Plädoyer für das Große im Kleinen

Über 1.000 Kommunalpolitiker*innen sind derzeit in Brandenburg für DIE LINKE aktiv. In Kreistagen, Gemeindevertretungen, Ortsbeiräten, Stadtverordnetenversammlungen, als (Ober-) Bürgermeister*innen und als Landrätin sowie als sachkundige Einwohner*innen ist ihnen keine Sitzung zu lang und kein Thema der örtlichen Gemeinde fremd. Sie leisten diese Arbeit ehrenamtlich und meist ohne hauptamtliche Unterstützung. Somit liegt viel Arbeit auf Ihren Tischen – erst recht, wenn sie Einzelkämpfer*innen in ihren Gremien sind. Hier gilt es, Unterstützung zu leisten!

Zum einen braucht es eine Vernetzung und einen regelmäßigen Austausch. Dafür macht die LAG Kommunalpolitik der LINKEN Brandenburg im Rahmen ihrer Möglichkeiten Angebote. Zum anderen brauchen sie eine Anlaufstelle, um Fragen zu komplexen Themen zu klären oder sich zu informieren, ob es bereits in anderen Kommunalvertretungen zu einem bestimmten Thema Beschlüsse oder Anträge gibt. Die LAG Kommunalpolitik versucht mit ihren ebenfalls ehrenamtlich Tätigen, diese Fragen zu klären und Anlaufstelle zu sein. Im Zweifelsfall hilft auch ein Blick in die Kommunaldatenbank der Bundespartei.

Nun neigt sich die Kommunalwahlperiode dem Ende zu und viele linke Kandidat*innen kämpfen erneut um den Einzug in die Kommunalvertretung. Und das, obwohl Kommunalpolitik eher unpopulär ist. Erst recht für die vielen Theoretiker*innen. Kommunalpolitik klingt unsexy – da sind sich viele Linke einig. Leider! Oft sucht man das Thema bei Bundes- oder Landesparteitagen vergeblich oder muss bis Mitternacht warten. Mit Kommunalpolitik wird oft Langeweile in Diskussionen über Parkbänke, Friedhofsgießkannen und Bauleitplanungen verbunden. Das aber ist zu kurz gedacht. Linke Kommunalpolitik lässt sich nämlich durchaus als Klassenpolitik verstehen.

In neun Bundesländern finden am 26. Mai 2019 Kommunalwahlen statt. Auch in Brandenburg. Es ist nicht nur uns LINKEN, sondern allen demokratischen Parteien dieses Mal schwerer gefallen, vor allem in ländlichen Regionen, genug Kandidat*innen zu finden. In diesem Jahr haben wir zum Beispiel in Thüringen erlebt, was passiert, wenn nicht genug Kandidat*innen gefunden werden. Erstmals in der Geschichte fehlten Bürgermeisterkandidat*innen. Amtsinhaber*innen standen ohne Nachfolge da, es gab Wahllisten ohne Namen. Eine Schande für unsere Demokratie und ein riesiges Problem für die Menschen vor Ort. Hinzu kommt die Sorge, dass uns am Wahltag flächendeckend der Durchmarsch einer Partei mit völkisch-autoritären und braunen Inhalten droht. Aber was tun?

Reichen Angebote zu kommunalpolitischen Themen vor allem in Potsdam und die Absage der Kreisgebietsreform aus, um neue politisch interessierte Menschen zu gewinnen? Reicht ein gut gemeinter Landesnahverkehrsplan und die erzwungene Abschaffung der Straßenausbaubeiträge aus, um Menschen für Kommunalpolitik zu begeistern und zur Wahl zu bewegen?

Die historischen Bedingungen sind für uns einerseits ungünstig. Der Ort der Entsolidarisierung, der sich zuspitzenden Konkurrenz, der Entdemokratisierung und der Polarisierung sind eben auch die Kommunen. Diese können ihren Aufgaben immer weniger nachkommen, da sie durch die restriktive Haushaltspolitik der EU und des Bundes eingeschränkt werden oder nicht wissen, wo sie zuerst investieren sollen. Genau hier muss angesetzt werden. Denn diese Politik greift die kommunale Selbstverwaltung an und somit in unser Leben ein. Immobilienspekulationen in Großstädten machten einige wenige sehr reich und bedeuteten für viele andere erhebliche Einschnitte und Verdrängung.

Neben der „Aufwertung“ der Metropolen gibt es gleichzeitig eine Verarmungspolitik der öffentlichen Haushalte zu Gunsten einer Finanzialisierung: Während Austeritätspolitik die öffentliche Daseinsvorsorge substantiell angreift, wird es Kommunen erlaubt, auf den Finanzmärkten mitzuspekulieren. Die Folge sind reihenweise Privatisierungen oder gar Schließungen öffentlicher Einrichtungen, die nach neoliberaler Logik zu „unproduktiv“ sind. Das betrifft immer zuerst die sogenannten freiwilligen Aufgaben: den Jugendklub, das Freibad oder auch das Museum und den Chor. Zusammengefasst kann man von Umverteilung von unten nach oben sprechen. Schließlich kommt die öffentliche Daseinsvorsorge insbesondere denjenigen zugute, die sich Leistungen wie einen Schwimmbadbesuch oder eine gut ausgestattete Kita auf dem unregulierten Markt nicht leisten können. Kommunalpolitik ist unter diesen historischen Umständen in jedem Fall „Klassenpolitik“.

Andererseits sind aktuell die Bedingungen für eine linke Politik lange nicht so gut gewesen: Mehr als ein Drittel der Bevölkerung hat im Gegensatz zu den ständigen Behauptungen, dass es allen noch nie so gut ging, seit der Wiedervereinigung real weniger Lohn bekommen und damit weniger Teilhabe an gesellschaftlichen Angeboten. Ein weiteres Drittel hat zwar einen Lohnzuwachs erfahren, der aber nur gefühlt mehr Geld bedeutet, weil steigende Mieten und Nebenkosten einen Großteil davon wieder aufbrauchen. Wir müssen es schaffen, diese Bedingungen zu nutzen, um diesen Zustand zu ändern. Es muss unser Ansporn sein, Menschen dafür zu gewinnen, für alle bessere Rahmenbedingungen zu erreichen und nicht nur für sich selber. Erst recht in der Kommunalpolitik, wo Politik noch greifbarer ist.

In Spanien gibt es Bewegungen, die mit Hilfe von linken Parteien – oder auch unabhängig von diesen – Kommunalverwaltungen übernommen haben oder zumindest die Politik der Kommunen maßgeblich mitbestimmen. In Deutschland gibt es kleinere Ansätze wie die „Recht auf Stadt“-Bewegung oder Proteste gegen die Kürzungspolitik. Es gilt daher, die Relevanz der kommunalpolitischen Tätigkeit innerhalb der Partei neu zu gewichten. Kommunalpolitik auch als Klassenpolitik zu verstehen, bedeutet schließlich nichts weniger als dem neoliberalen Kurs von CDU/SPD/GRÜNEN und AfD lokalen Widerstand entgegenzusetzen. Diese Gesamterzählung muss linke Kommunalpolitik einrahmen, sonst verkommt sie zum Verwaltungsakt. Diese Gesamterzählung muss unser Ansatz als kommunale Kümmererpartei sein, sonst werden wir beliebig. Diese Gesamterzählung müssen wir im Hinterkopf haben, wenn wir Anträge in Kommunalvertretungen stellen oder Informationsveranstaltungen anbieten.

Damit DIE LINKE in Brandenburg weiterhin gut in der Fläche vertreten ist und ihre Kommunalpolitiker*innen mehr zu schätzen lernt, hoffen wir, dass wieder viele Menschen für unsere Listen gewonnen werden konnten, die Parteimitgliedschaft dabei zweitrangig war und dass es nach dem 26. Mai weiterhin eine starke kommunalpolitische Stimme in unserer Partei gibt. Jetzt geht es in den Wahlkampf, also den kommunalisierten Klassenkampf. Uns allen wünschen wir viel Erfolg dabei!

Tobias Bank, Maritta Böttcher, Fritz Viertel
Sprecher*innen LAG Kommunalpolitik