Was tun mit und nach Corona in Brandenburg? – Debattenbeitrag zur LINKEN Strategie

Mit dem Leitantrag der 1. Tagung des 7. Landesparteitages haben wir beschlossen:

Ziel muss es sein, Meinungsbildung und Politikentwicklung wieder auf möglichst breite Füße zu stellen und so Positionen zu entwickeln, die von der Partei breit getragen werden. Inhaltliche Entscheidungen sollen intensiv vorbereitet und Debattenräume eröffnet werden. Wir wollen als Partei flexibel und offen, aber auch sachlich fundiert agieren können.

Wir wollen nun diese Debatte, auch um die strategische Ausrichtung unserer Partei, vertiefen. Mit der globalen COVID-19-Pandemie und den politischen Maßnahmen als Folge hat sich die gesellschaftliche Ausgangslage stark verändert. Welche Schlussfolgerungen sollten wir aus der COVID-19-Pandemie inhaltlich und strategisch als Landesverband ziehen? Entlang dieser Frage haben wir hiesigen Debattenbeitrag verfasst.

Dieser Debattenbeitrag hat nicht den Anspruch alle Aspekte abschließend zu umreißen. Die aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen haben viele verschiedene Merkmale und Besonderheiten, welche nicht alle in einem einzigen Dokument einfließen können und auch unterschiedliche Perspektiven benötigen. Insofern wünschen wir uns einen regen Austausch über dieses Papier und weitere Debattenbeiträge. Ziel ist es, eine sinnvolle Strategie im Austausch miteinander für unser weiteres Agieren als Landespartei zu finden.

Politische Missstände während der Pandemie

Die gesellschaftlichen Veränderungen durch die Maßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie bedeuten für viele Menschen große Einschnitte und Veränderungen.

Die Pandemie verstärkt die soziale Spaltung. Während staatliches Handeln sich auf die Durchsetzung der ordnungsrechtlichen Maßnahmen und vor allem Wirtschaftshilfe fokussiert, wissen viele nicht wie sie über die Runden kommen sollen. Das Kurzarbeitergeld reicht nicht, einige verlieren ihre Arbeit vollständig. Vermeintliche Randgruppen wie beispielsweise Obdachlose werden vollständig vergessen. Wer es sich leisten kann, richtet sich im Homeoffice ein. Beim Homeschooling sind Kinder aus einkommensschwachen Familien oder solche, deren Eltern kein systemrelevante Berufe ausüben, noch deutlicher benachteiligt als im normalen Schulbetrieb.

In Brandenburg gibt es außer uns keine Partei, die die sozialen Verwerfungen ernstzunehmend während der Krise kritisiert. Im Modus des staatstragenden „Mitnehmens“ großer Bevölkerungsteile geraten leider eine Vielzahl an Menschen sinnbildlich unter die Räder. Für diese Menschen öffentlich einzustehen und Lösungen über kurzfristige Krisenmaßnahmen hinaus anzubieten, ist unsere Aufgabe.

Frauen haben es schwerer während der Pandemie. Die Arbeit von Frauenhäusern ist jetzt sehr viel schwerer geworden und ein Anstieg von häuslicher und sexualisierter Gewalt ist bereits zu verzeichnen. Homeoffice und Homeschooling dürften auch nicht dazu führen, dass Carearbeit im Haushalt gerechter verteilt wird – hier werden erkämpfte Errungschaften in Frage gestellt und alte Rollenbilder aktiv. Außerdem arbeiten in den systemrelevanten Berufen überwiegend Frauen, überwiegend auch schlecht bezahlt.

Die Thematisierung dieser konkreten, gleichzeitig auch strukturellen Missstände bietet die Möglichkeit, unser Profil als feministische Partei zu schärfen. Neben einem landesweiten und ausgiebig finanzierten Präventionsprogramm zur häuslichen Gewalt braucht es eine institutionalisierte ausreichende Finanzierung der Frauenhäuser, zum Beispiel durch ein Frauenhausfinanzierungsgesetz.

Die Finanzierung der Daseinsfürsorge und der öffentlichen Infrastruktur steht in Frage. Der neoliberale Ansatz, dass Daseinsvorsorge auch vom Markt übernommen werden kann und selbst, wenn sie durch die öffentliche Hand gestellt wird, sich rechnen muss, ist an der Pandemie gescheitert. Die Brandenburger Verkehrsunternehmen bangen um ihre Existenz, da Umsätze aus den Fahrkartenverkäufen fehlen und die klammen Kommunen in Brandenburg den Mehrbedarf nicht alleine stemmen können. Lohnerhöhungen in Brandenburger Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen können ebenso nicht umgesetzt werden, da sie vielerorts privatisiert wurden. Die Unterfinanzierung einiger Kommunen in Brandenburg dürfte langfristig Probleme verstärken, da fehlende Steuereinnahmen in den nächsten Jahre die kommunalen Haushalte stark belasten.

Die Forderung nach einer sozialisierten Infrastruktur, bei der die Daseinsvorsorge vollständig in öffentlicher Hand ist, wird durch die geschilderten Auswirkungen unterstrichen. Mit dem Landtagswahlprogramm und dem Stellen der Eigentumsfrage gingen wir als LINKE Brandenburg schon vor der Pandemie einen richtigen Weg, den wir konsequent fortsetzen sollten.

Die Maßnahmen gegen die Pandemie schränken Freiheit und Demokratie ein. Das Lesen eines Buches im Park konnte in Brandenburg bis zu 500 Euro kosten. Währenddessen ist es in anderen Bundesländern noch legal und auch in Brandenburg wäre es in Ordnung, wenn man das Buch beim Fahrradfahren lesen würde. Während Freiheitseinschränkungen notwendig für den Schutz von Leben sind, werden teilweise Wege gewählt, die unnötig Raum für Ungerechtigkeiten, Diskriminierungen und Willkürlichkeit lassen und teilweise Freiheit unverhältnismäßig einschränken. Parlamente debattieren über Notstandsgesetzgebungen und schränken sich selbst in ihrer Arbeit ein, womit die exekutive Gewalt gestärkt wird. Gegen all diese Entwicklungen kann teilweise nicht einmal protestiert werden, da die Versammlungsfreiheit ebenfalls eingeschränkt wurde.

Während es selbst bei den Grünen in Brandenburg sehr ruhig in Sachen Grund- und Freiheitsrechte geworden ist, bietet dies die Gelegenheit deutlich zu machen, dass sich, trotz der Novellen von Polizei- und Verfassungsschutzgesesetz, die LINKE in Brandenburg am konsequentesten für Grundrechte und Freiheit einsetzt. Dabei sollten wir stets deutlich machen, dass es bei den konkreten Maßnahmen sinnvollere Alternativen gegeben hätte, auch um die argumentative Falle Freiheit vs. Menschenleben/Infektionsschutz zu umschiffen.

Die Eigentumsfrage in der Netzpolitik zu stellen ist wichtiger denn je. Wie überall in der Welt haben auch in Deutschland und Brandenburg viele Unternehmen, öffentliche Einrichtungen und Privathaushalte binnen weniger Wochen mehrere Jahre verschlafene Digitalisierung nachgeholt. Dabei sind sie nicht selten an die Grenzen der digitalen Infrastruktur gestoßen, die mit Hochdruck endlich verbessert werden muss. Obwohl durch den gesellschaftlichen Lockdown sowohl die private als auch die professionelle Nutzung von Diensten im Internet anstieg, hat die Netzpolitik keinen größeren Eingang in mediale Debatten gefunden. Dabei hat die Frage „Wem gehört die Software – wem gehört der Sourcecode?“ mit verstärkter Nutzung an Relevanz zugenommen, weil dies die Fragen nach Datenschutz, Sicherheit, Integrität, Nutzung und Veränderung von Software aufwirft und diskutierbar macht.

Auch wenn in Brandenburg netzpolitische Fragestellungen oft nicht die sprichwörtliche Titelseite der Medien füllen, müssen wir als Partei mit netzpolitischem Profil erkennbar sein. Eine sozialisierte Daseinsfürsorge bringt uns nichts, wenn sich das Land in seinem Funktionieren als Staat grundlegend abhängig macht von einigen wenigen globalen Konzernen, weil es keine Kontrolle über die Software hat, die zum Funktionieren öffentlicher Einrichtungen wie der Verwaltung benötigt wird. Deswegen sollten wir offensiv für das Prinzip „Public Money – Public Code“ kämpfen. Mit öffentlichen Geldern finanzierte Software sollte grundsätzlich unter freie Lizenzen gestellt werden. Politisches Ziel sollte es sein, dass der demokratische Staat vollständige Kontrolle über öffentlich eingesetzte Software hat – dies ist nur mit dem flächendeckenden Einsatz freier Software möglich. Die dadurch angestoßenen Investitionen und strukturelle Stärkung freier Software und deren Projekte dürften letztlich auch allen Bürger*innen zu Gute kommen, da freie Alternativen in ihrer Gesamtheit gestärkt werden.

Der Aufbau Ost als Nachbau West ist gescheitert. Die brandenburgische Wirtschaft ist geprägt durch weit verbreitete Eigenkapitalschwäche, die sich auch in der COVID-19-Pandemie deutlich zeigte. Viele (Solo-)Selbstständige und KMU hatten in kürzester Zeit massive finanzielle Probleme. Die Anzahl der Anträge auf Soforthilfe lag in Brandenburg proportional gesehen weit höher als beispielsweise in Baden-Württemberg. Der sowieso schleppend laufende Prozess der Betriebsübergänge aufgrund des Alters der Unternehmer*innen dürfte noch stärker durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie dazu führen, dass mangels Nachfolge Betriebe schließen bzw. durch Externe aufgekauft werden. Gleiches gilt für viele Betriebe, die im Zuge der Pandemie aufgeben müssen. Da, wo absehbar wieder Geschäfte zu machen sind, werden es vor allem finanzstarke, externe Akteure sein – vom verarbeitenden Gewerbe über Einzelhandel, Gastronomie bis zu Unterhaltung. Regionale Wertschöpfungsketten werden dadurch eher erschwert. Gewinne fließen aus der Region vermehrt ab, Entwicklungschancen werden dadurch weiter gedämpft. Der Aufholprozess im deutschlandweiten Vergleich droht dadurch nicht nur zu stagnieren, sondern sich wieder umzukehren. Auch Tesla wird dagegen wenig helfen, da die Dimension insgesamt viel zu klein ist, im Gegensatz zu den gerade in Frage stehenden Betrieben/Beschäftigten.

Wir brauchen über die konkreten Soforthilfen hinaus eine Wirtschaftsförderung, die den Erhalt von zukunftsfähigen, sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen in einer regional verankerten Wirtschaft mit regionalen Wertschöpfungsketten zum Ziel hat. Dies wird nur mit mehr genossenschaftlichen, gemeinwohlorientierten und öffentlichen Betrieben gelingen. Betrieben, in deren DNA die wirtschaftsdemokratische Mitbestimmung eingeschrieben ist und auch deshalb ein gewisse Größe haben, gleichwohl regional nicht strukturbestimmend sind. Das Land muss die Rettung, den Erhalt und die Fortentwicklung von Betrieben an dieser Perspektive ausrichten. Dafür sind auch gleiche Rahmenbedingungen für alle Betriebe, d. h. vor allem endlich die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen, vom Einzelhandel bis zum Tourismus durchzusetzen. Dafür müssen wir die Unternehmensverbände zusammen mit den Beschäftigten und ihren Gewerkschaften unter Druck setzen.

Die Pandemie stellt Europa auf eine harte Probe. Die Grenzen wurden überall in Europa geschlossen und die für alle spürbarste positive Wirkung der EU, die Reisefreiheit, existiert nicht mehr. Politisch zerfällt Europa aktuell wieder in eine Ansammlung von separierten Nationalstaaten, die unterschiedliche Strategien haben und sich bei entscheidenden Punkten nicht einigen können oder wollen. Nationalistische Regierungen dürfen jetzt so nationalistisch sein, wie sie es schon immer sein wollten. Dies zeigt sich auch in Brandenburg: Die Grenze zwischen Frankfurt (Oder) und Słubice ist so dicht wie vor 30 Jahren zuletzt. Aufgrund des politischen Drucks der PiS-Regierung in Warschau hat der Słubicer Bürgermeister gezögert, bevor er für Lockerungen warb. Dennoch gibt es Bürger*innen in Frankfurt und Słubice, die bereits auf der Brücke für eine Öffnung der Grenzen protestierten. Während die Grenzschließungen noch unmittelbar erlebbar sind, ist das große Leid von Menschen in Europa, welche Opfer der gesteigerten Abschottungspolitik der EU sind, nur abstrakt über Medien mitzubekommen und geht im aktuellen gesellschaftlichen Diskurs nahezu vollständig unter.

Der innerparteiliche Konflikt zum Umgang mit der EU in ihrer heutigen Form besteht nach wie vor. Trotzdem sollte sich DIE LINKE. Brandenburg in einer Situation, in der vollkommen unklar ist, ob zum gewohnten Maß der Reisefreiheit mit solch nationalistischen und autoritären Regierungen wie in zum Beispiel Polen oder Ungarn zurückgekehrt werden wird, konsequent für die Öffnung der Grenzen unter Berücksichtigung des Infektionsschutzes einsetzen. Hiermit besteht auch die Möglichkeit, sich klar zu positionieren, nachdem vielen Wähler*innen nach wie vor nicht klar sein dürfte, wie die LINKE zu Europa steht. Außerdem ist es wichtig, nicht nur das deutsch-polnische „Leid“ politisch zu thematisieren, sondern auch das Leid jener Menschen, welche ohne Hoffnung in den Flüchtlingslagern und an den Außengrenzen der EU festsitzen. Es ist vertretbar zu fordern, dass Brandenburg einige Menschen aus diesen lebensgefährlichen Umständen unter Beachtung des Infektionsschutzes aufnimmt.

Was kommt nach der Krise?

Die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie haben die individuellen Lebenssituationen vieler Menschen in Brandenburg verschlechtert. Während deutliche Einschränkungen und Maßnahmen notwendig sind, um die Pandemie in den Griff zu bekommen, besteht weiterhin große strukturelle soziale Ungerechtigkeit, welche mit den Hilfspaketen und Rettungsschirmen kaum verringert wird. Das zeigt nicht nur die Schwächen der Politik der Landesregierung, welche wir konkret anprangern müssen, sondern auch die des Kapitalismus. Wie wir gerade erleben, regelt der Markt tatsächlich sehr wenig und lässt Menschen im Zweifel sogar sterben. Unser Unterscheidungsmerkmal zu den anderen Parteien im Brandenburger Landtag ist die Eigentums- und Systemfrage.

Wir sollten uns nicht darauf ausruhen die besseren Krisenmanager*innen zu sein, sondern auch kommunizieren, dass wir uns mit dem real existierenden Kapitalismus im Gegensatz zu allen anderen Parteien nicht einfach zufrieden geben. Wir bieten eine Alternative: den demokratischen Sozialismus. Es fällt vielen Menschen auf, dass wesentliche Bereiche kritischer Infrastruktur, darunter das Gesundheitswesen, privatisiert und kaputt gespart wurden. Es fällt auf, welche Berufe und Arbeiten wirklich relevant für das Funktionieren von Gesellschaft sind und wie ausgeprägt hier die soziale Ungerechtigkeit ist. Und es fällt auf, dass die Gesellschaft nicht sofort zusammenbricht, wenn viele Menschen weniger arbeiten und mehr Freizeit haben. Dies birgt nicht nur philosophisch Potenziale, sondern zeigt auch, wie eine bessere, demokratisch-sozialistische Gesellschaft aussehen könnte und wie sie sich vom Status quo unterscheidet.

Im gesellschaftlichen Diskurs der Lockerungen ist das bestimmende Credo allerdings keine erstrebenswerte Utopie, sondern ein Zurück zum Status quo vor der COVID-19-Pandemie. Somit stehen wir im Diskurs vor einer schweren Aufgabe: einerseits werden systemrelevante Berufe bereits jetzt auseinander dividiert und teilweise gegenseitig ausgespielt. Hier versuchen wir ein inklusives Verständnis des Begriffes zu verteidigen und deutlich zu machen, warum sehr viele schlecht bezahlte und mit schlechten Arbeitsbedingungen ausgestattete Berufsgruppen und Gesellschaftsteile systemrelevant sind und kämpfen für deren Anerkennung und eine spürbare Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen. Andererseits müssen wir aber auch deutlich machen, dass ein Zurück zum Status quo vor der Krise kein erstrebenswertes Ziel ist, sondern notwendige staatliche Aktionen in der sich anbahnenden Wirtschaftskrise transformativ hinsichtlich einer sozial-ökologischen Transformation der Gesellschaft wirken sollten.

Gerade führt uns die Pandemie vor Augen, wie ein demokratischer Sozialismus konkret aussehen könnte. Zusammen mit dem nachdrücklichen Einfordern einer sozial-ökologischen Wende, die den Fokus auf eine Verkehrs- und Energiewende legt, gepaart mit dem Einfordern der Sozialisierung der Daseinsvorsorge und der Beseitigung der sozialen Spaltung durch Verteilungsgerechtigkeit können wir basierend auf dem, was viele Menschen gerade erfahren, eine linke Utopie vermittelbar und erstrebenswert machen – nicht als etwas Fernes, sondern als konkrete Tagesaufgabe, als direkte Schlussfolgerung aus den Erkenntnissen aus der Pandemie.

Wir erfahren aktuell auch, dass grundlegende gesellschaftliche Veränderungen keineswegs unerreichbar sind. Als die Regierenden schnell und konsequent Maßnahmen zur Begrenzung der COVID-19-Pandemie vorlegten und verabschiedeten, haben sie auch gezeigt: wenn nur ausreichender politischer Wille und gesellschaftlicher Druck da sind, kann Politik schnell und konsequent handeln. Die Erfahrungen aus der letzten großen Wirtschaftskrise lehren uns aber auch, dass versprochene politische Veränderungen nach der Krise schnell wieder versanden und viele ein Interesse am Zurück zur bekannten neoliberalen Gesellschaft haben. Neben geschicktem Agieren im Parlament macht dies auch die Notwendigkeit der Organisierung und Unterstützung außerparlamentarischen Drucks deutlich. Wir brauchen den gezielten Austausch mit Umweltverbänden, Gewerkschaften, Sozialverbänden und vielen mehr, wie die nötigen Schlussfolgerungen und Schritte aus und nach der COVID-19-Pandemie aussehen müssen.

Die wirklich Reichen in Brandenburg sowieso eher selten anzutreffen – sind nicht schuld am Ausbruch der Pandemie, im Gegensatz zur Finanz- und Wirtschaftskrise 2007 ff. Aber sie profitierten vom jahrelangen Rückbau des Öffentlichen und mehrten damit ihre Vermögen. Die privatisierten Krankenhäuser in Brandenburg sind dafür nur ein Beispiel. Wie fatal dieser Rückbau ist, sehen wir jetzt in Zeiten der Pandemie. Nie galt mehr: Nur die Reichen können sich einen schwachen Wohlfahrtsstaat leisten. Wer einen starken Wohlfahrtsstaat will, muss auch sagen, wie man ihn finanziert. Wir wollen hohe Einkommen und große Vermögen stärker heranziehen. Wir dürfen nicht zulassen, dass am Ende die Haushalte mit unteren und mittleren Einkommen vorrangig zahlen oder verzichten müssen. Das wird zu einer der entscheidenden Fragen der kommenden Jahre werden und kann nicht mit Verweis auf die Zuständigkeit der Bundesebene abgeschwächt werden. Wir müssen die Schaffung von finanziellen Spielräumen durch die Landesregierung mittels Agieren auf bundespolitischer Ebene massiv einfordern.

Auch auf Landesebene soll bald in die Tilgung der aufgenommenen Kredite/Anleihen eingestiegen werden, in gleichmäßigen Scheiben. Es sollte jedoch die Freiheit genommen werden, in Abhängigkeit von der konjunkturellen Entwicklung zu tilgen. Die Verteilungsfrage wird sich auch in der Landespolitik zuspitzen: Was wird im laufenden Haushalt gekürzt, um die jetzt aufgenommenen Kredite/Anleihen zu tilgen? Dieser Logik sollten wir uns entziehen.

Wir sollten dagegen nach der Pandemie ein landesweites, transformatives Konjunkturprogramm fordern. Um die wirtschaftliche Entwicklung anzukurbeln, sind staatliche Investitionen gefragt. Unser Ziel sollte es sein, mit diesen Investitionen bedeutende Schritte bei der gesellschaftlichen sozialökologischen Wende voranzukommen. Forderungen, die bereits in unserem Landtagswahlprogramm stehen, wie Verkehrswende, Energiewende, öffentlicher Wohnungsbau und -sanierungen, Investitionen in das Bildungs- und Gesundheitssystem, eine finanzielle Stärkung der Kommunen, ein Ausbau der Netzinfrastruktur und deutliche soziale Verbesserungen, haben das Potenzial, nicht nur neue Aspekte in die Debatte um Lockerungen zu bringen, sondern klar zu machen, wofür die LINKE steht: demokratischer Sozialismus statt zurück zum Vorkrisen-Kapitalismus – mit transformativen Schritten auch in Brandenburg möglich. Ein präsentierbares sozial-ökologisches Konjunkturprogramm ist eine Möglichkeit für unsere Forderungen Öffentlichkeit herzustellen.

Letztendlich kommen wir zu dem Schluss, dass viele thematischen Schwerpunkte, die wir im Landtagswahlprogramm gesetzt haben, nach wie vor eine große Relevanz besitzen. Außerdem können wir die Zeit jetzt nutzen, in Zusammenarbeit mit unserem politischen Umfeld durchsetzungsstarke Kampagnen als Landesverband zu entwickeln, die unsere Schwerpunkte deutlich machen, eine Aufmerksamkeit für unsere Themen herstellen und die tägliche Arbeit der Landtagsfraktion und unserer Kommunalfraktionen mit einbeziehen und unterstützen. Um dies umsetzen zu können, brauchen wir eine strategische und koordinative Planung der Bemühungen unseres Landesverbandes und neue Debattenräume innerhalb des Landesverbandes, in denen wir diese auch diskutieren können. Insgesamt wünschen wir uns also eine konstruktive Strategiedebatte, welche wir hiermit anstoßen wollen.

Tom Berthold
Mitglied des Landesvorstands

Martin Günther
Stellvertretender Landesvorsitzender