Foto: Frithjof Newiak
Frithjof Newiak

Ehrung des Antifaschisten Julius Fučík

Julius Fučík war in der DDR wohlbekannt, seine Reportage „Unter dem Strang geschrieben“ in jeder Bibliothek zu finden, Schulen und Arbeitskollektive trugen seinen Namen.

Im Volkspark Berlin-Pankow steht seit den Weltfestspielen 1973 ein Denkmal für ihn, ein Geschenk der Regierung der ČSSR an die DDR anlässlich des 30. Jahrestages der Ermordung des tschechischen Kommunisten in Plötzensee durch die faschistischen Okkupanten seiner Heimat. Seitdem ehren Freunde der Tschechen und Slowaken und Antifaschisten immer im September sein Andenken.

Am 11. September 2021 legten auch Mitglieder der Landesarbeitsgemeinschaft Netzwerk Europäische Linke (LAG Netzwerk EL) der LINKEN Brandenburg als Partner im Ständigen Forum der Europäischen Linken – der Regionen (SFEL-R) Blumen an seinem Denkmal nieder. Helga Katzschmann hielt folgende Ansprache (leicht gekürzt):

Vor 82 Jahren begannen die deutschen Faschisten den II. Weltkrieg. Es gibt immer weniger Zeitzeugen, die sich daran noch erinnern und davon berichten können. Aber in diesem Jahr ist der Krieg plötzlich wieder ganz nah.

Wir stehen hier am Denkmal J. Fučíks, der vor nun 78 Jahren hier in Berlin von den Faschisten ermordet wurde. Er wurde nur 40 Jahre alt und hat nichts weiter getan, als für die Befreiung seines Landes von der faschistischen Okkupation und gegen den Krieg zu kämpfen. So wie viele Tausende andere Widerstandskämpfer, an die wir in diesen Tagen des 82. Jahrestages des Beginns des II. Weltkrieges denken…

Gerade in diesen Tagen erleben wir wieder das Ende eines Krieges, der 20 Jahre gedauert hat. Nachdem die USA 2001 Afghanistan zu einer Quelle des Terrorismus erklärt haben, ist ihnen die NATO und damit auch Deutschland kritiklos in diesen Krieg gefolgt. Ziel sollte eine neue Gesellschaft in Afghanistan sein. Demokratisch nach dem Muster der westlichen Zivilisation.

Dieser Krieg ist zu Ende gegangen mit einer Niederlage seiner Verursacher und in einem Chaos. Hinterlassen wurde ein zerrüttetes Land, in dem die alten Kämpfe zwischen den einzelnen Clans wieder aufflammen. Die USA und Deutschland haben das Land fluchtartig verlassen und diejenigen, die mit ihnen zusammengearbeitet hatten, zurückgelassen. So ist es Deutschland nur „gelungen“, etwa 138 Mitarbeiter der Bundeswehr mit ihren Familien auszufliegen, insgesamt etwa 650 Personen von insgesamt ca. 5000 Ausgeflogenen.

Für deutsche Organisationen haben aber mehr als 10.000 Afghanen gearbeitet… Wieder einmal wurde bitter bewiesen, dass Kriege keine sozialen Probleme lösen und eine neue Gesellschaftsordnung nicht von außen etabliert werden kann…

Afghanistan steht nun ohne jegliche internationale Hilfe da. Deutschland hat jede Zusammenarbeit in der Entwicklungshilfe eingestellt. Internationale Hilfsorganisationen möchten weiterarbeiten, wissen aber noch nicht unter welchen Bedingungen das möglich sein wird.

Nationalistische und rechtsextreme Kräfte in unserem Land haben dazu nichts weiter zu tun, als über eine neue Flüchtlingswelle zu jammern, das Jahr 2015 dürfe sich nicht wiederholen. CSU-Chef Markus Söder hat in seinem Sonntagsinterview dazu gesagt, die Bundeswehr sollte vorrangig deutsche Staatsbürger retten. Das ist zynisch. Deutschland hat eine Pflicht, die Menschen und ihre Familien, die 20 Jahre mit ihnen zusammengearbeitet haben und denen jetzt Verfolgung und Tod droht, zu schützen und ihnen Zuflucht zu geben. Doch davon sind wir weit entfernt. Grade wird in Europa erneut eine Abwehrmauer errichtet. Afghanische Flüchtlinge sollen in der Region bleiben. Besonders zynisch ist der Versuch des CDU-Kandidaten zur Bundestagswahl, Christian Gräff, z. Z. noch Bezirksstadtrat in Hellersdorf, der die Bürger in seinem Wahlkreis aufruft, gegen die geplante Aufnahme von afghanischen Bundeswehrmitarbeitern und ihren Familien in wieder in Betrieb zu nehmenden Flüchtlingsheimen in Biesdorf zu protestieren.

Menschen seid wachsam! Hat Julius Fučík gewarnt. Lasst keine faschistoiden Tendenzen und Parteien zu, die Fremdenhass zu ihrem Credo gemacht haben. Kämpft für ein friedliches Zusammenleben der Menschen in einer von ihnen zu schaffenden Demokratie.

Mit Genugtuung haben wir gehört, dass das NSU Urteil vom obersten Gerichtshof der BRD bestätigt wurde. Aber Fremdenfeindlichkeit und Rassismus begegnen uns weiter fast jeden Tag. Flüchtlinge fühlen sich auch nach mehreren Jahren des Aufenthalts in Berlin noch nicht willkommen. Die verbalen aber auch tätlichen Angriffe rechtsradikaler und faschistoider Gruppen gegen linke Politiker und Aktivisten nehmen zu. Wir sind also noch weit entfernt, von einer weltoffenen friedlichen Gesellschaft, für die auch Julius Fucik gekämpft hat…

„Menschen, ich hatte euch lieb“, hinterlässt uns Julius Fučík. Kämpfen wir für diese menschliche Gesellschaft, so erfüllen wir sein Vermächtnis, das er seiner Reportage hinterlassen hat. Er schreibt dort:

„Um eines bitte ich: Ihr, die ihr diese Zeit überlebt, vergesst nicht! Vergesst nicht die Guten und auch nicht die Schlechten! Sammelt geduldig die Zeugnisse über jene, die für sich und für euch gefallen sind. Eines Tages wird das Heute Vergangenheit sein, wird man von der großen Zeit und von den namenlosen Helden sprechen, die Geschichte gemacht haben. Ich möchte, dass man weiß, dass es keine namenlosen Helden gegeben hat, dass es Menschen waren, die ihren Namen, Ihr Gesicht und ihre Hoffnung hatten, dass deshalb der Schmerz auch des letzten unter ihnen nicht kleiner war als Schmerz des Ersten, dessen Name erhalten bleibt. Ich möchte, dass sie alle euch nahe bleiben, wie Bekannte, wie Verwandte, wie ihr selbst.“

Mit diesem Vermächtnis lasst uns seiner wie auch aller anderen Widerstandskämpfer gedenken.

Sonja Newiak

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