Parität, mehr als nur ein Gesetz
Am vergangenen Freitag verkündete das Landesverfassungsgericht in Potsdam das Urteil zur Klage gegen das Parité-Gesetz. Dabei wurde einstimmig entschieden, dass das Gesetz verfassungswidrig sei. Es ist schmerzlich, nach all den Monaten und Jahren, die wir für mehr Teilhabe von Frauen in Politik und Gesellschaft gekämpft haben, nun diesen Rückschlag zu erleben.
Ich glaube, dass es okay ist zu sagen, dass man enttäuscht ist. Neben durchaus nachvollziehbaren Erläuterungen ist allerdings erschreckend, dass Teile der populistischen Argumentation der rechten bis völkischen Kläger übernommen wurden. Das Parité-Gesetz sollte und soll ein Schritt für mehr demokratische Teilhabe von Frauen sein, aber die Feinde der Demokratie präsentieren sich nun als Sieger , was unerträglich ist.
Frauen sind keine homogene Gruppe, daher können sie auch nicht als eine solche repräsentiert werden, wurde vom Gericht betont. Das trifft auf jede Gruppenzuschreibung zu. Frauen werden jedoch nicht als Einzelperson diskriminiert, sondern auf Grund von Zuschreibungen. Niemand wird diese Diskriminierung negieren wollen, warum also dann die Gruppe? Wenn im Grundgesetz, Artikel 3 „Männer und Frauen (sind gleichberechtigt)“ steht, dann existieren sie doch im juristischen Verständnis.
Zudem wurde als Argument herangezogen, dass alle Volksvertreter*innen das gesamte Volk vertreten. Das mag der rechtliche Anspruch sein, geht aber an der Lebensrealität vorbei. Natürlich vertritt ein „weißer alter Mann“ wohl kaum von selbst die Interessen von jungen Frauen aus migrantischen Communitys. Das muss nicht einmal Absicht sein, es fehlt einfach die Verbindung zu den entsprechenden Themen, die so nicht den Weg in das Parlament finden.
Die Diskussion war von einer Binärität geprägt, obwohl das dritte Geschlecht ebenso gerne als Begründung zur Ablehnung benutzt wurde, wie vorher von der AfD und Co. Die Unterstellung, dass Personen, die sich unter dieser Kategorie versammeln würden, dann lustig das Geschlecht wechseln, je nachdem, auf welcher Liste sie kandidieren, ist eine verächtliche Betrachtung des „Dritten Geschlechtes“.
Parität und somit Demokratisierung wurde zur Aufgabe der Parteien erklärt, nicht des Staates. Es sei lediglich ein Staatsziel, also etwas, das nicht wirklich rechtliche Folgen hat. Ein Good-to-Have quasi. Das Gericht argumentierte, Menschen wählen die Programme von Parteien, und wenn diese eben frauenfeindlich sind, dann ist das die Entscheidung der Wähler*innen. Damit entzieht sich der Staat der Verantwortung.
Der Vorwurf, dass das Paritè-Gesetz die Demokratie einschränke, da es nicht allen Parteien und Kandidaten zu Wahlen gleiche Chancen im Wettbewerb bietet, lässt außen vor, dass Frauen diese gleichen Möglichkeiten nie hatten. Wer das Nachsehen bei Aufstellungen hat, kann man sich an zahlreichen Beispielen von Sawasan Chebli in der SPD bis zur Landesliste der CDU für die vergangene Landtagswahl anschauen.
Ja, es ist eine rein formale juristische Entscheidung, aber Politik und Justiz sind keine voneinander trennbaren Systeme. Sie überprüfen und schützen sich gegenseitig. Sie sollten nicht Werkzeug der Rechten sein.
Die Entscheidung gegen das Paritè-Gesetz ist auch eine politische und diese halte ich für falsch, nein für fatal. Dennoch lassen wir uns nicht entmutigen. Wir haben uns nach der Verhandlung zusammengefunden und unser weiteres Vorgehen besprochen. Wir kennen jetzt die Argumente und können damit arbeiten.
Es ist nicht das Ende des Weges. Parität wird kommen, die Hälfte der Gesellschaft kann man nicht ewig klein halten!
Claudia Sprengel ist Sprecherin des Frauenpolitischen Rats Brandenburg