
Die Lausitz als Modellregion für ein Bedingungsloses Grundeinkommen?
Kurz vor Weihnachten haben sich Dr. Baukje Dobberstein von der Initiative „BGE statt Braunkohle“ und Ringo Jünigk, Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen Brandenburg in und bei der Partei DIE LINKE, mit dem Lausitz-Beauftragten der Brandenburger Staatskanzlei, Dr. Klaus Freytag, in Cottbus getroffen, um über die Idee einer Grundeinkommens-Modellregion in der Lausitz zu sprechen.
Die Lausitz steht vor einem Strukturwandel. Ideen waren und sind zum Teil noch gefragt, falls tatsächlich vom Bund rund 10 Milliarden Euro in den kommenden 20 Jahren in die Lausitz fließen sollten. „Das Gesetzgebungsverfahren dazu ist aktuell noch nicht vollständig abgeschlossen“, bestätigte der Lausitz-Beauftragte Dr. Freytag den beiden Befürwortern der Idee, in der Lausitz mit einem Teil des Geldes eine wissenschaftlich begleitete Studie einer Grundeinkommens-Modellregion zu finanzieren.
Die Projektidee erläuterte Dr. Dobberstein so: „Den Einwohner*innen eines Dorfes, einer Gemeinde oder einer Kleinstadt in der Lausitz wird für die Förderungsdauer ein monatliches Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) ausgezahlt und durch eine Wirtschaftlichkeits- und Sozialökologische Studie begleitet.“ Zu untersuchen sind dabei zum Beispiel die Auswirkungen auf lokale wie regionale Wirtschaftskreisläufe, auf die Infrastruktur der öffentlichen Daseinsvorsorge sowie auf die kommunale Fiskalpolitik, auf eigenes Unternehmertum, Gemeinschaftsgefühl, Ehrenamt, Geburtenrate, Gesundheit oder auch die verhinderte Abwanderung.
Ringo Jünigk, der sich seit 2008 intensiv mit der Idee und den verschiedenen Konzepten eines steuerfinanzierten Grundeinkommens auseinandersetzt, unterstützt die Initiative für die Lausitz: „Die Wirtschaft befindet sich im Zeitalter der Globalisierung und Digitalisierung, was immer öfter mit einem Streichen von Erwerbsarbeitsplätzen vor der eigenen Haustür einhergeht.“
„Beim Braunkohleausstieg geht es um viel mehr als um die 9.000 Beschäftigen in der Branche. Es geht um ein Herzstück regionaler Identität. Dem gilt es Rechnung zu tragen. Ziel ist es, den Wandel nicht nur als Bedrohung, sondern auch als Chance zu begreifen, etwas Neues zu wagen“, bekräftigte Dr. Dobberstein.
„Ob bewusst durch die Machenschaften der Treuhand nach der Kehre, durch politisch motiviertes Plattmachen der ostdeutschen Photovoltaikindustrie um 2010 oder den beschlossenen Braunkohleausstieg in gut 20 Jahren – es kann heute jede Branche bundesweit treffen“, reflektierte Jünigk weiter. „Fakt ist, dass der Staat in erster Linie die Steuerungsaufgabe hat, einem jeden Menschen per Existenz ein würdiges Einkommen zum würdevollen Auskommen zu garantieren, um seine Grundbedürfnisse befriedigen und seine Grundrechte wahrnehmen zu können – und das BGE würden diesen Anspruch erfüllen.“
Der Lausitz-Beauftragte informierte über die vielfältigen Möglichkeiten der Beteiligung im Strukturentwicklungsprozess, wie z. B. eine denkbare Mitwirkung im Rahmen des Bürgerbeteiligungsprozesses der Zukunftswerkstatt Lausitz. Weitere Anknüpfungspunkte könnten lokale Diskussionsveranstaltungen und eine konzeptuelle Konkretisierung eines solchen Modellprojekts in Zusammenarbeit mit den Hochschulen der Lausitz und interessierten Kommunen sein. „Der Strukturwandel kann in der Region auch zu sozialen Veränderungen führen. Dabei könnten auch neue Modelle des gesellschaftlichen Zusammenlebens eine Rolle spielen“, teilte Dr. Freytag den Projektvertretern mit.
Hintergrundinformationen
Das neue Mantelgesetz Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen besteht aus dem neuen Stammgesetz „Investitionsgesetz Kohleregionen“ und weiteren gesetzlichen Änderungen. Der Kern der Förderarchitektur besteht aus Finanzhilfen für Investitionen der Länder nach 104b GG und aus bundeseigenen Projekten. Zudem regelt das „Investitionsgesetz Kohleregionen“ die Hilfen für strukturschwache Standorte, wie u. a. der Lausitz. Am 21. August 2019 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die Länder- und Verbändebeteiligung für den Referentenentwurf für das Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen (StStG) eingeleitet. Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf am 28. August 2019 beschlossen. Aktuell läuft das parlamentarische Verfahren.
