haben einen kleinen Einblick in die bizarre Gedankenwelt der polnischen Rechten gegeben. Derartige Ausfälle können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch in Polen weiter Bewegung in den Freiheitskampf der Queer-Community kommt: Eine Rekordanzahl von 12 „Pride“-Protesten ist Ausdruck dessen, 5 davon finden zum ersten Mal statt. Nicht nur deswegen ist es uns ein Anliegen, dass wir die Situation in unserem Nachbarland weiter im Blick behalten und die Community vor Ort unterstützen, wann immer es notwendig ist und wir die Gelegenheit dazu haben.
In diesem Sinne: Hoch die internationale Solidarität!