PCK Schwedt – ein gefährliches Spiel für ganz Brandenburg
Im Mai 2022 hat die Bundesrepublik beschlossen, freiwillig auf Erdöl aus Russland zu verzichten. Die besondere Betonung liegt hier auf „freiwillig“. Auf Grund massiver Abhängigkeiten einiger EU-Staaten vor allem in Osteuropa, beispielsweise der Tschechischen Republik oder der Slowakei, gilt das Embargo der EU nur für Öl über den Seeweg und nicht für Pipeline-Öl.
Die Bundesrepublik hat sich selbstständig dafür entschlossen auch auf Pipeline-Öl zu verzichten, dabei gab es vor allem bei der PCK-Raffinerie in Schwedt eine 100-prozentige Abhängigkeit von Öl aus Russland. Vielleicht ist der „Ampel“ diese Entscheidung deshalb so leicht gefallen, da die verbliebene Importmenge russischen Erdöls sich ausschließlich auf Ostdeutschland bezieht. Deshalb behaupte ich, hätte diese Raffinerie z. B. in Wilhelmshafen gelegen, hätte es nie eine solche politische Entscheidung gegeben. Wie immer haben wir eine von westdeutschen Horizonten geprägte Regierung.
Der Parlamentarische Staatssekretär Michael Kellner (Grüne) hat immer wieder betont, dass mit Kasachstan über Lieferung verhandelt wird. Kurz vor Embargobeginn am 1. Januar 2023 war immer noch nicht klar, wie die PCK-Raffinerie zukünftig beliefert werden sollte, obwohl das Angebot aus Kasachstan, beachtliche Mengen zu liefern, bereits im Sommer 2022 auf dem Tisch lag!
Die Bundestagsdebatte am 15. Dezember 2022 zum Antrag der LINKEN: „PCK Schwedt Raffinerie retten und transformieren – Deindustrialisierung Ostdeutschlands verhindern“ und die Wortbeiträge von Michael Kellner sowie von weiteren Abgeordneten aus der Ampelkoalition zeigte, dass es hier mehr offene Fragen als Antworten regierungsseits gab und dringend erforderlich, sich selbst ein eigenes Bild über die Lage zu verschaffen. Deswegen entschloss ich mich im Dezember nach Kasachstan zu reisen und eigene Gespräche zu führen.
Meine Gespräche am 19. und 20. Dezember 2022 mit dem stellvertretenden Energieminister Kasachstans und dem Vorstandsvorsitzenden des kasachischen staatlichen Ölunternehmen KasMunayGas in Astana haben den Eindruck verstärkt, dass die Bundesregierung bei der Versorgung des PCK mit kasachischem Öl zurückhaltend agiert. Trotz der Offenheit der Kasachen, fünf bis sechs Millionen Tonnen kasachisches Öl pro Jahr für Schwedt zu liefern, war bis Embargo-Beginn nichts in trockenen Tüchern. Ergänzend zu den Lieferungen über den Hafen Rostock könnte mit dem kasachischen Öl nahezu eine Vollauslastung der PCK Raffinerie erreicht werden und nicht wie zu Beginn des Januars nur eine Auslastung von 50 Prozent, die sarkastischerweise auch noch als Erfolg verkauft wird. Die Bundesregierung hat fahrlässig Zeit verschenkt und das zu Lasten des größten Raffineriestandortes in Ostdeutschland.
Schließlich gab es seit Mai 2022 ausreichend Zeit und Möglichkeiten, die Versorgung sicherzustellen. Auf Grundlage dieser Informationen und der prekären Versorgungslage hatte die Linksfraktion für den 9. Januar eine Sondersitzung des Ausschusses für Energie des Bundestages einberufen. Auch dort konnte die Bundesregierung keine genauen Angaben machen, wann wie viel Öl nach Schwedt kommt.
Am 11. Januar 2023 wurden vom Energieministerium in Kasachstan jetzt endlich Lieferungen angekündigt. Allerdings sollen erstmal nur ca. 20.000 Tonnen kommen. Das ist der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. Dazu der Vergleich: rund 800.000 Tonnen–1 Millionen Tonnen pro Monat kam bisher monatlich aus Russland. Die Liefermenge soll auf insgesamt ca. 1,2 Millionen Tonnen pro Jahr ausgebaut werden. Gemeinsam mit den Lieferungen über Rostock (5 Mio. Tonnen) kommen dann insgesamt nur 6,2 Millionen Tonnen in Schwedt an. Und das bei einer maximalen Auslastung der Raffinerie von 12 Millionen Tonnen pro Jahr. Wie viel aus Polen kommen soll ist weiterhin unklar.
Also ist immer noch deutlich zu wenig bestellt. Wie mir bereits auf meiner Reise bestätigt wurde, meldet Kasachstan ebenfalls, dass sie in einem Umfang von 6 bis 7 Millionen Tonnen liefern könnten. Warum die Bundesregierung, die mit der Treuhandschaft über die Anteile von Rosneft an der PCK verfügt, dieses erhebliche Potential nach wie vor nicht ausschöpft und somit eine Vollauslastung der PCK gewährleistet, bleibt ein Rätsel.
Auch bleibt rätselhaft und zeigt den energiepolitischen Irrflug des Wirtschaftsministeriums, warum die erst jetzt avisierten Teillieferungen nicht frühzeitig vor Beginn des Embargos am 1. Januar 2023 in trockenen Tüchern waren. Schließlich liegt der Vorschlag einer Alternativbelieferung mit sanktionsfreiem kasachischem Öl seit dem Frühsommer auf dem Tisch. Somit hätte die derzeitige Situation, dass mehrere Raffinerien in Deutschland auf dem halbtrockenen sitzen, frühzeitig verhindert werden können und müssen!
Christian Görke ist finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag und vetritt den Wahlkreis 64 (Cottbus – Spree-Neiße)