10 Jahre UN-Behindertenrechtskonvention – Wie sieht die Realität heute aus?
Das Übereinkommen über die Rechte der Menschen mit Behinderungen (UN-Menschenrechtskonvention) besagt, dass alle Menschen mit und ohne Behinderungen gleichberechtigt teilhaben können. Das betrifft alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens – Bildung, Beruf, Wohnen und Freizeit.
Seit dem 26. März 2009 ist dieses Übereinkommen auch in Deutschland geltendes Recht. Der Begriff der „Inklusion“ spielt hierbei eine wesentliche Rolle. Er besagt, dass jeder Mensch zur Gesellschaft dazu gehört. Dabei spielt es keine Rolle, wie er aussieht, welche Sprache er spricht, ob er eine Behinderung hat oder eben nicht.
Soweit die Theorie, aber wie sieht es nach 10 Jahren im praktischen Leben aus? Inwieweit sind die gesetzlichen Bestimmungen in die Praxis umgesetzt worden?
Kürzlich hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die sogenannten „Wahlrechtsausschlüsse“ verfassungswidrig sind. Das bedeutet, dass das Wahlrecht für alle Menschen mit Behinderungen gelten sollte. Dies lehnte die Bundesregierung bisher jedoch ab. Dieses Verhalten verstößt gegen die Rechtsvorschriften. Es muss eindringlich für das Wahlrecht für alle Menschen, unabhängig von ihrer Behinderung gestritten werden.
Ein anderer wichtiger Bereich ist die Bildung. Gemeinsames Lernen von Kindern mit und ohne Behinderungen ist das Ziel der UN-Konvention. Dies ist aber nur möglich, wenn die dafür notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden. Es müssen genügend Lehrer*innen ausgebildet werden. Das Thema Inklusion muss als Ausbildungsinhalt obligatorisch sein. Das gilt genauso für Sonder- und Heilpädagog*innen. Die nötigen finanziellen Mittel dafür müssen in den Landeshaushalten vorhanden sein. Dies betrifft auch alle anderen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens.
Um all dies zu verwirklichen, bedarf es noch sehr viel Bewusstseinsbildung bei den Verantwortlichen.
In der Stadt Brandenburg an der Havel, aber auch im gesamten Land Brandenburg, gibt es gegenwärtig positive und negative Beispiele, wie die Menschenrechtskonvention in der Praxis umgesetzt wird oder eben noch nicht.
Ein gutes Beispiel ist der lokale Teilhabeplan für Brandenburg an der Havel. Seine Erarbeitung wurde im Jahre 2014 von der Stadtverordnetenversammlung (SVV) einstimmig beschlossen. Er wurde seitdem in fünf verschiedenen Arbeitsgruppen von Menschen mit und ohne Behinderungen erarbeitet. Jetzt liegt es insbesondere auch an Betroffenen, sich mit ihren Bedürfnissen, Anregungen und Vorschlägen in seine praktische Umsetzung einzubringen und ihn mit Leben zu erfüllen.
Brandenburg an der Havel ist nach der Landeshauptstadt Potsdam eine der wenigen Städte in unserem Bundesland, in der solch ein Plan erarbeitet und umgesetzt wird. Diesbezüglich gibt es noch Nachholebedarf. Die Politik (Stadtverwaltung und SVV) in unserer Havelstadt muss dafür sorgen, dass die notwendigen finanziellen und strukturellen Voraussetzungen für die Umsetzung des Teilhabeplanes geschaffen werden. Dies gilt auch für alle Fachbereiche der Stadtverwaltung. Damit Menschen mit Behinderungen auch in unserer Havelstadt und im gesamten Bundesland gleichberechtigt mit anderen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, gibt es noch viel zu tun,
Kerstin Huch und Herbert Liebenow
LAG Selbstbestimmte Behindertenpolitik