Keine rote Welle, doch Trumps Saat geht auf
Obwohl die Republikaner ihre angekündigte „red wave“ nicht umsetzen konnten, zeugt der Ausgang der Zwischenwahlen zum US-Repräsentantenhaus und zum Senat von den anhaltend tiefen Gräben in der US-amerikanischen Gesellschaft, gefährlich weiter zugespitzt in den vier Jahren Trump-Präsidentschaft. Der unklare Wahlausgang zeigt auch, dass es den Demokraten trotz durchaus anerkennenswerten neuer Gesetzesvorhaben bislang nicht gelungen ist, überzeugende Angebote gerade für die sozial schlechter gestellten Schichten vorzulegen und in reale Politik umzusetzen.
In einer von Hass und populistischer Verleumdung gekennzeichneten Situation – unmittelbar nach Trumps Abwahl – haben sich progressive, demokratische und v. a. unterschiedliche linke Kräfte und Bürgerbewegungen wie Black Lives Matter gegen die Klimakrise, soziale Spaltung, Rassismus oder gegen die Verschärfung frauenfeindlicher Abtreibungsgesetzgebung eingesetzt. Die Demokraten verpassten jedoch, den Enthusiasmus, den zum Beispiel die Welle an gewerkschaftlicher Organisierung bei Amazon und Starbucks hervorgerufen hat, in deutliche Mehrheiten gegen die Republikaner umzusetzen. Die Polarisierung der Gesellschaft besteht fort.
Auch der Wahlerfolg des rechtsradikalen Ron DeSantis in Florida ist ein beängstigendes Warnsignal an alle Menschen, denen Bürgerrechte, Säkularität und Demokratie in den Vereinigten Staaten am Herzen liegen. Es bleiben ziemlich genau zwei Jahre Zeit bis zu den nächsten US-Präsidentschaftswahlen, um die gesellschaftliche Mobilisierung für Bürgerrechte voranzutreiben und einen progressiven, demokratischen Aufbruch in der amerikanischen Gesellschaft zu ermöglichen. Eine Fokussierung auf die gemeinsamen Interessen aller lohnabhängigen Amerikaner*innen ist der Politik von Polarisierung und Entdemokratisierung entgegenzustellen. Gelingt dies nicht, droht 2024 ein Sieg äußerst rechter Kräfte – unabhängig davon, ob der Sieger Donald Trump heißt oder nur in dessen politischer Tradition steht.